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Ost-Ukraine
Die junge Generation befällt die Angst

Lieber ducken und abwarten, statt seine Meinung äußern - so denken derzeit viele junge Menschen in Donezk. Angesichts der angespannten Lage in der Ost-Ukraine haben sie schlichtweg Angst.

Von Henryk Jarczyk | 08.05.2014
    Prorussische Demonstranten greifen die Polizei an einem Verwaltungsgebäude im ostukrainischen Donezk an.
    Prorussische Demonstranten greifen die Polizei an einem Verwaltungsgebäude im ostukrainischen Donezk an. (dpa / picture-alliance / Vitaliy Belousov)
    Ein kleines Café schräg gegenüber der staatlichen Universität von Donezk. An einem Tisch in der Ecke sitzt eine kleine Gruppe von jungen Studenten. Sie sprechen leise, wirken besorgt. Viel Hoffnung, dass der Konflikt bald beendet werden könnte, haben sie offenbar nicht:
    "Die Leute glauben nicht an Demokratie, sie sind enttäuscht. Einige wollen dass, dass diese Region eine selbst ernannte Republik wird, so eine Art Ossetien. Sie glauben dann gibt es gibt Chips, Bier und Wodka Putinka. Damit würden wir zu kostenlosen Gastarbeitern für Moskau werden. Die paar Millionen Einwohner aus der Donezk-Region sind potenzielle Gastarbeiter wie Tadschiken, Georgier, Kasachen, nur eben slawischer Abstammung."
    Gespräche verstummen abrupt
    Als ein allen unbekannter junger Mann in dem Café plötzlich auftaucht, verstummt das Gespräch abrupt. Und es ist vermutlich auch besser so.
    Draußen vor dem grauen zwölfstöckigen Universitätsgebäude unterhalten sich zwei junge Frauen. Was halten Sie von der momentanen Situation?
    "Es ist schwer, eindeutig zu sagen, wie es ist. Es ist schwer zu beurteilen, wer Recht und wer Unrecht hat. Die Situation ist schwierig.
    "Es ist sehr kompliziert, auch die eigene Meinung zu äußern. Eine wahre Revolution findet hier statt. Was kann man dazu schon sagen?"
    Olga und Lena studieren Mathematik an der Universität von Donezk. Jetzt denken sie allerdings weniger an ihr Studium, sondern vielmehr darüber nach, ob die Lage vor Ort schon bald eskalieren könnte. Halten sie bürgerkriegsähnliche Szenarien, wie sie sich jetzt in Slawjansk, Luhansk oder Krematorsk abspielen, auch in der Gebietshauptstadt Donezk für möglich?
    "Ich denke, ja - der bewaffnete Konflikt kann auch auf die größeren Verwaltungsstädte übergreifen. Ja auch hier kann so etwas Anfangen.!"
    "Ich weiß nicht, ich für meinen Teil habe beschlossen keine Nachrichten mehr zu hören. Vielleicht ist es nicht richtig. Aber wenn man die Nachrichten verfolgt, dann fühlt man sich irgendwie schlecht."
    Keine Nachrichten hören, ja nicht die Meinung äußern. Sich ducken und abwarten – so wie diese beiden Studentinnen denken etliche junge Menschen in Donezk. Nicht etwa weil sie apolitisch wären oder sich für ihr Land nicht interessieren würden. Nein sie haben schlicht Angst, was angesichts der spannungsgeladenen Lage auch nachvollziehbar ist. Dementsprechend zeigen auch Dozenten Verständnis, wenn die Hörsäle immer dünner besetzt sind.
    Hörsäle bleiben leer
    "Die Universität arbeitet, aber es gibt immer weniger Studenten die kommen. Jene, die außerhalb der Stadt wohnen, können mittlerweile Donezk nicht mehr so einfach erreichen. Es gibt auch Eltern, die um ihre Kinder schlicht Angst haben und lassen sie lieber zu Hause."
    Kaum hat Alina ihren Satz beendet, da erscheinen zwei Männer in schwarzen Uniformen, auf denen in weißen Buchstaben Security geschrieben steht. Sie beginnen, bohrende Fragen zu stellen. Es ist höchste Zeit das Interview zu beenden. Izwenitje, entschuldigen Sie, sagt Alina, Paka - und Tschüss.