Montag, 13. Mai 2024

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Opposition in Togo verlangt Engagement Frankreichs

Doris Simon: 38 Jahre lang hat Gnassingbé Eyadéma das kleine Togo an der Westküste Afrikas als Militärdiktator nach Gutdünken regiert. Wer opponierte, wurde unterdrückt, eingesperrt, umgebracht. Als Eyadéma am 5. Februar starb, putschte sich sein Sohn an die Macht und wollte genauso weitermachen wie der Vater. Aber das wollten die Togolesen nicht. Seither hat es Proteste gegeben, Verhaftungen, Tote. Die Menschen verlangen eine freie Präsidentenwahl, das Ende der Diktatur. Etienne Dable gehört der togolesischen Opposition an. Er schildert die derzeitige Situation in Togos Hauptstadt Lomé.

Moderation: Doris Simon | 17.02.2005
    Etienne Dable: Zurzeit ist die Lage in Lomé ruhig. Die Geschäfte haben geöffnet, die Leute sind zur Arbeit gegangen, die Schüler und die Studenten sind zur Schule und zur Uni gegangen. Das ist eine gespannte Ruhe, die jederzeit enden kann, und ansonsten ist nicht auszuschließen, dass es noch mal zu Unruhen kommt.

    Simon: Herr Dable, gibt es denn in Togo so etwas wie eine geschlossene Opposition, ein Oppositionsbündnis, oder sind das einzelne oppositionelle Kräfte?

    Dable: Es gibt mehrere Oppositionsparteien. Durch die Länge der Amtszeit des verstorbenen Präsidenten ist die Opposition gespalten. Das hat mehrere Gründe: Der Präsident selbst hat jahrelang versucht, die Opposition zu spalten, weil er gegen eine starke Opposition nicht kämpfen konnte. Es gibt heutzutage, glaube ich, vier oder fünf Parteien innerhalb der Opposition, die man ernst nehmen kann. Diese versuchen seit geraumer Zeit, sich zu einigen, um gegen die Diktatur zu kämpfen. Zurzeit haben sie noch kein konkretes Bündnis geschlossen.

    Simon: Herr Dable, wie ethnisch und religiös einheitlich ist denn das Land?

    Dable: Das Land ist ethnisch nicht sehr gespalten, aber auch nicht sehr einheitlich. Religiöse Bedenken oder religiöse Probleme haben wir Gott sei Dank nicht. Es gibt Christen, es gibt Moslems, es gibt auch Anhänger von Naturreligionen, aber diese leben alle in einer Harmonie. Es gibt keine religiösen Konflikte zwischen Togolesen. Die einzigen Konflikte sind ethnische Probleme, weil die Diktatur versucht hatte, die ethnischen Gruppen gegeneinander aufzuhetzen. Wenn Sie heute die Struktur unserer Armee betrachten, die Mehrheit, das heißt 80 bis 90 Prozent der Armeeangehörigen gehören der ethnischen Gruppe des verstorbenen Präsidenten Kabye. Man beobachtet ähnliche Strukturen auch innerhalb der öffentlichen Administration, dass Leiter der öffentlichen Administrationen von diesen ethnischen Gruppen stammen. Das hat dazu geführt, dass die benachteiligten ethnischen Gruppen eine Art Revanche in sich haben. Aber ich glaube, es muss ein Kurs der künftigen Machthaber hierzulande sein, nicht eine Hexenjagdpolitik zu machen, sondern eine versöhnende Politik. Ich glaube, wir brauchen in Togo jemanden wie Nelson Mandela in Südafrika, der eine versöhnliche Politik machen sollte, um das Land nicht in Unruhen zu führen.

    Simon: Herr Dable, wenn Sie die Stimmung beschreiben in Togo, in der Hauptstadt auch, Lomé, ist das eine Stimmung, die geprägt ist von Angst? Angst etwa verhaftet zu werden, Angst vor Kontrollen? Oder ist das eher eine Stimmung, wo die Leute auf die Straße gehen und offen ihre Meinung sagen jetzt?

    Dable: Nein, leider hat der Tod von Präsident Eyadéma die Beängstigungen der Togolesen nicht beendet. Die Stimmung ist geprägt von Angst, verhaftet zu werden, Angst, erschossen zu werden. Ich wollte noch mal erinnern, dass wir seit einer Woche, also seitdem der Sohn des Präsidenten an der Macht ist, mindestens fünf Tote zu beklagen haben und mehrere Verwundete und mehrere Verhaftete. Es gibt Studenten, die verhaftet worden sind, es gibt Mitglieder der Jugendorganisationen ONUTA, die hier im Stadtteil Bè verhaftet worden sind. Das heißt, das Militär zeigt noch seine Zähne. Man muss sehr mutig sein, um jetzt demonstrieren zu gehen oder um ein Flugblatt zu verteilen oder einfach seine Meinung zu sagen. Es ist eine beängstigende Situation.

    <im_18065>Der Westafrikanische Staatenbund ECOWAS</im_18065>Simon: Herr Dable, die Organisation Westafrikanischer Staaten, die ECOWAS, hat sich eingemischt in Togo, um eben Blutvergießen zu verhindern, um vielleicht auch den Sohn des früheren Diktators davon abzubringen, selber zu regieren. Was kann man erwarten von der ECOWAS?

    Dable: Man kann viel von der ECOWAS erwarten. Bevor ich diese Frage direkt beantworte, würde ich gern mein Bedauern erklären. Mein Bedauern bezüglich der Position von Frankreich, besonders von Präsident Chirac. Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich müsste eigentlich hier ihre Stärke zeigen, müsste eigentlich dem Sohn des verstorbenen Präsidenten und dem Militär in Togo klar und deutlich sagen, dass die Zeit der Militärputsche vorbei ist. Aber die Politik, die die Franzosen seit längerer Zeit, seit Jahrzehnten hierzulande gemacht haben, und die Position Frankreichs heutzutage sind hier wirklich besorgniserregend. Wir hätten gewünscht, dass Frankreich eine stärkere Rolle spielt in diesen Verhandlungen. Man kann viel von der westafrikanischen Staatengemeinschaft erwarten. Ich glaube, die Zeiten, wo die afrikanischen Staaten oder die westafrikanische Staatengemeinschaft keine Stärke gehabt hatte, um solche Krisen zu beenden, ich glaube, dass diese Zeiten ihr Ende haben. Andererseits spielt auch die westafrikanische Staatengemeinschaft hier um ihre Legitimität: Wenn sie bei dieser Situation hier die Augen zudrücken, dann glaube ich, dass die Zukunft dieser Gemeinschaft mit einem großen Fragezeichen versehen wird.