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Österreich
Auch Touristen sollen Steuerreform gegenfinanzieren

Von Ralf Borchard | 17.03.2015
    Sie soll das zentrale Reformprojekt der Großen Koalition in Österreich sein, Sozialdemokraten und Volkspartei aus dem Umfragetief holen. Bundeskanzler Werner Faymann spricht von "der größten Steuerreform der Zweiten Republik".
    "Fünf Milliarden Euro – 4,9 – direkt in die Brieftaschen der Menschen."
    Vor allem Geringverdiener sollen ab 2016 entlastet werden, der Eingangssteuersatz sinkt laut Regierungsbeschluss von jetzt gut 36 auf 25 Prozent. Auch mittlere Einkommensbezieher sollen im Monat rund 80 Euro mehr im Geldbeutel haben. Im Gegenzug steigt der Spitzensteuersatz von 50 auf 55 Prozent, allerdings erst ab einem Jahreseinkommen von einer Million Euro, das betrifft weniger als 500 österreichische Top-Verdiener.
    Eine umfangreiche Vermögenssteuer einzuführen - dieser Plan der Sozialdemokraten scheiterte am konservativen Koalitionspartner. Die Reaktionen auf der Straße bleiben verhalten:
    "Ich hätte mir sicherlich mehr erwartet im Zusammenhang mit vermögensbezogenen Steuern. Und das finde ich eben schade, dass da nicht mehr passiert ist."
    "Ich hab das Gefühl, dass das nicht viel bringt. Weil's zu wenig ist."
    "Also für mich ist es eine Umverteilung von einer Tasche in die andere. Also natürlich bleibt dem Einzelnen mehr über. Aber im Prinzip werde ich es woanders ausgeben müssen, oder?"
    "Ich hoffe es, dass es so eintritt, wie es uns die Politik momentan versprochen hat - lassen wir uns überraschen, ich bin mir nicht sicher."
    Der lauteste Protest kommt aus der österreichischen Wirtschaft. Zur Gegenfinanzierung der Lohnsteuersenkung soll Steuerbetrug schärfer bekämpft werden. Das Bankgeheimnis für Unternehmen soll fallen, die Finanzämter sollen Einblick in alle in- und ausländischen Betriebskonten erhalten. Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl spricht von "bürokratischer Sektiererei":
    "Wir sind auch für Betrugsbekämpfung. Aber wir sind gegen bürokratische Sektiererei. Und da werden wir das letzte Wort noch miteinander zu reden haben."
    Die Gegenfinanzierung betrifft auch Touristen. Bisher galt etwa für Hotelübernachtungen, Museums-, Theater- und Kinokarten ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz von zehn Prozent, er soll auf 13 Prozent steigen. Und zur geplanten Registrierkassenpflicht auch für Lokale, Kaffeehäuser und Einzelhändler sagt dieser Wiener:
    "Eigentlich ist es eine Farce. Weil schwarz machen kann man immer – mit oder ohne Registrierkasse. Im Prinzip ist es nur rausgeschmissenes Geld."
    Steuerexperten beurteilen die Reformpläne differenziert. Sabine Kirchmayr-Schliesselberger von der Universität Wien sagt zu Registrierkassenpflicht und Ende des Bankgeheimnisses für Unternehmen:
    "Neben diesen neuen, zum Teil sehr scharfen Waffen braucht man eins: nämlich Manpower. Es müssen die entsprechenden Finanzbeamten natürlich im Finanzstrafrecht geschult werden, mit der Betriebsprüfung vernetzt werden und so weiter."
    Und der internationale Vergleich, etwa mit Deutschland zeigt: Österreich bliebe auch nach Inkrafttreten der Reform eines der EU-Länder mit der höchsten Steuer- und Abgabenquote. Der mühsame Prozess, die Steuerreform durchs Parlament zu bringen, steht noch bevor. Finanzminister Hans Jörg Schelling - nebenbei mit der Pleitebank Hypo Alpe Adria beschäftigt – ist dennoch zuversichtlich:
    "Also wenn ein Finanzminister nicht mehr optimistisch wäre, wär's ja ganz schlecht um die Staatsfinanzen bestellt. Ja, wir haben jede einzelne Maßnahme exakt durchgerechnet. Es ist ein erster Schritt. Die großen anderen Reformen müssen kommen, um nachhaltig das Budget zu sanieren."