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Online-Nation China
Verpacken, Frankieren, Verschicken

Die Chinesen sind ein Volk der Online-Shopper geworden. Die beliebte Verkaufsplattform Taobao des Internetkonzerns Alibaba gehört zu den meistbesuchten Websites der Welt. Der Online-Handel verändert den Arbeitsmarkt. In Yiwu in Ostchina machen Berufsschüler eine Ausbildung zum Online-Händler und lernen, wie man einen Taobao-Shop betreibt.

Von Markus Rimmele | 29.04.2015
    Logo von Alibaba
    Für immer mehr junge Chinesen ist der Internethandel eine verlockende Alternative zum traditionellen Jobmarkt. (dpa / picture alliance / Imaginechina / Da Qing)
    Wie ein Schulraum sieht das nicht aus. Links ein Haufen Pappkartons, rechts ein Sack mit versandfertigen Plastikumschlägen. Auf den Tischen liegen Scheren, Adressformulare, Verpackungsreste herum. Dann natürlich die Ware: Kleidung. Bunte Schals, reingestopft in Blechregale. Und dazwischen ein paar Computer, an denen Schüler die Online-Bestellungen abfragen und bearbeiten.
    "Wir verkaufen seit mehr als einem Jahr Damenbekleidung. Wir schauen uns online immer um, was gerade weltweit modern ist, und dann lassen wir das unsere Hersteller produzieren."
    Ausbildung zum Online-Händler
    Wang Daoquan ist 20 Jahre alt, Berufsschüler und Internet-Unternehmer. Der Klassenraum ist gleichzeitig sein Firmensitz. Das ist normal an dieser Berufsschule in der Stadt Yiwu südwestlich von Shanghai. Mit zwei Mitschülern betreibt Wang seinen Online-Shop. Ihr Monatsumsatz liegt bei umgerechnet 18.000 Euro, die Marge bei 20-30 Prozent. Damit haben die drei das Ziel der Schule schon erreicht. Dort nämlich werden die Fähigkeiten der Schüler in Geld gemessen. Nur wer im Monat mindestens 10.000 Yuan verdient, 1500 Euro, bekommt einen Abschluss. Drei Jahre dauert der Kurs in Unternehmensführung im Startup-Zentrum der Schule. Es ist faktisch eine Ausbildung zum Online-Händler.
    "Unser Ziel ist es, Unternehmer auszubilden, sagt der Schulleiter Jia Shaohua. Wir lassen die Schüler vom ersten Tag an in die Praxis gehen. Doch wie gründet man ein Geschäft ohne Kapital? Der Himmel hat uns den Internethandel geschenkt. Für die Anmeldung eines Online-Shop auf Taobao braucht man nur 100 oder 200 Yuan, 15-30 Euro."
    Gesamtvolumen von umgerechnet 2 Billionen Euro
    Für immer mehr junge Chinesen ist der Internethandel eine verlockende Alternative zum traditionellen Jobmarkt. Viele Uni-Absolventen etwa stehen auf der Straße. Die Einstiegsgehälter sind niedrig. Ein Online-Shop hingegen ist schnell eingerichtet und kann viel Geld abwerfen. Die Branche wächst zudem rasant. Im vergangenen Jahr legte der chinesische Internethandel um 30 Prozent zu auf ein Gesamtvolumen von umgerechnet 2 Billionen Euro.
    Die bekannteste Shopping-Seite ist Taobao. Jeder, der mag, kann auf der Internetplattform einen Shop eröffnen. Chinesen kaufen heute alles auf Taobao und noch ein paar anderen Websites.
    Mehr als 2.000 Online Shops
    Ein paar Kilometer weiter. Der Ort Qingyanliu am Stadtrand von Yiwu ist ein sogenanntes Taobao-Dorf. Davon gibt es Dutzende in China. Fast alle Bewohner arbeiten im Internethandel. Mehr als 2.000 Online-Shops sind in Qingyanliu ansässig. Vor den Hauseingängen stapeln sich Kartons. Lieferfahrzeuge werden be- und entladen. Auch vor dem Haus von Ma Zhangliang. Er hat 30 Angestellte. Die einen sitzen im Büro, nehmen Bestellungen oder Reklamationen entgegen. Andere verpacken und verschicken die Ware. Herr Ma verkauft Kochtöpfe.
    "Das Taobao-Dorf hat eine ganz besondere Atmosphäre. Hier siedeln sich so viele neue Firmen an. Das ist wie ein Startup-Labor. Eine ganze Logistik- und Lieferbranche hat sich hier drum herum gebildet. Das macht es einfach, und wir sparen Geld."
    Die meisten Schüler der Berufsschule in Yiwu ziehen nach dem Abschluss in den Ort und bauen hier ihr Onlinegeschäft auf. Aus immer mehr Eingängen in Qingyanliu i st der reißende Klang der Paketbandrollen zu hören.