Archiv

Schülerbetreuung und Bewegung
Sportangebote trotz Mangelfinanzierung

Offene Ganztagsschulen haben zunehmend ein Finanzierungsproblem. Damit ist auch das Bewegungsprogramm für viele Kinder gefährdet, die in den Betreuungseinrichtungen einen großen Teil ihrer Zeit verbringen. Doch es gibt Ideen und Konzepte.

Von Lara Zugck |
Kinder liegen auf Rollbrettern in einer Turnhalle.
Kooperationen für Bewegung in der Offenen Ganzhtagsschule - eine Option für Träger und Sportvereine (IMAGO / Funke Foto Services / IMAGO / Winfried Labus / FUNKE Fot)
In der Turnhalle der Sankt Nikolaus-Grundschule in Köln spielen die Füchse gegen die Eichhörnchen Fußball in der OGS-Liga. OGS steht für Offener Ganztag, die Nachmittagsbetreuung. Die OGS-Liga ist ein Angebot, dass der Träger In Via den Kindern macht und viele von ihnen gerne annehmen. Die kickenden Jungs und Mädchen werden von ihren Mitschülerinnen und Mitschülern kräftig angefeuert.
"Das sind Sportangebote, die extra gemacht werden und die dafür sorgen, dass die 6- bis 10-Jährigen sich am Nachmittag bewegen. Allerdings bedeuten sie Mehrarbeit und es ist nicht klar, ob solche Angebote auf Dauer aufrechterhalten werden können", sagt Sina Karafiol. Sie ist Leiterin des offenen Ganztags an einer anderen Schule, bei der In Via ebenfalls der Träger ist: in der Vietorstraße.
Sie erzählt, dass sie mit Kolleginnen und Kollegen lange um Lohnsteigerungen gekämpft hat und damit zuletzt auch erfolgreich war: In den letzten Monaten sind die Löhne um ganze 15 Prozent gestiegen. Aber die Freude hält sich trotzdem in Grenzen, denn die finanzielle Förderung des Landes für ihre Arbeit an der OGS ist nur um drei Prozent gestiegen. Eine Differenz von 12 Prozent, die nicht ohne Folge bleibt.

Sportangebote mit schwindenden Mitteln schwer zu realisieren

„Es ist halt so, dass der Träger ein hohes Maß an Eigenmitteln einbringen muss, um das Defizit zum Teil zumindest auffangen zu können. Aber diese Eigenmittel sind natürlich nicht unbegrenzt vorhanden. Das heißt die zeitlichen Ressourcen und die personellen Ressourcen, die wir haben, werden jetzt erstmal genutzt, um den Alltag aufrechtzuerhalten und eine bedarfsgerechte Betreuung auch zu sichern. Und dann sind halt weniger Ressourcen vorhanden, um halt auch auf unserer personellen Ebene Spiel- und Sportangebote anzubieten. Das ist die Realität, in der wir uns jetzt gerade befinden.“
Weniger Sportangebote für die Kinder und das in einer Zeit in der Katja Köhler-Nachtnebel, Vizepräsidentin Schule, Bildung und Personalentwicklung des Landessportbundes Hessen erst den Sport im Ganztag als Bildungspartner Nummer eins bezeichnet hat. Mit den schwindenden Mitteln ist es allerdings schwer, diesen Anspruch zu erfüllen, erklärt Sina Karafiol.
„Wir versuchen natürlich auch immer kreative Lösungen genau dafür zu finden. Eben weiterhin auch ein qualitativ hochwertiges Angebot stattfinden zu lassen. Wir haben hier sehr engagierte Teams, sehr engagierte Mitarbeitende und auch von Trägerseite werden wir da immer unterstützt. Dass wir da kreative Lösungen finden, wie das eben trotz der Mangelfinanzierung noch möglich ist.“

Verein kommt zu den Kindern

Zwar freut sich Sina Karafiol darüber, dass die Wertschätzung in Form von mehr Lohn für ihre Arbeit gestiegen ist, aber ohne eine Steigerung der finanziellen Förderung des Landes und der Kommunen seien sie in ihren Möglichkeiten zu begrenzt, findet sie und viele ihrer Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Deshalb sind sie schon mehrfach auf die Straße gegangen und haben demonstriert. Mitte Oktober fand eine Kundgebung mit 5.000 Leuten vor dem Düsseldorfer Landtag statt, vergangene Woche eine in Köln.
Damit Kinder auch in der Nachmittagsbetreuung Sportangebote erhalten, hat Gerhard Löschke sich überlegt: Wenn die Kinder in der Zeit nicht mehr zu den Vereinen kommen, dann kommt der Verein zu ihnen. Gehard Löschke ist Geschäftsführer des Vereins TV Derendingen in Tübingen.
„Wir als Verein machen verschiedene Angebote für Kinder in der Schule. Das nennt sich zum Beispiel 'bewegte Pause'. Das ist vor oder nach dem Mittagessen. Wir machen Mittagsbetreuung, wir machen Hausaufgabenbetreuung und vor allem bewegte Pause machen wir gerne in der Sporthalle, wo wir einfach eine Dreiviertelstunde oder Stunde mit den Kids noch Sport machen. Dann haben wir nachmittags die Sport AGs, die finden zwischen 14 und 16 Uhr statt. Da bieten wir zum Beispiel Basketball, Fußball, Turnen, Parkour oder auch Ballspiele an. So lernen wir die Kinder kennen, wir können uns vorstellen, wir können den Kids zeigen, was wir so im Verein machen, können sie ansprechen: Woah du hast doch was drauf, komm doch noch zu uns. So haben wir die Chance an die Kinder ran zu kommen und sie von uns zu überzeugen.“

