
Christine Heuer: Es sind ziemlich mühselige Verhandlungen, in denen die Regierungs- auf der einen und die Oppositionsfraktionen auf der anderen Seite gerade stecken. Alle wollen die Rechte der sehr schwach ausgefallenen Opposition im Bundestag stärken, aber wie genau das gehen soll, darum wird gerungen, und zwar um gefühlte Millimeter. Doch die Angelegenheit ist von großer Bedeutung.
Katrin Göring-Eckardt ist Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, zusammen mit Anton Hofreiter. Das gehört bei den Grünen ja immer dazu. Und da sie viele Jahre als Vizepräsidentin selbst dem Ältestenrat im Parlament angehört hat, kann sie die Geschäftsordnung und alles, was damit zusammenhängt, wahrscheinlich auch im Schlaf noch aufsagen. Guten Morgen, Frau Göring-Eckardt.
Katrin Göring-Eckardt: Frau Heuer, guten Morgen.
Heuer: Die SPD und die Union haben sich ziemlich auf die Opposition zubewegt. Sind sie jetzt nahe genug dran an Ihren Vorstellungen?
Göring-Eckardt: Na ja, nahe genug dran … Jedenfalls ist sehr viel passiert. Am Anfang sollte es einen einfachen Beschluss geben. Es hat sich gelohnt, da Druck zu machen, dass jetzt zumindest die Geschäftsordnung geändert wird und dass auch klar ist, mit den ursprünglichen Vorstellungen von Redezeiten geht es nicht. Trotzdem bleibt es dabei, ich fange mal mit den Redezeiten an …
Heuer: Das wollte ich auch.
Göring-Eckardt: Da wird es immer noch so sein, dass man in der ersten Sitzungsrunde tatsächlich Rede und Gegenrede hat und man auch gegebenenfalls Alternativen darstellen kann. Aber danach bleibt es so, dass dann tatsächlich die beiden Koalitionsfraktionen sich gegenseitig sagen, dass sie sich ganz prima finden. Jetzt kann man sagen, das sind auch mehr Abgeordnete. Das ist natürlich so. Aber der Sinn der parlamentarischen Debatte ist natürlich, dass es Rede und Gegenrede gibt.
"Da hätte man sich noch andere Regelungen vorstellen können"
Heuer: Wenn in einer einstündigen Debatte Linke und Grüne 16 Minuten zusammen haben, das reicht Ihnen nicht aus. Wie viel hätten Sie denn gerne?
Göring-Eckardt: Die Frage ist ja, in der einen Stunde funktioniert das ja. Aber wenn die Debatte länger geht, dann heißt das halt in der zweiten Runde, in der dritten Runde kommen keine Oppositionsredner mehr vor, und da hätte man sich noch andere Regelungen vorstellen können, nicht jetzt nach dem Motto, das müssen immer so und so viel Prozent sein, sondern das muss natürlich je nachdem, wie lang die Debatte ist, unterschiedlich geregelt werden. Das haben wir nicht erreicht. Da haben die beiden Fraktionen natürlich auf der einen Seite als Argument: klar, sie haben mehr Abgeordnete. Auf der anderen Seite ist die Frage, wie langweilig wird das im Parlament und wer schaut dann eigentlich von außen noch zu und wie sehen das die Abgeordneten, die im Parlament sitzen. Ich habe jedenfalls schon von Besuchergruppen, von Journalistinnen und Journalisten gehört, na wir gehen dann halt, und das kann natürlich auch nicht der Sinn des Parlaments sein, das wir ja gerne stärken wollen, alle gemeinsam.
"So was alles innerhalb einer Woche beschließen zu wollen, ist problematisch"
Heuer: Ich möchte mit Ihnen über die Urausschüsse, die Untersuchungsausschüsse reden. Die kann die Opposition ja jetzt einsetzen, wenn sie geschlossen dafür ist. Das Problem ist also gelöst, nachdem SPD und Union eingelenkt haben, oder?
Göring-Eckardt: Das Problem ist gelöst, wenn wir tatsächlich auch den Untersuchungsauftrag selbst bestimmen können. Wir sehen ja jetzt im Moment bei dem Untersuchungsausschuss, bei dem es um die fürchterliche NSA-Affäre geht, dass die Koalitionsfraktionen noch der Meinung sind, man verhandelt dann gemeinsam über den Untersuchungsauftrag. Das ist auch in der Vorlage noch nicht so, dass man sagen kann, das ist dann auch wirklich gewährleistet, dass die beiden Oppositionsfraktionen, die sich ja auch schon mal untereinander einigen müssen, auch den Untersuchungsauftrag selbst bestimmen können. Das muss aber so sein.
Natürlich ist es auch bisher möglich, dass die Regierungskoalitionen dann zusätzliche Untersuchungsaufträge vorsehen, aber jedenfalls muss gewährleistet sein, dass nicht weniger untersucht wird, sondern höchstens mehr, und darüber werden wir in der nächsten Woche dann auch verhandeln. Wir haben ja auch das Problem, dass wegen der Diätenerhöhung, wegen der Abgeordnetenbestechung jetzt ein Paket daliegt, was innerhalb von einer Woche beraten und beschlossen werden soll. Auch daran sieht man, die Oppositionsrechte sind das eine, das andere ist immer noch die Frage, wie man tatsächlich parlamentarisch mit den Dingen umgeht. So was alles innerhalb einer Woche beschließen zu wollen, ist problematisch.
Heuer: Bei den Untersuchungsausschüssen, höre ich durch, könnte es aber aus Ihrer Sicht durchaus eine Regelung geben nächste Woche?
