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P.G. Wodehouse
Veteran des britischen Humors

Seit mehr als zehn Jahren kümmert sich die Schweizer Edition Epoca um das Werk des britischen Humoristen Pelham Grenville Wodehouse. Verleger Urs Kummer, ein großer Freund britischer Lebensart und Literatur, hat auch noch jede Menge anderer Juwelen im Programm.

Von Nils Kahlefendt | 24.01.2014
    Millionen von Lesern in der angelsächsischen Welt halten Pelham Grenville Wodehouse für den vielleicht komischsten Autor des 20. Jahrhunderts. Zu den Fans des 1974 auf Long Island gestorbenen britischen Großhumoristen gehören Bertolt Brecht und Douglas Adams ebenso wie Tony Blair oder die Queen Mum. So erfolgreich Wodehouse das Personal seiner eskapistischen, zutiefst antiautoritären Bücher vor den politischen Umwälzungen seiner Zeit abzuschirmen wusste, so wenig blieb er selbst davon verschont.
    Wodehouse, der mit seiner Frau seit 1934 in Nordfrankreich lebt, gerät im Juli 1940 in deutsche Gefangenschaft. Den Großteil des folgenden Jahres verbringt er in einem Internierungslager im oberschlesischen Tost. Im Schlafsaal liest er den Leidensgenossen aus seinem Tagebuch vor. In genau jenem Tonfall, der ihn reich und berühmt gemacht hat, geht es diesmal jedoch nicht um unterbelichtete Jung-Aristokraten und ihre despotischen Tanten, sondern um die Odyssee der Internierten von Frankreich nach Schlesien, die Absurdität des Lagerlebens.
    Wenige Monate später, am 25. Juni 1941, spricht der frisch entlassene Wodehouse im Berliner Studio des Deutschen Kurzwellensenders. Die Botschaft ist nahezu identisch, doch das Medium ein anderes:
    "Wahrscheinlich gleicht nichts auf dem ganzen Erdenrund einer Elfe weniger, als es ein französischer Gefängniswärter tut. Das vor mir stehende und seinen Walroßschnauzer zwirbelnde Exemplar hätte direkt einem Film über die Teufelsinsel entstiegen sein können. Doch ein Autor lässt die Hoffnung nicht so schnell fahren. Insgeheim rechnete ich wohl damit, mein Gastgeber würde, kaum käme ihm mein Name zu Ohren, mit dem Aufschrei "Quoi? Monsieur Vodeouse? Embrassez-moi, maitre!" aufspringen und mir ein Bett für die Nacht anbieten, nicht ohne zu erwähnen, dass er seit langem zu meinen treuesten Bewunderern gehöre, und mich um ein Autogramm für sein Töchterlein zu bitten. Doch nichts dergleichen geschah. Er zwirbelte bloß ein weiteres Mal seinen Schnurrbart, trug meinen Namen in ein großes Buch ein - das heißt, dieses Riesenrindvieh notierte "Widhorse" – und gab seinen Schergen Befehl, mich in meine Zelle zu führen."
    Offensichtlich ist der Autor in eine deutsche Propaganda-Falle getappt, so naiv wie einer seiner tumben Romanhelden. Die Briten waren, als sie Wind von der Sache bekamen, not amused. In der Heimat blieb Wodehouse’ Reputation ramponiert; nach Kriegsende zog er in die USA und nahm 1955 sogar die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Der von Thomas Schlachter herausgegebene Band "Wodehouse im Krieg" erzählt nun die Geschichte jenes folgenschweren Fehltritts, der den Autor in England in den Ruch brachte, ein Verräter, gar ein verkappter Faschist zu sein. Neben den erstmals in deutscher Übersetzung publizierten fünf sagenumwobenen Radioansprachen enthält er auch die überlieferten Fragmente eines Buchs, das Wodehouse nach dem Krieg unter dem Titel "Wodehouse in Wonderland" veröffentlichen wollte - und eine luzide Verteidigungsschrift, mit der George Orwell dem Freund 1945 beisprang.
    Zwölf Bände Wodehouse seit 2000 übersetzt
    Ein sorgfältig kommentiertes Buch, das nun auch deutschsprachigen Lesern Fakten bietet, wo bislang nur Gerüchte waberten – und das, ganz nebenbei, ein Schlaglicht auf die reflexartigen Mechanismen heutiger Kulturbetriebs-Skandale wirft. Erschienen ist es in der kleinen Schweizer Edition Epoca, die im Jahr 2000 begann, die Romane von P. G. Wodehouse in neuen Übersetzungen aufzulegen. Auf zwölf Bände ist die kleine Werkschau bis heute angewachsen. Auf die Spur gebracht wurde Verleger Urs Kummer dabei von Gilbert Adair. Mit seinem Roman "Blindband" hatte der Brite bei der noch jungen Edition Epoca gerade für den ersten Bestseller gesorgt; nun weihte er Kummer in seine Lieblingslektüren ein:
    "Paar Franzosen hat er genannt, und dann hat er zu mir noch so augenzwinkernd gesagt: Und Du wirst überrascht sein - you will be surprised, Urs! - P. G. Wodhouse. Und ich: Hä? Ah ja, hab' ich auch schon gehört. Aber - liest man das wirklich? Und er: Ja! Hat er mir einfach ans Herz gelegt: Geh mal einfach ohne Vorurteile rein, und kuck dir das mal an. Ich habe das gemacht. Baff! Es war wie ein Erweckungserlebnis."