Ansätze wie im benachbarten Ausland

Mit seiner Umsetzung orientiert sich Vereins-Geschäftsführer Gerhard Löschke an Ländern wie Frankreich, England oder Spanien, in denen der Sport schon seit Jahren in den Schulalltag integriert ist. Gehard Löschke will sichergehen, dass der Verein präsent ist und vor allem auch für sein Angebot nach dem Ganztag wirbt.
Inzwischen ist der Verein mit 40 bis 50 Wochenstunden an zehn Kooperationsschulen aktiv. Dementsprechend werden aber auch einige Mitarbeiter benötigt. Der TV Derendingen hat hierfür zwei bis drei FSJler und zwei bis drei Auszubildende im Einsatz. Doch wie finanziert der Verein dieses Angebot?
„Bei uns das Gängigste ist der württembergische Landessportbund, dort gibt es eine Kooperation, die heißt Schule – Verein. Da bekommt man 500 Euro pro AG jährlichen Zuschuss. Dann gibt es verschiedene Fördertöpfe im Ganztagsbereich, es gibt ein Programm, das heißt Jugendbegleiter, da kann man immer Anträge stellen, um die Übungsleiter zu bezahlen. Es gibt auch noch eine ganz tolle Sache, die bei uns in der Gegend vor allem in Stuttgart gemacht wird. Da kann man Lehrerstunden monetarisieren und so Gelder bekommen.“
Gerhard Löschke sieht, dass sein Konzept fruchtet. Der Zulauf im Verein ist viel größer geworden und durch den Wiedererkennungswert zwischen Trainer*innen und Kindern entsteht eine Bindung, die wichtig ist, um die Kinder für Sport begeistern zu können.

Spielerisch in Bewegung kommen

Allerdings funktionieren solche Kooperationen nicht überall. Wie kann trotzdem dafür gesorgt werden, dass Kinder in Bewegung kommen? Das hat Hanjo Fritzsche angetrieben, ein Programm zu entwerfen, dass Grundschulkinder animiert sich zu bewegen. Es werden Tiergeschichten mit Sportübungen verknüpft. Niedergeschrieben hat Hanjo Fritzsche seine Ideen im Buch „Tanz mit dem Pinguin“. Entstanden ist es während der Corona-Zeit.
„Bei dem Buch ist es so, dass jede zweite Übung, also insgesamt sind es 16 Tiere, die man da spielerisch nachahmen kann, jede zweite Übung ist ne Übung die man zu zweit macht. Ne Partnerübung. Und da sind natürlich auch die Eltern eingeladen mitzumachen, denn die Eltern haben natürlich ne ganz wichtige Vorbildfunktion.“

Übungen für den Alltag

Wenn Eltern sich selbst für Sport begeistern und ihn als wichtig ansehen, dann beeinflusst das auch die Haltung der Kinder zum Sport. Deshalb sei es so wichtig, sich gemeinsam mit der Thematik auseinanderzusetzen, sagt Fritzsche. Eine Übung für Eltern und Kinder zur Schulung der Reaktionsfähigkeit und Koordination im Buch ist die Robbe:
"Ihr kniet euch aufrecht und zueinander gewandt mit einem Meter Abstand auf den Boden. Die Hüfte ist gestreckt, Oberkörper und Oberschenkel bilden eine gerade Linie. Dann werft ihr euch abwechselnd in hohem Bogen ein Sockenknäul zu. Während das Knäul in der Luft ist, versucht ihr viermal in die Hände zu klatschen."
Das Gute an den Übungen wie der Robbe ist: man kann sie jederzeit in den Alltag integrieren.
„Man braucht dafür eigentlich nichts. Also es sind eigentlich alles Körpergewichtsübungen, die man überall machen kann. Manchmal braucht man einen Sockenknäul, aber jeder hat Socken zuhause. Und ja man kann das immer und überall machen, egal ob zuhause irgendwo auf einer Wiese, in der Schule", sagt Fritsche.
Nur muss die Motivation auch auf Dauer hochgehalten werden und das geht in der Gemeinschaft mit festen AGs und Zeiten am besten. In der OGS-Liga ist die Motivation hoch, denn sowohl die Füchse als auch die Eichhörnchen-Klasse wollen am Ende Sieger sein.