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OSZE-Treffen in Österreich
Die Ambitionen des Sebastian Kurz

Dass sich die Außenminister der OSZE zu einem informellen Gipfel treffen, ist ungewöhnlich. Dem derzeit amtierenden Vorsitzenden und österreichischen Außenminister Kurz werfen seine Kritiker vor, dass es ihm weniger um die Probleme der Organisation, sondern vielmehr um seine politische Karriere geht.

Von Ralf Borchard | 11.07.2017
    Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz hält eine Rede auf dem der OSZE-Jahrestagung in Minsk, am 5. Juli 2017
    Sebastian Kurz auf der OSZE-Jahrestagung. Mit 30 ist er der jüngste europäische Außenminister - nun will er Europas jüngster Kanzler werden. (AFP/Maxim Malinovsky)
    Seit er die große Koalition beendet und vorzeitige Neuwahlen durchgesetzt hat, ist Sebastian Kurz vor allem eins: Wahlkämpfer. Er reist kreuz und quer durchs Land, nennt das "Österreich-Gespräche", hier besucht er eine Tischlerei in Niederösterreich:
    "Grüß Gott, will sie net bei der Arbeit stören. Wir sind gleich wieder weg."
    Das Amt des Außenministers bietet als Wahlkämpfer manchen Vorteil: Aus innenpolitischem Streit kann sich Kurz oft heraushalten, und fernsehgerechte Bilder, wie jetzt beim informellen OSZE-Gipfel, entstehen praktisch von selbst.
    Kein EU-Außenminister ist jünger
    Und immer wieder kann Kurz seine Forderung wiederholen, Flüchtlinge nicht nach Italien zu bringen, sondern direkt nach Nordafrika zurückzuschicken - wie hier beim ÖVP-Parteitag:
    "Die Mittelmeerroute, die gehört geschlossen, und zwar besser heute als morgen."
    Mit 30 ist er der jüngste europäische Außenminister - nun will er Europas jüngster Kanzler werden. Sein Motto: ich rede Klartext. Im Interview beschreibt er das so:
    "Natürlich weniger Lebenserfahrung als der ein oder andere Außenminister. Auf der anderen Seite bringe ich vielleicht einen Blickwinkel ein, den andere so nicht haben."
    Als Kurz in die Politik einstieg, für die Jugendorganisation der ÖVP, balancierte er noch auf dem schmalen Grat zur Lächerlichkeit.
    Geänderte Wahlkampfmethoden
    Im Wiener Lokalwahlkampf 2010 fuhr mit einem so genannten "Geilomobil" durch die Stadt:
    "Schwarz macht geile Politik, schwarz macht geile Parties und schwarz macht Wien geil."
    Doch dann ging es Schlag auf Schlag: mit 24 Staatssekretär für Integration, mit 27 Außenminister, jetzt ÖVP-Chef - mit größeren Vollmachten als alle seine Vorgänger.
    Bei der Parlamentswahl am 15. Oktober will Kurz mit einer Liste unter neuem Namen antreten: "Sebastian Kurz - die neue Volkspartei". Eine Bewegung soll es sein, die auch Nicht-ÖVP-Mitglieder einschließt. Kritiker gibt es auch in der eigenen Partei, etwa den früheren ÖVP-Chef Erhard Busek:
    "Es ist nicht genau erkennbar, wofür er steht. Im Moment ist er verbunden mit der Flüchtlingsfrage und ähnliches mehr, aber das ist nicht die ganze Politik."
    Die guten Umfragewerte, die Kurz derzeit meist auf Platz eins vor SPÖ-Kanzler Christian Kern sehen, könnten sich als Hype entpuppen, meint Busek:
    "Da kann ich ihm nur dringend empfehlen, nach Deutschland zu schauen. Hier haben wir einen Hype erlebt, nämlich Schulz, der relativ stark zerbröselt."
    Regieren mit Rechtspopulisten?
    Unbeantwortet lässt Kurz die Frage, mit wem er als Koalitionspartner regieren will. Mit der rechten FPÖ unter Heinz-Christian Strache? Auf Nachfrage weicht er aus:
    "Ich halt’s auch für durchaus arrogant, wenn man vor einer Wahl schon über Koalitionen spekuliert, denn zunächst einmal sind die Wählerinnen und Wähler am Wort."
    Fragt man in Wien auf der Straße nach, ist viel Positives über Kurz zu hören, aber nicht nur:
    "Also es gehören jedenfalls in die Politik junge Leute, anstatt den alten jetzt."
    "Ich würde sagen, mir ist er nicht ganz unsympathisch. Also vielleicht würde er ein bisschen was umkrempeln."
    "Als Außenminister macht er gute Arbeit. Aber mehr kann ich darüber nicht sagen."
    "Er hat gute Ansichten, nur bei manchen Sachen stimme ich nicht überein."
    Als OSZE-Vorsitzender hat sich Kurz bereits den Vorwurf eingehandelt, er konzentriere sich zu sehr auf den Wahlkampf in Österreich und zu wenig auf die OSZE. Das sieht er selbst freilich anders, er will beides: Jetzt Außenminister bleiben und bald ins Kanzleramt einziehen.