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OSZE-Militärbeobachter in der Ukraine
Konfliktparteien sollen auf Neutralität vertrauen können

Im Konfliktgebiet Ostukraine sind zum zweiten Mal in einer Woche Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) beschossen worden. Es ist eine gefährliche Aufgabe, doch Neutralität gegenüber den Konfliktparteien wird großgeschrieben.

Von Florian Kellermann | 12.04.2016
    Ein Mitglied der OSZE-Mission nahe dem Dorf Schirokine, in derostukrainischen Donetzk-Region
    Ein Mitglied der OSZE-Mission nahe dem Dorf Schirokine, in derostukrainischen Donetzk-Region (AFP / ANATOLII STEPANOV)
    Wer zu Alexander Hug eingeladen wird, bekommt vorab einen freundlichen Hinweis. Es geht um das korrekte Zitieren: Hug, der zweite Mann in der Beobachtermission in der Ukraine, werde nicht von "Separatisten" sprechen, das sei ein wertender Begriff. Und die OSZE sammle auch keine Beweise, sagt die Mitarbeiterin.
    Alexander Hug selbst drückt es so aus:
    "Die Mission berichtet, was sie sieht und was sie hört. Die Entscheidungsträger können dann aufgrund dieser Information Schlussfolgerungen ziehen. Unser Mandat ist es, Fakten, die wir sehen, zu berichten, und das machen wir auch so."
    Neutralität wird großgeschrieben bei der OSZE-Mission. Und - ebenso wichtig - dass die Konfliktparteien auf diese Neutralität auch vertrauen können. Deshalb gibt es nicht nur die strenge Sprachregelung. Die Mission hat auch Mitarbeiter entlassen, die auf vor kurzem veröffentlichten Hochzeitsfotos zu sehen sind, entstanden im vergangenen Frühling. Die Beobachter ließen sich dort mit Kämpfern der prorussischen Separatisten fotografieren.
    Zwei Jahre ist der Schweizer Alexander Hug, von der Ausbildung her Jurist und Soldat, nun schon in der Ukraine, ihm unterstehen 800 Beobachter und noch einmal über 400 Mitarbeiter. Noch nie war die OSZE so lange in einem Konfliktgebiet. Ihr Mandat wurde gerade um weiteres Jahr verlängert, Kostenpunkt: 100 Millionen Euro.
    Im vergangenen Herbst schien die Arbeit von Hug endlich einfacher zu werden. Der schon vor über einem Jahr ausgehandelte Waffenstillstand begann einigermaßen zu halten.
    "Wir sehen seit Mitte Januar dieses Jahres wieder einen starken Anstieg von Waffenstillstandsverletzungen. Verglichen mit letztem Sommer ist es noch weniger, und auch die Natur der Zwischenfälle ist anders. Noch vor einem Jahr wurden ganz schwere Waffen sehr viel und fast alltäglich eingesetzt. Und da sehen wir jetzt schon eine Änderung, die Hauptwaffen, die benutzt werden, sind kleinkalibrige Waffen."
    Hug zeigt auf zwei große Satellitenaufnahmen in seinem Büro: Die Region um die Stadt Mariupol am Asowschen Meer ist da zu sehen und der Donezker Flughafen. Nach wie vor ist er eines der gefährlichsten Gebiete im Donezbecken.
    "Da ist die Realität so, dass sich die Kontaktlinie direkt über das Rollfeld bewegt, die Mitte des Rollfeldes - und die Dörfer, die um den Flughafen gelagert sind, inklusive dem Westteil oder Nordwestteil der Stadt Donezk. Das ist ein ganzer Kreis von Positionen um den Flughafen, die sich oftmals sehr nahe stehen. In diesem Gebiet sind es 100, 150 Meter. Wenn wir weiter nördlich der Hauptstraße nach Oliwka fahren, da kommen wir in das Gebiet zwischen Awdijiwka und Jasinuwataja, dort stehen sie sich näher als 50 Meter."
    Zutritt zu bestimmten Gebieten wird immer wieder verwehrt
    Von wegen Sicherheitszone: Die beide Seiten rücken in den vergangenen Wochen immer näher an die Frontlinie heran. Wer da ein Gefecht anfängt, sei gar nicht mehr festzustellen, sagt Hug. Wenn eine Seite zum Beispiel einen Blindgänger sprenge, eine nicht explodierte Bombe, dann glaube die andere Seite oft schon an einen Angriff - und schieße zurück.
    Schussgefechte können die OSZE-Mitarbeiter meist noch einigermaßen genau lokalisieren. Schlechter steht es um die Waffen, die eigentlich längst von der Frontlinie abgezogen sein sollten. Immer wieder wird den Beobachtern der Zutritt zu bestimmten Gebieten verwehrt.
    "Wir hatten noch vor einem Jahr auch sehr große Mühe auf der regierungskontrollierten Seite. Da haben sich bis heute fast alle Beschränkungen aufgelöst. Auf der Nicht-Regierungsseite ist es schwieriger. Dort haben wir sporadisch keinen Zugang, das variiert je nach Konstellation des Gefechtsfeldes. Aber wissen müssen vermuten, dass in Gebieten, wo wir keinen Zugang haben, dass es dort etwas gibt, das wir nicht sehen sollten, dürfen."
    Das gilt auch für russisch-ukrainischen Grenze. Die Separatisten gewähren den Beobachtern nur ab und zu Zutritt - und eskortieren sind dann in der Regel dorthin. Den Vorwurf der Ukrainer aus den vergangenen Tagen, Russland bringe wieder verstärkt schwere Artillerie über diese Grenze, kann die OSZE also kaum überprüfen.
    Deshalb fordert die Ukraine immer wieder ein robusteres Mandat für die Mission oder eine andere bewaffnete Friedensmission. Alexander Hug will das nicht kommentieren, nur so viel: Alle zusätzlichen Maßnahmen, die beruhigend wirken können, seien in Betracht zu ziehen. Denn, wie der OSZE-Mann immer wieder betont, im Moment sei die Mission auf den guten Willen aller Seiten angewiesen.