Silvia Engels: Am Telefon hat mitgehört Markus Ferber (CSU), Spitzenkandidat seiner Partei für die Europawahl kommende Woche. Guten Morgen, Herr Ferber.
Markus Ferber: Guten Morgen, Frau Engels.
Engels: Wir haben nun gerade einiges über mögliche Gefahren für dieses Opel-Konzept gehört. Sind Sie da auch so skeptisch, dass da noch etwas nachkommen kann?
Ferber: Wir müssen in der Tat natürlich schon aufpassen, dass wir nicht einen Holzmann-II-Fall bekommen. Das heißt, die Sanierung kann nur funktionieren, wenn sie dauerhaft tragfähig ist, wenn sie auch alle Lieferbeziehungen mit einbezieht, das heißt auch die mittelständischen Zulieferer entsprechend berücksichtigt. Das scheint bei Magna besser der Fall zu sein als bei Fiat, aber das ist nur ein Vergleich zwischen zwei Optionen. Es gibt sicherlich mehr Optionen, die hier insgesamt zu prüfen gewesen wären.
Engels: Wirtschaftsminister zu Guttenberg, Ihr Parteifreund, hat deutlich gemacht, dass er die Risiken, die nun der Bund bei der Opel-Lösung trägt, für zu groß hält. Wie sehen Sie das?
Ferber: Das ist in der Tat die Schlüsselfrage: Wie tragfähig ist dieses Konzept, wie zukunftsfähig ist es, oder wird hier nur ein Problem über eine bestimmte Zeitachse verschleppt, um am Ende dann doch in einer anderen Art und Weise gelöst zu werden? Ich denke, dass das Modell, das jetzt auch die Amerikaner betreiben, eine ernsthafte Option war. Leider hat die SPD aufgrund der Zusagen des Kanzlerkandidaten diese Option nicht mehr ernsthaft geprüft, aber eine Insolvenz heißt ja nicht den Untergang eines Unternehmens, sondern kann auch in Deutschland nach dem Insolvenzrecht - das haben wir ja gerade gehört - dazu benutzt werden, die notwendige Gesundschrumpfung vorzunehmen, die jetzt im Wesentlichen auf dem Rücken des Steuerzahlers stattfindet.
Engels: Aber auch Bundeskanzlerin Merkel selbst hat gestern noch einmal eine Insolvenz für Opel abgelehnt. "Sie wolle nicht, dass Opel in den Strudel einer amerikanischen Insolvenz hineingerät, bei der zuletzt die Filetstücke herausgenommen werden." Das sehen Sie anders?
Ferber: Ja, weil jetzt haben wir ja gerade zurecht erfahren, dass die Insolvenz von General Motors mit der Sanierung von Opel nichts zu tun hat, sondern dass es gelungen ist, den europäischen Teil von General Motors - also Opel - abzutrennen und damit ein eigenes Verfahren zu machen. Deswegen wäre die Gefahr nicht bestanden, dass die europäischen Werke, die europäischen Patente, um mal die Werthaltigkeit von Opel anzusprechen, im amerikanischen Insolvenzverfahren aufgezehrt worden wären. Da waren sich ja Wirtschaftsminister und Kanzlerin immer einig, dass dies nicht stattfinden darf, und das findet auch nicht statt.
Engels: Böse Zungen haben schon vor Wochen gesagt, die CSU könne sich in Sachen Opel nur deshalb eine Insolvenz vorstellen, weil es kein Opel-Werk in Bayern gebe. Was kontern Sie?
Ferber: Das ist eine ziemlich naive Vorstellung zu sagen, dass nur dort, wo Standorte sind, wird man ernsthafter sich mit der Frage beschäftigen ...
Engels: Na ja, aber Arbeitsplätze spielen eine Rolle!
Ferber: Ja. Ich wollte gerade sagen, und die Arbeitsplätze im Mittelpunkt haben. Wenn wir sehen, dass in einer Insolvenz, wo die Gläubiger sich auch entsprechend mit beteiligen, zwei Drittel bis drei Viertel des Unternehmens gerettet werden können - das waren ja die Analysen, die vorhanden waren und die Grundlage für die Überlegungen des Wirtschaftsministers waren -, dann glaube ich nicht, dass das schlechter ist als das Konzept, das jetzt zum tragen kommt. Für den Steuerzahler wäre es aber wesentlich günstiger gewesen. Das ist schon ein Argument und ich glaube auch, dass wir uns in zwei, drei Jahren nochmals auch unter anderen Gesichtspunkten mit diesem Thema beschäftigen werden, und dann werden Sie feststellen, dass das Modell des Bundeswirtschaftsministers nicht das schlechteste war.
