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Österreich und CETA
Ein Ja mit Bedingungen

Österreich wird dem EU-Freihandelsabkommen mit Kanada wohl zustimmen. Mit seinem "Ja, aber" zu CETA setzte sich Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern über das klare Nein seiner Parteibasis hinweg. In bestimmten Fragen soll jedoch das österreichische Parlament das letzte Wort haben.

Von Andrea Beer | 18.10.2016
    Der österreichische Bundeskanzler Christian Kern nach seiner Vereidigung.
    Der österreichische Bundeskanzler Christian Kern verbucht für sich, dass die EU das Abkommen den nationalen Parlamenten vorlegen muss. (AFP / DIETER NAGL)
    Österreich wird die CETA Abstimmung heute nicht blockieren. Kurz vor knapp stimmte auch die SPÖ-Parteiführung zu: Ja zu CETA, aber. Bei dieser Haltung bleibt der österreichische SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern: "Es ist ein ja, aber dieses Ja hat Bedingungen."
    Was Kern Bedingungen nennt, steht unter anderem auf neun Seiten, die in der österreichischen CETA-Debatte "Beipackzettel" genannt werden. Darin geht es um die umstrittenen Schiedsgerichte, Investorenschutz oder Privatisierungen der öffentlichen Hand, im Gesundheitswesen etwa oder beim Trinkwasser. Hier soll das österreichische Parlament nach Vorstellung der Regierung das letzte Wort haben. Der konservative Koalitionspartner ÖVP hätte so einen "Beipackzettel" nicht gebraucht und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner meinte nur: "Ich bin froh, dass wir hier eine gemeinsame Linie gefunden haben. Wenn auch mit viel Mühe, wir hätten es uns einfacher machen können."
    Mit seinem "Ja, aber" setzt sich SPÖ-Chef Kern nun über die Basis hinweg
    Zur allgemeinen Überraschung hatte Bundeskanzler Christian Kern nämlich die SPÖ-Mitglieder abstimmen lassen, ob Österreich dem geplanten EU-Freihandelsabkommen mit Kanada vorläufig zustimmen solle. Das klare Nein seiner Parteibasis konnte Kern nicht überraschen, denn dass viele SPÖler CETA kritisch sehen, war kein Geheimnis. Bei der SPÖ-Basis im Wiener Bezirk Florisdorf klang die Mitgliederbefragung Mitte September zum Beispiel so:
    "Zur Frage eins: Soll Österreich der vorläufigen Anwendung von CETA auf EU-Ebene zustimmen?"
    "Nein!" "Sicher nicht!" "Nein!"
    Ein Florisdorfer SPÖ-Mann begründete das Ganze dann noch wie folgt: "Es geht ja gar nicht um Freihandel in dem Sinne, sondern es geht um den Abbau von Sozialstandards und Umweltstandards und dagegen sind wir."
    Mit seinem "Ja, aber" zu CETA setzt sich SPÖ-Chef Kern nun über die Basis hinweg. So sehen es viele, von der sozialistischen Jugend über einige Landesparteien bis hin zu den Gewerkschaften. Der Kanzler verteidigt sich so: Die SPÖ-Mitgliederbefragung habe geholfen, Druck in Brüssel aufzubauen. Dass die EU das Abkommen überhaupt den nationalen Parlamenten vorlegen müsse, das verbucht Christian Kern für sich. Denn seine Forderung sei von der EU-Kommission zunächst als österreichischer Klamauk abgetan worden.
    Die Debatte zieht längst weitere Kreise, Stichwort Neuwahl
    "Was ist passiert? Der österreichische Klamauk ist Realität geworden und das bedeutet, dass wesentliche Teile des Abkommens eben nicht vorläufig angewandt werden und eben schon dem österreichischen Parlament wie auch allen anderen nationalen Parlamenten vorgelegt werden."
    "Reine Augenwischerei" – diese Vorwürfe kommen aus der Opposition, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Der CETA-Text sei seit Jahren ausverhandelt gewesen, heißt es etwa bei den Neos und Grünen-Chefin Eva Glawischnigg hält an ihrer Grundkritik der Schiedsgerichte fest: "Nämlich dass die privaten Schiedsgerichte für Großkonzerne im Wesentlichen nach wie vor unverändert enthalten sind."
    Kritik kommt auch von der rechtspopulistischen FPÖ. Diese lehnt CETA weiter ab und deren Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer möchte sogar eine Volksabstimmung darüber und hat sich für eine Blockadepolitik ausgesprochen.
    Österreich wird CETA vorerst aber nicht blockieren. Doch die Debatte zieht längst weitere Kreise, Stichwort Neuwahl. Beide Regierungsparteien kokettieren im Moment damit und SPÖ und Regierungschef Kern persönlich hat zurzeit gut Umfragewerte. Die Parlamentswahl steht zwar erst 2018 an, doch geradezu genüsslich werden die letzten Zuckungen der Großen Koalition ausgemacht. Die Kärntner Politologin Katrin Stainer Hämmerle glaubt jedoch:
    "Ich weiß jetzt allerdings nicht wirklich, wer gewinnen sollte von den beiden Regierungsparteien. Es ist eher wahrscheinlich, nach derzeitigen Umfragen auch, dass die Freiheitliche Partei als der lachende Dritte aus der Wahl geht."
    Österreich wird CETA also vorerst nicht blockieren, doch die Debatte darüber ist noch nicht vorbei.