Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Ölförderung in der Nordsee
Protest gegen Bohrungen im Wattenmeer

Das Öl-Unternehmen DEA will in Zukunft mehr Erdöl aus der Nordsee fördern. Dafür sind weitere Probebohrungen notwendig. Greenpeace will das mit allen Mitteln verhindern und macht mit Protestaktionen auf Gefahren für den Nationalpark Wattenmeer aufmerksam.

Von Dietrich Mohaupt | 01.04.2016
    Aktivisten der Umweltorganisation Greenpeace demonstrieren am 31.03.2016 im schleswig-holsteinischen Wattenmeer bei Neuwerk vor Cuxhaven (Niedersachsen) gegen geplante Ölbohrungen des Förderkonzerns Dea Deutsche Erdöl AG.
    Aktivisten der Umweltorganisation Greenpeace demonstrieren gegen weitere Ölbohrungen in der Nordsee. (dpa/picture alliance/Christian Charisius)
    Und Vollgas – mit zeitweise mehr als 40 Knoten, das sind knapp 75 Kilometer pro Stunde, jagt das Greenpeace-Schlauchbot über die Nordsee Richtung schleswig-holsteinisches Wattenmeer. Kurz darauf ist die Fahrt schon zu Ende – es heißt umsteigen auf die "Beluga II", die in Sichtweite der Bohr-und Förderplattform Mittelplate auf einer Sandbank liegt. Kapitän Uwe Linke hat das Plattbodenschiff hier absichtlich auf den Sand gesetzt – trockenfallen lassen sagen die Seefahrer dazu.
    "Das ist jetzt ein normales Manöver – für solch ein Schiff, das dafür gebaut ist durchaus Tagesgeschäft."
    DEA plant Probebohrungen im Wattenmeer
    Während der Skipper sich mit seiner Mannschaft daran macht, mit Hilfe einer Seilwinde eine Bohrturmattrappe aus Holz über die Bordwand zu hieven, erläutert Greenpeace- Ölexperte Jörg Feddern den Hintergrund für die Protestaktion:
    "DEA hat seit 2007 Anträge bei den zuständigen Ministerien vorgelegt für eine sogenannte naturschutzrechtliche Genehmigung um 4 Probebohrungen im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer und Niedersachen durzuführen. Seit März vergangenen Jahres etwa sind die so weit gediehen, dass sie in den nächsten Schritt, in die öffentliche Anhörung gehen können – das kann in diesem Jahr passieren!"
    Und das wollen die Umweltschützer unbedingt verhindern – wieder nach Erdöl bohren, mitten im Nationalpark Wattenmeer, ein absolutes Unding, meint Jörg Feddern.
    "Man versucht eben, gerade besonders sensible Ökosysteme vor dem Eingriff des Menschen soweit es geht zu schützen – da passen Ölbohrungen einfach nicht rein, das ist der eine Punkt. Der zweite Punkt ist, dass ein Restrisiko an Ölunfällen immer gegeben ist – und auch kleine Mengen reichen aus, um ein solch sensibles Gebiet, wie wir es hier im Wattenmeer haben, einer gewissen Gefahr auszusetzen – und das wollen wir vermeiden!"
    Deshalb erwarte er von den zuständigen Ministerien in Schleswig-Holstein und Niedersachsen, beide geführt von Grünen-Politikern, dass sie die Bohrungen nicht genehmigen. Aus Sicht der DEA hingegen spricht eigentlich nichts mehr dagegen, dass die erforderlichen Genehmigungen möglichst bald erteilt werden – man habe schließlich in den vergangenen Jahren immer wieder vor allem in Sachen Natur- und Umweltschutz nachgebessert, betont Unternehmenssprecher Derek Mösche. Zuletzt habe man sogar freiwillig auf sogenannte Fördertests im Zusammenhang mit den Probebohrungen verzichtet.
    Nationalpark mit hohem Schutzwert
    "Fördertests sind normalerweise bei Erdölbohrungen erforderlich, um die Menge und die Qualität des vorhandenen Öls bestimmen zu können. Außerdem haben wir natürlich auch den Landesregierungen von Schleswig-Holstein und Niedersachen zugesichert, dass eine Förderung von Erdöl ausschließlich von Land aus mit weit abgelenkten Bohrungen oder eben von der bestehenden Mittelplate aus durchgeführt werden."
    Insgesamt seien die Risiken für einen Ölunfall verschwindend gering, beteuert Derek Mösche – und stößt damit doch auf taube Ohren bei den Umweltaktivisten von Greenpeace.
    Einsamer Protest mitten im Wattenmeer, im Hintergrund die Bohr- und Förderplattform Mittelplate.
    Einsamer Protest mitten im Wattenmeer. (Deutschlandradio/ Dietrich Mohaupt)
    "Das kann uns nicht zufrieden stellen, weil – es findet ein Eingriff ins Wattenmeer, in den Nationalpark, ins Ökosystem statt, da kann keiner drum herum reden. Wenn man entscheiden will, dass es ein Nationalpark ist mit hohem Schutzwert, dann muss man die Industrie draußen lassen. Und da muss Herr Habeck sich entscheiden: Entweder er pflegt den Nationalpark, oder er gibt der Industrie den Eingriff in dieses sensible Ökosystem frei."
    Besagter Robert Habeck – Umweltminister in Schleswig-Holstein – tut sich allerdings etwas schwer mit dieser Entscheidung. Aus dem Urlaub meldete er sich mit einem kurzen Statement zu Wort: Es sei kein Geheimnis, dass er weitere Ölbohrungen im Wattenmeer für falsch halte, heißt es darin. Und weiter wörtlich: "Anträge, die bei uns eingehen, werden sorgsam nach Recht und Gesetz geprüft. Auch wenn mir ein Stein vom Herzen fallen würden, wenn wir letztendlich nicht genehmigen müssten."
    Noch muss Robert Habeck nicht genehmigen – sein Ministerium teilte auf Anfrage mit, dass man mit wirklich vollständigen Antragsunterlagen der DEA nicht vor Anfang 2017 rechne, eine Entscheidung stehe dann Ende 2017 an.