Engels: Finanzminister Steinbrück hat vor rund einer Stunde hier im Deutschlandfunk gerade die CSU zur Koalitionsdisziplin gemahnt. Man habe sich schließlich gemeinsam verständigt. Zerreden Sie den Opel-Erfolg?
Ferber: Ich will den Erfolg nicht zerreden. Nur gerade der Herr Bundesfinanzminister ist ja nicht der Hort der Stabilität der Koalition. Wenn ich mich da an viele, viele Äußerungen in den letzten Wochen zurückerinnere, ist schon interessant, wer da jetzt plötzlich zum Koalitionsfrieden mahnt, wenn man sich einen kurzfristigen Erfolg davon verspricht, aber ansonsten tritt und stänkert - ich sage es in dieser Deutlichkeit -, wenn man nicht zufrieden ist was die Koalition tut. Also das gilt für den Herrn Bundesfinanzminister ganz genauso.
Engels: Sie sind Spitzenkandidat der CSU für die Europawahl, sind schon selbst Europaparlamentarier. Es wurde ja Kritik seitens der europäischen Partner laut, dass die Lösung für Opel vor allem auf die Sicherung deutscher Arbeitsplätze ausgelegt sei, zu Lasten der anderen europäischen Opel-Werke in Belgien, Spanien oder Großbritannien. Teilen Sie diese Einschätzung?
Ferber: Nein! Das Konzept ist natürlich darauf ausgelegt, den ganzen europäischen Anteil von General Motors, also alles, was Opel insgesamt betrifft, entsprechend zu berücksichtigen und in die Sanierung mit einzubeziehen. Das wurde ja auch vom Gesamtbetriebsrat, vom europäischen Betriebsrat immer so klar formuliert. Deswegen teile ich diese Auffassung nicht. Wir hatten natürlich schon eine sehr starke nationale Diskussion jetzt in Deutschland, die ein bisschen auch den Blick versperrt hat, was in anderen EU-Ländern stattfindet. Hier ist genauso intensiv gerungen und diskutiert worden und das ist auch absolut in Ordnung so.
Engels: Nehmen wir einmal an, dass die Werke in Antwerpen oder in Großbritannien geschlossen werden, während die deutschen Werke vergleichsweise mit wenig Personalabbau erhalten bleiben, fürchten Sie dann möglicherweise Klagen vor den Gerichten der EU?
Ferber: Nein. Da gibt es ja insgesamt eine Prozedur, die einzuhalten ist auch bei Übernahmen. Die gelten für ganz Europa. Wir haben das ja europäisch in entsprechenden Regelungen festgehalten. Diese Prozeduren werden eingehalten werden müssen und sie werden auch eingehalten werden, sodass ich nicht die Sorge habe, dass es am Ende zu Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof kommt. Sollten die Spielregeln der EU bei Übernahmen nicht eingehalten werden, dann wird auch der Betriebsrat entsprechend agieren. Da mache ich mir überhaupt keine Sorgen.
Engels: Nun wird in Deutschland über die staatliche Stützung des angeschlagenen Handelskonzerns Arcandor nachgedacht. SPD-Chef Müntefering kann sich das vorstellen, Finanzminister Steinbrück will es nicht ausschließen. Wie sehen Sie das?
Ferber: Es geht bei jedem Fall darum: Ist er lebensfähig und wäre er lebensfähig gewesen, wenn die Wirtschaftskrise nicht gekommen wäre. Wenn wir diese Grundlinie verlassen, dann gibt es kein Halten mehr, aber dann gibt es am Ende nur noch die Staatswirtschaft und ich glaube nicht, dass das Ziel nach 20 Jahren des Mauerfalls sein kann, dass wir in die Staatswirtschaft wieder zurückkehren. Ich sage das auch mal in aller Deutlichkeit. Dort wo Missmanagement war, das jetzt durch die Krise noch verschärft wird, kann es nicht Aufgabe des Steuerzahlers sein, eine Vollkasko-Versicherung für jeden Arbeitsplatz zu übernehmen. Ich weiß, das klingt hart, aber es ist die nüchterne Wahrheit. Es gilt die zu retten, die lebensfähig sind, und das muss individuell entschieden werden. Mir liegen für Arcandor jetzt noch nicht die Erkenntnisse vor, um das abschließend zu bewerten. Ich bin sowieso immer überrascht, dass die SPD immer schon vorher weiß, was rauskommen muss, bevor die Unterlagen überhaupt geprüft wurden.
Engels: Arcandor, könnte das auch wieder ein europäisches Thema werden?
Ferber: Das hat bestimmte europäische Komponenten, aber bei weitem nicht so starke wie Opel.
Engels: Das war Markus Ferber. Er sitzt für die CSU im Europäischen Parlament und ist der Spitzenkandidat seiner Partei für die Europawahl kommende Woche. Vielen Dank für das Gespräch.
