Archiv


Oettinger: Liechtenstein darf keine Oase bleiben

Günther Oettinger verlangt von Liechtenstein Mithilfe bei der Aufdeckung und Verhinderung von Steuervergehen. Auch im Fürstentum müssten die Regeln gelten, dass der, der etwas anlegt, Steuern bezahlen muss, sagte der baden-württembergische Ministerpräsident. Zugleich verteidigte der CDU-Politiker den umstrittenen Ankauf von Bankdaten durch den Bundesnachrichtendienst.

Moderation: Silvia Engels |
    Silvia Engels: Eine DVD mit Namen und Kontendaten belastet zurzeit das Verhältnis zwischen Deutschland und Liechtenstein. Deutsche Politik und Behörden sind stolz darauf, die Daten zu haben, um in Fällen der mutmaßlichen millionenschweren Steuerhinterziehungen ermitteln zu können. Die Liechtensteiner Regierung findet es dagegen verwerflich, dass die Daten, die offenbar gestohlen wurden und dann vom BND mit Bundesgeldern angekauft wurden, verwendet werden.

    Am Telefon ist nun der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU). Guten Morgen!

    Günther Oettinger: Guten Morgen!

    Engels: Herr Oettinger, vor eineinhalb Stunden haben wir den Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, im Deutschlandfunk gehört. (Text/ MP3-Audio ) Er nannte es mit Blick auf den Kauf der Daten entsetzlich, sich mit Hehlern zu befassen. Zugleich warnte er vor Vorverurteilungen und Schlammschlachten. Hat die Bundesregierung richtig gehandelt?

    Oettinger: Ich glaube, ja. Natürlich muss das grundlegende Rechtsprinzip gelten: in dubio pro reo. Das heißt, wer nicht verurteilt ist, hat noch keine Strafe verdient. Aber überlegen Sie mal, wir hätten die Daten nicht erworben. Dann würde jeder sagen, die deutschen Behörden versäumen, sich irgendwo in einem Rechtsstaat durchzusetzen. Das heißt, ich glaube, es war richtig, die Daten zu erwerben und jetzt zu prüfen, was ist dran, was hat wer als Steuerzahler gemacht. Und ich bin sicher, dass wir am Ende erreichen, dass die Steuerehrlichkeit steigen wird.

    Engels: Nun meldet die "Süddeutsche Zeitung" in ihrer heutigen Ausgabe, dass die Ermittler auch Indizien dafür gefunden hätten, dass deutsche Privatbanken liechtensteinische Stiftungen verwalten würden und Kunden gezielt in dieser Richtung beraten haben sollen. Sind die Banken womöglich Teil des Problems der Steuerhinterziehung?

    Oettinger: Das kann sein, das werden wir prüfen. Das muss geklärt werden. Niemand darf mithelfen, dass das Steuerrecht durchbrochen wird. Wer in Deutschland lebt, muss nach unserem Einkommenssteuerrecht Steuern bezahlen und die Einkünfte angeben. Deswegen: Hier werden wir ohne Vorurteile, aber auch unbeugsam prüfen, wer hat mitgewirkt, wer hat mitgeholfen, und dann wird alles ans Licht kommen.

    Engels: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat gestern im Gespräch mit Liechtensteins Regierungschef Otmar Hasler die sofortige Eindämmung von Steuerhinterziehung gefordert. Nun fordert SPD-Chef Kurt Beck im äußersten Fall Sanktionen gegen Liechtenstein. Wäre das eine Idee, beispielsweise das in Aussicht gestellte Inkrafttreten des Schengen-Abkommens zurückzustellen?

    Oettinger: Wir haben ja in Europa klare Regeln für den Außenhandel, für die Anwendung von allen möglichen Gesetzen. Und ich glaube, dass Liechtenstein wissen muss, es ist mitten in Europa. Es ist ein wirtschaftlich erfolgreiches Land, ein kleines Land, aber es kann nicht eine Oase bleiben. Liechtenstein muss mithelfen, dass auch bei ihm und bei seinen Banken die Regeln gelten, dass der, der etwas anlegt, Steuern bezahlen muss.

    Engels: Unterstützen Sie eine mögliche harte Linie gegenüber Liechtenstein, falls dort nicht im Sinne der Bundesregierung die Regelungen nachgebessert werden?

    Oettinger: Ja.

    Engels: Wie könnte das konkret aussehen, wenn Liechtenstein nicht mitspielt? Könnte man wirklich das Schengen-Abkommen zurückstellen?

    Oettinger: Liechtenstein ist ein sehr erfolgreiches Land, wirtschaftlich stark. Es gibt tolle Betriebe im Bereich der Fahrzeugzulieferung. Und ich glaube, dass Liechtenstein selbst ein Hauptinteresse daran hat, nicht irgendwo in der europäischen Liga mit falschen Regeln mitzuarbeiten, sondern Liechtenstein muss selbst erkennen, dass es auch am Steuerrecht mitarbeiten muss.

    Engels: Sollte man da Fristen setzen, bis wann sich da etwas tun soll?