    Kummer war vom Mix aus sprachlicher Virtuosität und Allotria so elektrisiert, dass er Wodehouse’ Roman "Quick Service" unter dem appellativen Titel "Jetzt oder nie!" zwischen flammend rote Leinendeckel brachte. Es sollte ein Lebens-Motto für ihn werden.
    "Das erste Wodehouse-Buch ist mir natürlich lieb und teuer. Weil ich meine Frau - meine zukünftige Frau – kennengelernt habe, als wir dieses Buch publiziert hatten und sie ein Leseexemplar wollte. Sie kam vom Stand nebenan, von Klett Cotta. Und heute haben wir in unserem Ehering eingraviert: "Jetzt oder nie!"
    Begonnen hatte die Geschichte der Edition Epoca bereits vier Jahre zuvor, 1995. Initialzündung für den gelernten Buchhändler Kummer und seinen damaligen Kompagnon Adrian Stokar war ein Heft der Kulturzeitschrift "Du" zum Thema "Treibstoff Alkohol".
    "Und das hat uns natürlich gefallen, weil, wir waren ja besessene Alkoholiker. Und haben das sofort gekauft. Und dort, dort drin, wurde über ein Buch referiert, das es aber nur englisch gab, das hieß "Alcohol and Author". Und das war von einem amerikanischen Psychiater, der sich die Frage gestellt hat: Warum waren von den amerikanischen Nobelpreisträgern des 20. Jahrhunderts 100 Prozent Alkoholiker? Warum waren von vielen anderen Nobelpreisträgern auch extrem viele Alkoholiker? Überhaupt: Was hat Alkohol mit Kunst zu tun? Fördert zum Beispiel Alkohol den kreativen Prozess - oder bremst es ihn? Und hat darüber eine Untersuchung geschrieben. Dieses Buch haben wir übersetzen lassen. Zack! Das war's."
    Keine rosigen Aussichten für den kleinen Verlag
    Nicht mehr als zwei, drei Titel bringt die Edition Epoca pro Jahr heraus. Wiederentdeckte Juwelen sind dabei, L. P. Hartleys Klassiker "The Go-Between" von 1953 etwa oder die gesammelten Feuilletons von Siegfried Kracauer. Erfolge wie Gilbert Adairs "Blindband" oder Alain-Claude Sulzers Roman "Ein perfekter Kellner", der in 22 Sprachen verkauft werden konnte, verschaffen dem kleinen Verlag zu Zeiten die nötige Luft. Gemeinsam ist allen Büchern die exzellente Ausstattung: Leinen, Fadenheftung, Lesebändchen, eine Wodehouse-Kassette wird da schon mal im Tweed-Schuber angeboten. Seit bald zehn Jahren agiert Kummer, der im Brotberuf fürs Schweizer Fernsehen arbeitet, wieder als Einzelkämpfer. Die Aussichten sind angesichts eines immer stärker bestsellergetriebenen Marktes und der zunehmenden digitalen Konkurrenz nicht eben rosig.
    "Ich bin ein bisschen ratlos, wie ich diesem Markt, wie er sich derzeit darstellt - wie ich auf den reagieren soll. Und ich habe tatsächlich auch ein bisschen Schwung verloren. Was mir leid tut. Aber wenn die Zahlen einfach nur mittelmäßig sind, immer nur mittelmäßig - dann fragt man sich natürlich tatsächlich auch: Was habe ich falsch gemacht? Soll ich e-Books machen? Ich sage Ihnen ganz offen: Das interessiert mich nicht! PDF's in der Welt rumschicken? Das ist zum Gähnen langweilig."
    Wenn am Epoca-Stand zur Buchmesse oder daheim in Bern die Weingläser klingen, der Vorrat an Bündnerfleisch und Käse nie auszugehen scheint und der Lärmpegel der Gespräche wieder mal die Schmerzgrenze erreicht, sind solche Selbstzweifel vergessen. Kummer ist ein begnadeter Kommunikator, ein Genussmensch, der Freude am Austausch mit Gleichgestimmten hat. Seine Liebe zum britischen way-of-live findet ihre natürliche Fortsetzung in seiner Leidenschaft für Pferdewetten. So wünschen wir Urs Kummer, diesem vielleicht letzten Dandy in der ansonsten recht aufgeräumten Schweiz, dass er auch künftig immer aufs richtige Pferdchen setzt. Es gibt, P. G. Wodehouse hätte vollstes Verständnis, auch ein Leben jenseits der Bücher.
    "Ich bin ja relativ oft in Großbritannien. Ich fühle mich sehr, sehr wohl da. Es sind große Ironiker, große Satiriker. Haben wunderbaren Humor. Trinken, essen sehr gerne. Es ist, ich sagen Ihnen ganz offen, ein kleines Projekt, Altersprojekt von mir - ich bin leider auch nicht mehr der jüngste Dandy. Das Altersprojekt würde heißen: Einen schönen Pub mit kleinem Ess-Saal in den South Downs zu führen. Vielleicht noch eine Herausforderung."
    Die Edition Epoca ist im Internet unter www.epoca.ch zu finden. Der von Thomas Schlachter herausgegebene Band "Wodehouse im Krieg" umfasst 192 Seiten und kostet 19.50 Euro.