Markus Ferber: Guten Morgen, Frau Engels.
Engels: Wir haben nun gerade einiges über mögliche Gefahren für dieses Opel-Konzept gehört. Sind Sie da auch so skeptisch, dass da noch etwas nachkommen kann?
Ferber: Wir müssen in der Tat natürlich schon aufpassen, dass wir nicht einen Holzmann-II-Fall bekommen. Das heißt, die Sanierung kann nur funktionieren, wenn sie dauerhaft tragfähig ist, wenn sie auch alle Lieferbeziehungen mit einbezieht, das heißt auch die mittelständischen Zulieferer entsprechend berücksichtigt. Das scheint bei Magna besser der Fall zu sein als bei Fiat, aber das ist nur ein Vergleich zwischen zwei Optionen. Es gibt sicherlich mehr Optionen, die hier insgesamt zu prüfen gewesen wären.
Engels: Wirtschaftsminister zu Guttenberg, Ihr Parteifreund, hat deutlich gemacht, dass er die Risiken, die nun der Bund bei der Opel-Lösung trägt, für zu groß hält. Wie sehen Sie das?
Ferber: Das ist in der Tat die Schlüsselfrage: Wie tragfähig ist dieses Konzept, wie zukunftsfähig ist es, oder wird hier nur ein Problem über eine bestimmte Zeitachse verschleppt, um am Ende dann doch in einer anderen Art und Weise gelöst zu werden? Ich denke, dass das Modell, das jetzt auch die Amerikaner betreiben, eine ernsthafte Option war. Leider hat die SPD aufgrund der Zusagen des Kanzlerkandidaten diese Option nicht mehr ernsthaft geprüft, aber eine Insolvenz heißt ja nicht den Untergang eines Unternehmens, sondern kann auch in Deutschland nach dem Insolvenzrecht - das haben wir ja gerade gehört - dazu benutzt werden, die notwendige Gesundschrumpfung vorzunehmen, die jetzt im Wesentlichen auf dem Rücken des Steuerzahlers stattfindet.
Engels: Aber auch Bundeskanzlerin Merkel selbst hat gestern noch einmal eine Insolvenz für Opel abgelehnt. "Sie wolle nicht, dass Opel in den Strudel einer amerikanischen Insolvenz hineingerät, bei der zuletzt die Filetstücke herausgenommen werden." Das sehen Sie anders?
Ferber: Ja, weil jetzt haben wir ja gerade zurecht erfahren, dass die Insolvenz von General Motors mit der Sanierung von Opel nichts zu tun hat, sondern dass es gelungen ist, den europäischen Teil von General Motors - also Opel - abzutrennen und damit ein eigenes Verfahren zu machen. Deswegen wäre die Gefahr nicht bestanden, dass die europäischen Werke, die europäischen Patente, um mal die Werthaltigkeit von Opel anzusprechen, im amerikanischen Insolvenzverfahren aufgezehrt worden wären. Da waren sich ja Wirtschaftsminister und Kanzlerin immer einig, dass dies nicht stattfinden darf, und das findet auch nicht statt.
Engels: Böse Zungen haben schon vor Wochen gesagt, die CSU könne sich in Sachen Opel nur deshalb eine Insolvenz vorstellen, weil es kein Opel-Werk in Bayern gebe. Was kontern Sie?
Ferber: Das ist eine ziemlich naive Vorstellung zu sagen, dass nur dort, wo Standorte sind, wird man ernsthafter sich mit der Frage beschäftigen ...
Engels: Na ja, aber Arbeitsplätze spielen eine Rolle!
Ferber: Ja. Ich wollte gerade sagen, und die Arbeitsplätze im Mittelpunkt haben. Wenn wir sehen, dass in einer Insolvenz, wo die Gläubiger sich auch entsprechend mit beteiligen, zwei Drittel bis drei Viertel des Unternehmens gerettet werden können - das waren ja die Analysen, die vorhanden waren und die Grundlage für die Überlegungen des Wirtschaftsministers waren -, dann glaube ich nicht, dass das schlechter ist als das Konzept, das jetzt zum tragen kommt. Für den Steuerzahler wäre es aber wesentlich günstiger gewesen. Das ist schon ein Argument und ich glaube auch, dass wir uns in zwei, drei Jahren nochmals auch unter anderen Gesichtspunkten mit diesem Thema beschäftigen werden, und dann werden Sie feststellen, dass das Modell des Bundeswirtschaftsministers nicht das schlechteste war.
Engels: Finanzminister Steinbrück hat vor rund einer Stunde hier im Deutschlandfunk gerade die CSU zur Koalitionsdisziplin gemahnt. Man habe sich schließlich gemeinsam verständigt. Zerreden Sie den Opel-Erfolg?
