Beatrice Kopp ist dieser Tage sehr zufrieden. Die letzten Wochen hat sie damit verbracht, wichtigen Gästen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) zu erklären, wo ihre Sitzplätze in den Arenen zu finden sind. Mal hat sie auch Sportlerinnen beim Transport betreut. In den kommenden Wochen wird die Französin neue Aufgaben haben:
"Ich bin eine Freiwilligenhelferin für die Olympischen und die Paralympischen Spiele. Bei Oympia habe ich zum Transportteam gehört. Bei den Paralympics werde ich im Protokollteam sein. Da habe ich mit Vertretern der Nationalen Paralympischen Komitees und Offiziellen zu tun. Ich werde sie zum Beispiel in Rückzugsorten wie Lounges willkommen heißen."
Beatrice Kopp gehört zu den Zehntausenden sogenannten Volunteers, die während der Olympischen Spiele in Paris einen geordneten Ablauf ermöglicht haben und dies bei den Ende August startenden Paralympischen Spielen erneut tun sollen.
Volunteers bringen enorme Motivation mit
Bei Olympia und den Paralympics sind es insgesamt 45.000 Personen, die Journalisten die WiFi-Verbindung erklären, Zuschauerinnen den Weg von der Bahnstation zum Stadion zeigen oder eben VIPs einen angenehmen Aufenthalt bescheren. Und "Volunteers" – was sich ins Deutsche in etwa mit "Freiwillige" übersetzt – heißen diese Personen deshalb, weil sie gratis arbeiten.
Beatrice Kopp, die beruflich in der Weiterbildung beschäftigt ist, sich für die Spiele aber freigenommen hat, findet es okay, für ihren täglich siebenstündigen Einsatz nicht bezahlt zu werden: "Wenn man Volunteer sein will, muss man wissen, was es bedeutet, ein Volunteer zu sein. Für uns gibt es überhaupt kein Geld, auch keine anderen Vorteile. Wir erhalten nur eine Mahlzeit am Tag, ein Ticket für den lokalen Transport in Paris und eine Armbanduhr. Wir müssen unsere Unterkunft in Paris selbst bezahlen und unsere Anreise von unserem Wohnort auch. Ich komme aus Nantes. Aber mir ist es ein Anliegen gewesen, meinen Teil zu den Spielen in Frankreich beizutragen."
300.000 Bewerbungen für Freiwilligenarbeit
So wie Beatrice Kopp denken viele Menschen. Laut offiziellen Angaben sind rund 300.000 Bewerbungen beim Organisationskomitee der Spiele von Paris eingegangen. Die Ausrichter konnten bei ihrer Suche nach helfenden Händen also wählerisch sein. Nicht wenige der Volunteers schätzen ihr Dabeisein sogar als großes Privileg ein.
So sagt der Softwareberater Jim Stewart aus den USA: "Ich glaube, ich hatte großes Glück. Ich werde hier im Eventmanagement am Eiffelturm eingesetzt. Paris ist eine sehenswürdige, schöne Stadt. Und dieses Ereignis ist etwas Historisches. Ich persönlich bin sowieso am glücklichsten, wenn ich anderen Menschen helfe. Und die Olympischen Spiele sind eine gute Gelegenheit, Menschen aus der ganzen Welt mit einfachen Dingen zu helfen."
Wenn Olympische oder Paralympische Spiele beginnen oder zu Ende gehen, lassen die Ausrichter keine Gelegenheit verstreichen, ihren Volunteers zu danken. Ohne sie wäre dieses Mega-Event nicht zu stemmen, heißt es jedes Mal. Wobei die Ausrichter gerade vor diesem Hintergrund immer wieder Kritik auf sich ziehen: Denn wenn diese Volunteers so wichtig sind – warum bezahlt man sie nicht?
Erlöse des IOC stark gestiegen
Das fragt sich Jules Boykoff, Politikprofessor an der US-amerikanischen Pacific University und bekannter Olympiakritiker: "Die Spiele verlassen sich definitiv auf sehr viel Freiwilligenarbeit. Und es stimmt zwar, dass diese Freiwilligen ihre Zeit für etwas einsetzen, das ihnen wichtig ist. Aber auch wahr ist, dass es sich um ein Event handelt, das Milliarden US-Dollar umsetzt. Und dies ist dafür bekannt, seine Einnahmen nicht zu verteilen."
Die Erlöse des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) – vor allem aufgrund von Einnahmen durch Sponsoren und TV-Gelder – sind über die vergangenen Jahre stark gestiegen. Während eines Vierjahreszyklus setzte das IOC Anfang des Jahrtausends drei Milliarden US-Dollar um. Mit dem Zyklus, der 2021 endete, waren es schon 7,6 Milliarden.
Die Paralympics sind weitaus kleiner – aber auch sie wachsen mit hohem Tempo. Ist die Behandlung der Volunteers dann Ausbeutung? Jules Boykoff findet: "Mit dem Geld, das vorhanden ist, könnte eine Menge getan werden. Während der Pandemie waren auch viele Ressourcen für Vorsichtsmaßnahmen gegen Covid-19 vorhanden."
Der Politikprofessor fügt an: "Mit dem Geld, das vorhanden ist, könnte eine Menge getan werden. Das würde auch Ressourcen für Vorsichtsmaßnahmen gegen Covid-19 einbeziehen. Aber trotz all der Probleme rund um Olympia, von den Kosten über Militarisierung bis zu Greenwashing und Korruption sind die Spiele in der Öffentlichkeit ja weiter beliebt. Auch wenn das in den jeweiligen Gastgeberstädten weniger der Fall ist. Nur führt diese Situation dann auch zur Frage: Wer kann es sich überhaupt leisten, sich als Volunteer einzubringen?"
Volunteers kommen vor allem aus reichen Ländern
Das fragt sich auch Cosima Dörfel Hill. Die Deutsche, die seit knapp 20 Jahren in Großbritannien lebt, war schon in London und Rio de Janeiro als Volunteer aktiv. In Paris ist die Angestellte einer Rechtsberatung im Umgang mit den Medien im Einsatz. Diese Aufgabe, für die auch sie sich Urlaub genommen hat, bringt ihr großen Spaß, sagt sie. Denn sie treffe Menschen aus der ganzen Welt und sei Teil einer riesigen Party.
Aber, sagt Dörfel Hill: "Es ist ja nicht nur so, dass man nicht bezahlt wird. Man muss sich den Einsatz auch aus eigener Tasche finanzieren. London war damals noch günstig für mich, weil ich dort wohnte, und das kostete schon 1.500 Pfund. Dabeisein zu können, ist auch insofern ein Privileg. Denn es gibt diese ökonomische Barriere."
Tatsächlich kommen die Volunteers vor allem aus reichen Ländern. Cosima Dörfel Hill hat eine Idee, wie sich dies auch ohne Lohn zumindest ein Stück weit ändern ließe: "Es würde wirklich helfen, wenn man Unterstützung bei der Unterbringung haben könnte. Oder bei der Anreise. Ein Freund von mir hat als Volunteer in London damals gecampt. Und am letzten Tag wurden persönliche Gegenstände von ihm geklaut. Die Organisatoren sorgen nicht dafür, dass man nachts einen sicheren Schlafplatz hat."
Keine Antwort des Organisationsteams auf Dlf-Anfrage
Eine Deutschlandfunk-Anfrage zu diesen Themen hat das Pariser Organisationskomitee nicht beantwortet. Ob aus Zeitdruck oder mangelndem Interesse ist nicht bekannt, aber klar ist: Bei den nächsten Spielen werden sich vermutlich sowieso wieder genügend einsatzbereite Personen bewerben.