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Ökostromrabatt eine "große Frage der Wettbewerbsgleichheit"

Die EU-Kommission könnte nicht auf der einen Seite Deutschlands Stärke wollen und auf der anderen Seite die hiesigen besonderen Bedingungen der industriellen Produktion infrage stellen, sagt Werner Langen (CDU), Mitglied im Wirtschaftsausschuss im EU-Parlament. Er rechne deshalb mit einem Kompromiss.

Werner Langen im Gespräch mit Christiane Kaess | 07.11.2013
    Christiane Kaess: Schon im Sommer kam die Drohung aus der Brüsseler EU-Kommission, es könne zu einer Klage gegen Deutschland kommen, weil zu viele Unternehmen von den Kosten der Energiewende ausgenommen werden. Dabei geht es eigentlich um diejenigen, die viel Strom verbrauchen und im internationalen Wettbewerb stehen. Mittlerweile sind aber immer mehr Fälle bekannt geworden, wo diese Kriterien überhaupt nicht greifen. In Brüssel stoßen die Ausnahmen auf scharfe Kritik. Der Vorwurf: das ist Wettbewerbsverzerrung. Verbunden sind wir jetzt mit Werner Langen von der CDU. Er ist Mitglied im Wirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments. Guten Tag!

    Werner Langen: Guten Tag, Frau Kaess!

    Kaess: Herr Langen, riskiert die EU-Kommission, dass die Energiewende in Deutschland nicht so umgesetzt werden kann, dass Arbeitsplätze erhalten bleiben?

    Langen: Ich glaube nicht. Ich gehe davon aus, dass Herr Almunia, wie er es in anderen Verfahren belegt hat, sehr verantwortungsvoll am Ende entscheiden wird. Tatsache ist, dass die EU-Kommission nicht erst in letzter Zeit, sondern seit der Gründung der Römischen Verträge die Kompetenz für die Wettbewerbspolitik hat. Sie kann Kartelle verbieten und hohe Strafen auferlegen, sie kann Fusionen mit Auflagen versehen, sie muss auch staatliche Beihilfen genehmigen. Die erste Frage wird sein: handelt es sich dabei um eine staatliche Beihilfe, weil es auf der Grundlage eines Gesetzes geschieht, oder nicht. Die zweite Frage ist: wenn es zu einer solchen Beurteilung kommt, wie muss das bestehende Gesetz umgeändert werden. Ich glaube, darum wird es heute überwiegend gehen.

    Kaess: Da können wir gleich noch ein bisschen mehr in die Tiefe gehen. Aber vorab noch die Frage: Die Kritik aus Brüssel ist ja doch relativ scharf, und jetzt sagt Bundesumweltminister Altmaier, er wolle in Brüssel klar machen, dass Arbeitsplätze in Deutschland nicht weniger gelten dürften als in anderen Ländern. Ist das auch Ihr Eindruck?

    Langen: Da hat er recht. Wenn Sie schauen, wie die Preissituation im Energiesektor ist, und Sie betrachten nur ein einziges Beispiel, nämlich Frankreich, dort wird mit einem großen Staatsunternehmen, der EDF, die Industriepreissubventionierung eine ganz andere Dimension haben, und das ist anders bewertet worden wie der Vorgang in Deutschland.

    Kaess: Warum wird da mit zweierlei Maß gemessen?

    Langen: Weil die Kommission – ich kann es nicht im Einzelnen sagen, was gerade in Frankreich der Fall ist -, weil die Kommission davon ausgeht, Staatsunternehmen haben ihre eigene Motivation, ihre eigene Legitimation, im Gegensatz zu den Ländern, in denen ein Wettbewerb zwischen den Anbietern herrscht. Das ist der Grundfaktor dabei. Und wenn Sie sehen, dass in Frankreich die Strompreise um 20 Prozent niedriger sind für die Industrie, dann ist das schon ein erheblicher Wettbewerbsfaktor. Wenn Sie dann noch vergleichen, dass die Vereinigten Staaten 55 Prozent niedrigere Strompreise haben und das weiter ansteigt durch die Gewinnung von Shale-Gas und Shale-Öl, dann sehen Sie, dass es eine ungeheuer große Frage der Wettbewerbsgleichheit sein wird.

    Kaess: Wie sollten jetzt Bundesumweltminister Altmaier und Hannelore Kraft dem Wettbewerbskommissar Almunia ihre Interessen vermitteln?

    Langen: Die Kommission sagt immer ständig, die industrielle Stärke Europas muss gefördert werden. Das sagt sie, aber sie macht das Gegenteil, wenn ich daran denke, dass gestern Herr Rehn zum Beispiel die Bilanzungleichgewichte angeprangert hat, die Zahlungs- und Leistungsbilanz-Ungleichgewichte und auf der anderen Seite nichts unterlassen wird, um im Konflikt zwischen Umweltfragen und Arbeitsplatzfragen sich einseitig zulasten der Klima- und Umweltpolitik zu engagieren. Da ist also ein großer Zwiespalt drin und es könnte die Aufgabe der beiden führenden Politiker sein, der Kommission deutlich zu machen, man kann nicht Deutschlands Stärke wollen und gleichzeitig die besonderen Bedingungen der industriellen Produktion in Deutschland, die ja zum Exporterfolg wesentlich beigetragen hat, infrage stellen.

    Kaess: Das heißt, Herr Langen, auch Sie sind der Meinung, ohne Ausnahmeregelungen würden Arbeitsplätze wegfallen?

