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Ost-Ukraine
Angst vor russischen Demonstranten und Streitkräften

Auch in der Ost-Ukraine destabilisiert sich die Lage immer mehr. Kenner des russischen Präsidenten Putin befürchten, dass Russland auch hier einmarschieren könnte. Von Sanktionen lasse sich dieser nicht beeindrucken.

Von Sabine Adler | 15.03.2014
    Vier bewaffnete Männer in Militäruniform gehen auf einem Weg in der Nähe der Stadt Simferopol auf der ukrainischen Halbinsel Krim.
    Die Angst vor einem Einmarsch russischer Truppen ist groß. (dpa picture alliance / Maxim Shipenkov)
    Nach den Ausschreitungen in Donezk hat es erneut Tote gegeben, russische Militante haben ein Parteibüro der "Patrioten der Ukraine" in Charkiw angegriffen. Bei den Schüssen und Explosionen wurden zwei Ukrainer getötet und fünf verletzt. Für das Wochenende wurden in der Ost-Ukraine Demonstrationen untersagt, um zu verhindern, dass russische Militante Gewalt provozieren, um das Bild eines instabilen Landes zu zeichnen. Doch ähnlich wie auf der seit zwei Wochen besetzten Halbinsel Krim unternimmt die Regierung in Kiew fast nichts, obwohl jenseits der Grenze 80.000 russische Soldaten samt schwerem Gerät zusammengezogen wurden. Die Sorge vor einem Einmarsch in den Osten herrscht im ganzen Land. Der Putin-Kenner Andrej Illarionow kann den Menschen die Angst nicht nehmen:
    "Er wird so weit gehen und so viel nehmen, wie die Ukraine ihn lässt."
    Alle internationale Diplomatie könne den russischen Präsidenten nicht stoppen, denn der sei in historischer Mission unterwegs, sagt Illarionow, der fünf Jahre von 2000 bis 2005 Putins Wirtschaftsberater war.
    "Frau Merkel versteht leider nichts von Putins Psyche. Das was er tut ist nicht zufällig, auch kein Fehler. Er ist dabei, seine historische Mission zu erfüllen. Die besteht im Zusammenschluss der russischen Gebiete und des russischen Volkes. Putin findet, das die Hälfte der Ukraine eigentlich russisches Gebiet ist, das gilt auch für die Krim. Leider versteht man im Westen das Ausmaß des Problems nicht und in der Ukraine ebenso wenig."
    Mit der Regierung in Kiew geht Illarionow schonungslos ins Gericht, er wirft ihr Untätigkeit vor. Der Befehl an die ukrainischen Krimsoldaten, sich nicht provozieren zu lassen, Gewalt zu vermeiden, sei weit weniger gewesen, als man hätte tun können, sagt er.
    "Die Regierung hat in den vergangenen zwei Wochen nichts unternommen, weder für die Krim, noch die Soldaten dort. Sie werden im Stich gelassen, verraten. Sie durften nicht mal das tun, was das Mindeste wäre: Die Häfen, Flughäfen, Bahnhöfe, Straßen, Kommunikationsanlagen besetzen. Wenn man zu dem Schluss gekommen wäre, dass das nicht geht, hätte man die Krim wenigstens evakuieren müssen. Die Militärangehörigen und ihre Familien, Bürger, die nicht unter russischer Besatzung leben wollen. In einigen Tagen werden die Militärangehörigen alle im besten Fall Kriegsgefangene sein."
    Der russische Wirtschaftsexperte Illarionow ist von der Besetzung der Krim nicht überrascht worden und auch, wenn Putin noch weiter ginge, würde er sich nicht wundern. Jeder, der auf dem NATO-Gipfel 2008 in Bukarest war, müsse wissen, wie der russische Präsident über die Ukraine denkt.
    "Keiner hat ernst genommen, was Putin dort sagte: Die Ukraine gibt es überhaupt nicht, einen solchen Staat gab es auch nie. Das ist ein scheiternder Staat, der zur Hälfte ohnehin aus ur-russischem Territorium besteht."
    Illarionow, der dem Kremlchef 2005 den Rücken kehrte, weil er dessen Kurs nicht mehr mit trug, gilt heute als einer der besten Kenner aber auch härtesten Kritiker Putins. Den könne nur Widerstand aufhalten.
    "Was Russland im Georgienkrieg 2008 gestoppt hat, war der Widerstand der georgischen Armee, für den Präsident Saakaschwili für verrückt erklärt wurde. Aber das hat dem Aggressor gezeigt, dass er einen Preis zu zahlen hat. Der andere Grund war die Ankündigung von Georg Bush, dass er Luftstreitkräfte in die Türkei und Rumänien und Marineeinheiten ins Schwarze Meer verlegen lassen wird. Nur solche Art von Entscheidungen, nicht die gleichen, aber ähnliche, könnten eine Wirkung zeigen."
    Mit Sanktionen und Verhandlungen könne man Putin nicht beeindrucken, so Illarionow.