    Oettinger: Ich glaube, dass die Kanzlerin gestern klare Worte gesprochen hat und dass Herr Hasler zurückgeht und weiß, was zu tun ist.

    Fusion von weiteren Landesbanken erwartet
    Engels: Wir bleiben beim großen Bereich der Finanzströme, wechseln aber das Thema. Das Stichwort lautet Landesbanken. Am Dienstag kündigte der Chef der Bayerischen Landesbank, Werner Schmidt, seinen Rückzug an. Hintergrund ist die intransparente Informationspolitik, auch über Milliardenverluste der Bayern LB im Zusammenhang mit der US-Hypothekenkrise und Fehlspekulationen. Es ist bekannt, dass Herr Schmidt eine Fusion der Bayerischen Landesbank mit der Landesbank Baden-Württemberg immer abgelehnt hat. Steigen nun die Chancen für diese Fusion?

    Oettinger: Wir haben alle Hausaufgaben bis jetzt machen müssen. Baden-Württemberg will die Vollintegration der Landesbank Rheinland-Pfalz und will im Puzzle erreichen, dass die Sachsen LB zu uns kommt. Dann wären wir eine Bank für drei Länder. Die Bayern haben vor einigen Monaten in Osteuropa zugekauft. Aber ich glaube schon, dass im Laufe des Jahres über eine Fusion von weiteren Landesbanken beraten werden muss. Und ich bin sicher, dass München und Stuttgart eine Achse bilden können, die ideal wäre.

    Engels: Und Sie sind für diese Fusion?

    Oettinger: Wir sind gesprächsbereit. Wir haben die Gesprächsbereitschaft den Kollegen aus der West LB angeboten. Wir sind gesprächsbereit auch nach München, das heißt, wir können aus eigener Kraft weiter arbeiten, aber sind bereit, uns mit anderen zusammenzuführen.

    Engels: Das System der Landesbanken sieht ja vor, sich gegenseitig bei Schieflagen und Krisen zu helfen. Darauf haben sowohl die Sachsen LB als auch die West LB in der Vergangenheit gesetzt. Doch wie lange geht das noch, wenn nun auch Banken wie die LBBW und die Bayerische Landesbank immer neue Milliardenverluste zu verkraften haben?

    Oettinger: Wir werden in diesem Jahr in Baden-Württemberg zeigen, dass wir aus eigener Kraft groß genug sind. Wir haben im letzten Jahr einen Gewinn gemacht von etwa 300 Millionen. Da ist weniger als früher, aber ist keine rote Zahl. Und inzwischen glauben wir, dass wir als Dienstleister uns in neue Dimensionen bewegen müssen, das heißt, wir sind gesprächsbereit und werden mit jeder Bank, die in Deutschland glaubt, dass sie mit uns gemeinsam wachsen kann, verhandeln.

    Engels: Doch das Hauptproblem der Landesbanken besteht doch darin, dass Ihnen das eigene Geschäftsmodell fehlt. Was lässt sich da tun?

    Oettinger: Unsere Bank ist eine Mittelstandsbank. Das heißt, die Landesbank Baden-Württemberg ist mit der BW Bank, der Baden-Württembergischen Bank, schon längst am Markt aktiv. Wir sind Hauptbank für große Mittelständler. Wir haben Filialen und sind Retailbank Und deswegen sind wir nicht nur auf der oberen Ebene vernetzt, wir haben auch horizontal und vertikal alles, was eine Bank braucht. Deswegen glaube ich, dass dieses Geschäftsmodell von Baden-Württemberg auch für andere Länder richtig wäre.

    Engels: Sehen Sie denn wirklich Chancen, dass andere Länder bereit sind, sich von ihren Landesbanken vielleicht zu verabschieden, um eben größere Einheiten zu bilden? Da sagen ja gerade die Sparkassenverbände immer, die so was zum Teil befürworten, da stehen die starken Ministerpräsidenten im Weg.

    Oettinger: Ja, ich glaube, dass die Bankenentwicklung allen Kollegen klarmacht, dass wir größere Einheiten brauchen. Und deswegen erwarte ich innerhalb des nächsten Jahres, 2007, 2008, 2009, dass wir bis in zwei Jahren vor einer Landschaft stehen, die aus zwei, drei Landesbanken bestehen wird.

    Engels: Jürgen Rüttgers, der Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens sprach gestern von einer bundesweiten Krise der Landesbanken. Sehen Sie das auch so, und wann ist die vorbei?

    Oettinger: Mit Krise hat er Recht, aber bundesweit hat er nicht Recht. Der Jürgen Rüttgers muss selbst verantworten, was in Düsseldorf entstanden ist. Ich glaube nicht, dass die Regierung in Berlin helfen kann, sondern wir müssen auf der Länderebene selbst entscheiden, wie wir mit den Sparkassen gemeinsam das Ganze ordnen.

    Engels: Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger heute Morgen im Interview. Ich bedanke mich für das Gespräch.

    Oettinger: Danke auch.