    Langen: Auf jeden Fall. Es gibt einzelne Branchen, da geht der Energieanteil über 20 Prozent, das sind nicht viele. Die Frage wird auch sein in Deutschland, wie geht man mit den sonstigen Branchen um. Im Augenblick sind nach der Statistik des Bundesumweltministeriums 1.677 Betriebe begünstigt.

    Kaess: Und das ist eine Zahl, die enorm gestiegen ist in den letzten Jahren. Wie kam es denn zu diesem wahnsinnigen Anstieg, und es werden ja immer mehr Fälle bekannt, wo offensichtlich die Kriterien, die ursprünglich angelegt worden sind, überhaupt nicht mehr greifen?

    Langen: Da müssen Sie in Berlin nachfragen. Das kann ich nicht sagen.

    Kaess: Hätte man strenger sein müssen bei der Auswahl?

    Langen: Ja es ist die Frage, wie man das abgrenzt. Die Industrie muss sich daran messen lassen, ob sie im internationalen Wettbewerb steht. Wenn es im internationalen Wettbewerb Vergünstigungen gibt, dann kann die EU-Kommission meines Erachtens wenig machen. Wenn es Ungleichgewichte in Europa gibt, muss man die Ungleichgewichte benennen. Auch das wird eine Aufgabe der beiden Politiker heute sein. Herr Almunia ist durchaus bereit, pragmatische Lösungen zu finden, wenn sie in die Zukunft reichen.

    Kaess: Aber dass diese Ausnahmeregelungen versteckte Subventionen sind, sehen Sie schon auch?

    Langen: Ja, die werden ja nicht vom Staat bezahlt. Das ist ja schon mal die erste Frage. Die Definition der Subventionen ist ganz klar aus Steuermitteln aus dem Staatshaushalt. Hier werden die Verbraucher herangezogen. Das heißt schon die Frage: ist es wirklich eine staatliche Subvention? Die ist schon offen, die muss man diskutieren. Herr Almunia sagt ja, andere sagen, es ist eine Grenzfrage. Das ist die erste Frage und die zweite Frage wird sein, kann Deutschland auf Dauer diese Vielzahl der Ausnahmen aufrechterhalten.

    Kaess: Aber grundsätzlich finden Sie es in Ordnung, dass die Verbraucher die Ausnahmen für die Industrie mitbezahlen?

    Langen: Ja. Die Verbraucher profitieren ja auch von der industriellen Stärke der Bundesrepublik Deutschland und von den Arbeitsplätzen. Man kann doch das nicht voneinander trennen. Ich halte das EEG insgesamt für dringend reformbedürftig. Das ist aber eine völlig andere Frage als die Frage der Besserstellung der Industrie. Die Industrie steht in einem europäischen und internationalen Wettbewerb und wenn Sie die jüngste Investitionsentscheidung der BASF sehen, die hat aus Energiegründen die Investitionen in den USA geplant, eine Düngemittel-, Ammoniak-Erzeugung, Düngemittel-Fabrik mit Milliarden-Investitionen nur aus Energiekostengründen. Das muss man bedenken. Das geschieht nicht von heute auf morgen, aber wenn wir die Energiepreise nicht im Blick haben, sondern nur einseitig auf Klimaverträglichkeit setzen und auch die Energieversorgungssicherheit nicht berücksichtigen, dann werden auf Dauer – und zwar nicht von heute auf morgen, aber in zehn Jahren – die industriellen Arbeitsplätze nicht mehr wettbewerbsfähig sein. Das ist ein Faktum.

    Kaess: Herr Langen, auf der anderen Seite haben auch Sie gesagt, es wäre schon in Ordnung, wenn man nicht so viele Unternehmen von diesen Kosten freistellen würde. Würden denn weniger Ausnahmen der EU-Kommission reichen?

    Langen: Da könnte man von ausgehen. Ich glaube, wenn da ein vernünftiger Kompromiss gemacht wird, wenn man das überarbeitet, wenn man die Bedingungen vielleicht an der einen oder anderen Stelle mehr auf die Wettbewerbssituation im internationalen Verbund abstellt, dann wird die EU-Kommission dem zustimmen. Da bin ich felsenfest von überzeugt. Das ist meine langjährige Erfahrung hier. Die EU-Kommission geht nicht mit dem Kopf durch die Wand. Sie verhandelt relativ lange. Herr Almunia war Wirtschaftsminister in Spanien, er kennt die Situation aus seinem eigenen Land, wie das ist, und er hat zum Beispiel bei der Banken-Restrukturierung in Spanien auch harte Entscheidungen getroffen, indem Banken geschlossen wurden. Das geht aber nach einheitlichen Regeln und da werden die Deutschen sicher, hoffe ich jedenfalls, nicht benachteiligt.

    Kaess: Und ganz kurz noch: Welche Branchen müssten raus aus den Ausnahmeregelungen?

    Langen: Ja es gibt ganz klar die Chemie, Papier, Maschinenbau, Metallerzeugung und Verarbeitung, Holzgewerbe, Kunststoff und Gummi. Die gehören zu den energieintensiven.

    Kaess: Die müssten drin bleiben bei den Ausnahmeregelungen?

    Langen: Ja. Ob Krankenhäuser und Golfplätze dazugehören, da kann man wirklich drüber streiten.

    Kaess: Sagt Werner Langen von der CDU. Er ist Mitglied im Wirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments. Danke für das Gespräch heute Mittag, Herr Langen.

    Langen: Vielen Dank, Frau Kaess.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.