Göring-Eckardt: Jedenfalls gab es die mündliche Zusage dazu, dass dieses Recht gelten soll. Das ist auch wichtig, weil wir sehen das bei dieser Frage. Ich kann Ihnen mal sagen, was der Unterschied ist. Wir wollen natürlich auch wissen, inwieweit sind die deutschen Dienste, die deutschen Geheimdienste eigentlich beteiligt gewesen an der NSA-Affäre, und das will die Regierung bisher nicht untersuchen, und das ist natürlich ein qualitativer Unterschied. Da geht es nicht nur um ein paar Millimeter.
Heuer: Strittig ist das Recht auf Normenkontrollklage. Das ist das Recht, Gesetze in Karlsruhe vor dem Bundesverfassungsgericht prüfen zu lassen. Dieser Weg bleibt der Opposition jetzt versperrt, weil sie nur 20 Prozent zusammen haben, aber 25 Prozent bräuchten. Was genau, Frau Göring-Eckardt, ist daran eigentlich so schlimm?
Göring-Eckardt: Na ja, so schlimm ist daran zunächst mal, dass man tatsächlich, wenn ein Gesetz beschlossen wird und man die Vermutung hat, dass es nicht der Verfassung entspricht, man dann nicht als Opposition tatsächlich auch vor dem Bundesverfassungsgericht dieses einklagen kann. Das bleibt ein Problem, das will die Koalition auch auf keinen Fall zugestehen. Man muss auch sagen, da hat noch keine Opposition dieses Recht nun irgendwie in Massen in Anspruch genommen. Es gibt nur ganz wenige solcher Klagen. Aber dass es sie gibt und dass es nur so wenige sind, heißt auch, damit ist sehr vorsichtig umgegangen worden. Ich fände es sehr viel sinnvoller, wenn uns dieses Recht auch zugestanden würde, aber da habe ich den Eindruck, da gibt es keinerlei Bewegung, und wir müssen dann, wenn beschlossen ist, wenn es tatsächlich so ist, darüber beraten, wie wir damit umgehen.
"Es müsste ein Gesetz geben"
Heuer: Wie wollen Sie denn damit umgehen? Die Geschäftsordnung gibt eine solche Änderung nicht her, sagen Experten. Es müsste ein Gesetz geben, sagen Sie. Wo wollen Sie das einklagen? In Karlsruhe?
Göring-Eckardt: Es müsste ein Gesetz geben. Ich sage mal, wir beraten das am Ende, wie wir damit umgehen. Es muss übrigens auch ein Gesetz geben bei den Untersuchungsausschüssen. Bisher ist es immer üblich gewesen, dass der Verteidigungsausschuss auch Untersuchungsausschuss werden kann. Die Frage, ob man in diesem Fall jetzt Ursula von der Leyen vorladen könnte oder nicht, ist noch nicht geklärt. Auch da sind wir noch nicht ganz am Ende. Und auch bei der Normenkontrollklage muss man dann, wenn tatsächlich beschlossen ist, sich anschauen: Ist das etwas, womit man vors Bundesverfassungsgericht geht, ja oder nein. Das müssen sich auch die beiden Fraktionen miteinander überlegen.
Heuer: Das ist noch offen. Für wie wahrscheinlich halten Sie es eigentlich, dass die Koalition auf Ihre Forderungen nach gesetzlichen Änderungen eingeht?
Göring-Eckardt: Zunächst mal: Bei der Geschäftsordnung sind wir einen Schritt weiter gekommen, weil ursprünglich sollte das ja nur ein Beschluss des Bundestages sein, den man nun jederzeit wieder hätte rückgängig machen können.
Heuer: Eben! Die sind Ihnen ja schon entgegengekommen.
Göring-Eckardt: Und jetzt ist die Frage beim Untersuchungsausschuss - ich hatte den Eindruck, es ist auch nicht allen bewusst gewesen -, dass man, wenn man den Verteidigungsausschuss zum Untersuchungsausschuss machen will, das ist eine zentrale Frage, weil natürlich gerade in dem Bereich sehr sensible Dinge beraten und verhandelt werden. Dafür muss man eine Gesetzesänderung haben. Bisher hatte ich den Eindruck, das ist nicht allen bewusst gewesen. Vielleicht bewegt sich da was. Aber darauf müssen wir bestehen, weil ich habe es gerade gesagt: Dann muss man natürlich auch als Opposition zum Beispiel die Verteidigungsministerin vorladen dürfen und das nicht der Mehrheitsmeinung überlassen, die das dann verhindern können.
Heuer: Frau Göring-Eckardt, schätzen Sie bitte mal, wie lang wir beide jetzt miteinander geredet haben.
Göring-Eckardt: Ich habe keine Ahnung. Vielleicht zehn Minuten? Es war jedenfalls mehr, als wir in einer Stunde Oppositionszeit hätten, gefühlt, mit Unterbrechung.
Heuer: Es war ungefähr so viel, wie Sie als Grüne hätten, ungefähr sieben Minuten. Wir hatten auch Schwierigkeiten, das jetzt zu rechnen, weil wir unterbrochen worden sind zwischendurch. Aber verglichen mit Ihrem Rederecht heute im Bundestag ist das gar nicht mal so schlecht. Katrin Göring-Eckardt, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag. Wir haben mit ihr gesprochen über die Oppositionsrechte dort. Frau Göring-Eckardt, danke fürs Gespräch.
Göring-Eckardt: Vielen Dank und einen schönen Tag.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.