Dienstag, 14. Mai 2024

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Ölpest vor der galizischen Küste breitet sich aus

Heuer: Neue Hiobs-Botschaften erreichen uns von der galizischen Küste. Dort breitet sich die Ölpest nach der Havarie des Öltankers Prestige weiter aus, und immer mehr Schweröl läuft aus dem Wrack im Atlantik aus. Experten sagen, das könne noch jahrelang so weitergehen. Am Telefon ist Thilo Maack von Greenpeace. Herr Maack, läuft das Öl tatsächlich noch bis 2006 aus? Ist das denkbar?

11.12.2002
    Maack: Zumindest sagen jetzt die Bilder, die wir jetzt gesehen haben, von dem Unterseeboot, das in die Tiefen getaucht ist, dass dort Öl ausläuft. Offizielle Schätzungen sagen, das sind 125 bis 140 Tonnen pro Tag. Es geht insgesamt aus 14 Rissen hinaus, und Greenpeace Spanien hat kalkuliert, dass damit zu rechnen ist, dass bis 2006 tatsächlich das so weitergeht, dass das Öl ausläuft und die galizische Küste erreicht.

    Heuer: Was kann man da akut tun? Ist es möglich, das Öl unter Wasser abzupumpen beziehungsweise wenigstens, wenn es dann an die Oberfläche gestiegen ist, sofort aus dem Meer herauszufischen?

    Maack: Meine Kollegen von Greenpeace Spanien haben tatsächlich schon mit Spezialisten gesprochen. Die haben gesagt, es ist möglich, diese knapp 50.000 Tonnen Öl, die nach wie vor im Wrack der Prestige in 3.500 Meter Wassertiefe sind, abzupumpen und damit tatsächlich dieses Worst-Case-Szenario, das sich für die nächsten Jahre andeutet, zu verhindern, das Öl abzupumpen und effektiv und professionell zu entsorgen.

    Heuer: Haben Sie Signale bekommen, dass das auch geschehen wird, wenn das technisch möglich ist?

    Maack: Zunächst mal bleibt es von unserer Seite bei der Forderung. Es ist in den letzten Tagen und Stunden ja so gewesen, dass selbst der spanische Präsident weit zurückgerudert ist und jetzt zugibt, dass es offensichtlich die größte Naturkatastrophe gewesen ist, die größte Umweltkatastrophe, die jemals in Spanien passiert ist, und es ist davon auszugehen - und wir hoffen das -, dass tatsächlich Spezialfirmen angefordert werden, um das Öl abzupumpen.

    Heuer: Von der spanischen Regierung?

    Maack: Richtig.

    Heuer: Jetzt ist auch ein Ölteppich elf Kilometer vor der portugiesischen Küste gesichtet werden. Kann das denn Öl aus der Prestige sein?

    Maack: Ja, selbstverständlich kann es Öl aus der Prestige sein. Die Wetterverhältnisse zur Zeit dort im Atlantik sind so, dass der große Ölteppich zerrissen ist. Es gibt viele kleinere Ölteppiche, die auf die Küsten zutreiben. Vor allen Dingen gibt es aber auch Ölteppiche, die nicht an der Wasseroberfläche treiben, sondern Ölteppiche, die in drei bis vier Meter Wassertiefe sich aufhalten und auf die Küste zu bewegen. Das haben zum Beispiel Greenpeace-Taucher, die gestern am Naturschutzgebiet der Siez-Inseln getaucht sind, bewiesen. Öl ist drei, vier Meter im Wasser und treibt auf die Küste zu.

    Heuer: Frankreich ist auch bedroht. Die dortige Atlantikküste hat einen Aktionsplan zum Schutz vor dem Öl erlassen. Reicht das aus, was die Franzosen da planen?

    Maack: Man muss zunächst mal abwarten, wie sich das in den nächsten Tagen entwickeln wird. Es ist ein sehr gutes Zeichen, dass die Franzosen sich zumindest auf diese Ölkatastrophe vorbereiten, dass nicht das gleiche passiert wie in Spanien, wo man Tage, Wochen darauf gewartet hat, dass sich die Natur letztendlich selber hilft, was dann nicht der Fall gewesen ist. Das Öl ist mittlerweile an 600 km der galizischen Küste gelandet. In Portugal sind mittlerweile Ölflecken in der Vizcaya gefunden. Es ist weiträumig verteilt, und die Franzosen sind gut beraten, wenn sie jetzt wirklich mobil machen.

    Heuer: Die spanische Regierung, haben Sie gerade erwähnt, sitzt weiter in der Kritik. War es der Grundfehler der Regierung in Madrid zu veranlassen, dass die Prestige nach der Havarie auf hohe See hinausgeschleppt wurde?

    Maack: Ganz genau. Das ist der größte Fehler gewesen, der gemacht worden ist im Anfangsstadium dieser Katastrophe. Ein Blick zurück: Vor zehn Jahren ist die Aegean Sea, ein Schiff vergleichbarer Größe, havariert, auch ein Tanker. Dabei sind 50.000 Tonnen Rohöl ausgelaufen. Dadurch aber, dass das Schifft nicht versucht wurde wegzuziehen, ist die Ölkatastrophe auf eine bestimmte Bucht oder einen bestimmten Landesteil beschränkt gewesen. Im Fall der Prestige hat man den Havaristen tagelang versucht aufs offene Meer zu ziehen. Dabei hat sich das Öl weiträumig verteilt, und es ist zu der Situation gekommen, die wir jetzt beobachten.

    Heuer: Vielen Dank für das Gespräch.