Ferber: Ich will den Erfolg nicht zerreden. Nur gerade der Herr Bundesfinanzminister ist ja nicht der Hort der Stabilität der Koalition. Wenn ich mich da an viele, viele Äußerungen in den letzten Wochen zurückerinnere, ist schon interessant, wer da jetzt plötzlich zum Koalitionsfrieden mahnt, wenn man sich einen kurzfristigen Erfolg davon verspricht, aber ansonsten tritt und stänkert - ich sage es in dieser Deutlichkeit -, wenn man nicht zufrieden ist was die Koalition tut. Also das gilt für den Herrn Bundesfinanzminister ganz genauso.
Engels: Sie sind Spitzenkandidat der CSU für die Europawahl, sind schon selbst Europaparlamentarier. Es wurde ja Kritik seitens der europäischen Partner laut, dass die Lösung für Opel vor allem auf die Sicherung deutscher Arbeitsplätze ausgelegt sei, zu Lasten der anderen europäischen Opel-Werke in Belgien, Spanien oder Großbritannien. Teilen Sie diese Einschätzung?
Ferber: Nein! Das Konzept ist natürlich darauf ausgelegt, den ganzen europäischen Anteil von General Motors, also alles, was Opel insgesamt betrifft, entsprechend zu berücksichtigen und in die Sanierung mit einzubeziehen. Das wurde ja auch vom Gesamtbetriebsrat, vom europäischen Betriebsrat immer so klar formuliert. Deswegen teile ich diese Auffassung nicht. Wir hatten natürlich schon eine sehr starke nationale Diskussion jetzt in Deutschland, die ein bisschen auch den Blick versperrt hat, was in anderen EU-Ländern stattfindet. Hier ist genauso intensiv gerungen und diskutiert worden und das ist auch absolut in Ordnung so.
Engels: Nehmen wir einmal an, dass die Werke in Antwerpen oder in Großbritannien geschlossen werden, während die deutschen Werke vergleichsweise mit wenig Personalabbau erhalten bleiben, fürchten Sie dann möglicherweise Klagen vor den Gerichten der EU?
Ferber: Nein. Da gibt es ja insgesamt eine Prozedur, die einzuhalten ist auch bei Übernahmen. Die gelten für ganz Europa. Wir haben das ja europäisch in entsprechenden Regelungen festgehalten. Diese Prozeduren werden eingehalten werden müssen und sie werden auch eingehalten werden, sodass ich nicht die Sorge habe, dass es am Ende zu Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof kommt. Sollten die Spielregeln der EU bei Übernahmen nicht eingehalten werden, dann wird auch der Betriebsrat entsprechend agieren. Da mache ich mir überhaupt keine Sorgen.
Engels: Nun wird in Deutschland über die staatliche Stützung des angeschlagenen Handelskonzerns Arcandor nachgedacht. SPD-Chef Müntefering kann sich das vorstellen, Finanzminister Steinbrück will es nicht ausschließen. Wie sehen Sie das?
Ferber: Es geht bei jedem Fall darum: Ist er lebensfähig und wäre er lebensfähig gewesen, wenn die Wirtschaftskrise nicht gekommen wäre. Wenn wir diese Grundlinie verlassen, dann gibt es kein Halten mehr, aber dann gibt es am Ende nur noch die Staatswirtschaft und ich glaube nicht, dass das Ziel nach 20 Jahren des Mauerfalls sein kann, dass wir in die Staatswirtschaft wieder zurückkehren. Ich sage das auch mal in aller Deutlichkeit. Dort wo Missmanagement war, das jetzt durch die Krise noch verschärft wird, kann es nicht Aufgabe des Steuerzahlers sein, eine Vollkasko-Versicherung für jeden Arbeitsplatz zu übernehmen. Ich weiß, das klingt hart, aber es ist die nüchterne Wahrheit. Es gilt die zu retten, die lebensfähig sind, und das muss individuell entschieden werden. Mir liegen für Arcandor jetzt noch nicht die Erkenntnisse vor, um das abschließend zu bewerten. Ich bin sowieso immer überrascht, dass die SPD immer schon vorher weiß, was rauskommen muss, bevor die Unterlagen überhaupt geprüft wurden.
Engels: Arcandor, könnte das auch wieder ein europäisches Thema werden?
Ferber: Das hat bestimmte europäische Komponenten, aber bei weitem nicht so starke wie Opel.
Engels: Das war Markus Ferber. Er sitzt für die CSU im Europäischen Parlament und ist der Spitzenkandidat seiner Partei für die Europawahl kommende Woche. Vielen Dank für das Gespräch.
