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Päpstlicher Gruß an das russische Volk

Für das russische Fernsehen ist ein Film über Papst Benedikt XVI. gedreht worden. Peter Humeniuk vom päpstlichen Hilfswerk "Kirche in Not" wertet die Dokumentation als Geste, um den Dialog zwischen Vatikan und orthodoxer Kirche zu fördern.

Moderation: Jürgen Liminski |
    Jürgen Liminski: Schon lange sind der Vatikan und die orthodoxe Kirche in Russland bemüht, Wege für eine gemeinsame Zukunft aufzuzeigen. Die Annäherung war unter dem polnischen Papst schwierig. Mit dem deutschen Pontifex ist es offenbar leichter, Brücken zu einer künftigen Einheit zu schlagen. Heute am Geburtstag des Papstes wird das russische Staatsfernsehen einen Film über Joseph Ratzinger ausstrahlen, in dem dieser sich auch an das russische Volk und dessen Kirche wendet. Ist das ein Durchbruch auf dem Weg zur Einheit? Wie ist dieses Ereignis einzuschätzen? Wird der Papst bald den Patriarchen treffen? Beschleunigt das Aufkommen des Islam die Annäherung der christlichen Kirchen?

    Zu solchen Fragen erhoffen wir jetzt Antworten von dem Russlandexperten des internationalen Hilfswerks "Kirche in Not" - ein Hilfswerk päpstlichen Rechts - Peter Humeniuk, der, das darf man vielleicht sagen, die Idee für diesen Film plus Ansprache hatte. Zunächst mal guten Morgen Herr Humeniuk!

    Peter Humeniuk: Guten Morgen, Herr Liminski!

    Liminski: Herr Humeniuk, Sie sind orthodoxer Christ und arbeiten bei einem Hilfswerk päpstlichen Rechts. Fühlen Sie sich da fremd oder zu Hause?

    Humeniuk: Ich denke, wenn man jetzt über zwölf Jahre in einem Hilfswerk arbeitet, fühlt man sich nicht mehr fremd, also schon zu Hause, auf jeden Fall. Tatsächlich mag es zunächst ungewöhnlich erscheinen, dass ein Orthodoxer in einem katholischen Hilfswerk eine verantwortliche Position innehat und arbeitet, und ich bin dankbar für das Vertrauen, was mir entgegengebracht wird. Allerdings auch diese Konstellation schafft Möglichkeiten und nicht zuletzt im Bereich der Ökumene, für den Dialog zwischen den Kirchen.

    Liminski: Damit sind wir beim Projekt, Herr Humeniuk. Wie lange dauert es eigentlich, bis so eine Geschichte zustande kommt? Wo waren die Hindernisse?

    Humeniuk: Es dauert schon einige Zeit, wenn man sieht von der Idee und von den ersten Schritten, von der Planung, bis es tatsächlich dann zu der Realisierung kommt. Wir haben über zwei Jahre daran gearbeitet.

    Liminski: Und gab es erhebliche Hindernisse, oder war das im Detail so schwierig?

    Humeniuk: Ich denke, das war eine Art Wachstumsprozess, wo man versuchen musste, einfach verschiedene Dinge zusammenzufügen.

    Liminski: In ein paar Stunden wird der Film nun mit Ansprache erstmals ausgestrahlt. Ist das ein Durchbruch auf dem Weg zur Einheit der christlichen Kirchen?

    Humeniuk: Ich hoffe zunächst sehr, dass er gezeigt wird, aber ich denke schon. Wir dürfen den Film weder unterschätzen noch überschätzen. Der Ausspruch "Ut unum sint!", "Seid einig!", - als ein Auftrag sozusagen an alle Christen - ist wichtig. Aber tausend Jahre Spaltung lassen sich nicht in Kürze überwinden. Da gibt es auch viele theologische Fragen und auch Probleme. Die Tatsache, dass es keine Einheit unter den Christen gibt, ist nicht etwas, worauf wir stolz sein müssen. Aber ich denke weniger in diesen Kategorien von Durchbrüchen. Der Dialog ist mehr ein Prozess. Man muss irgendwie Vertrauen aufbauen, Geduld haben, auch eigene Positionen überprüfen können, und, wie Kardinal Kasper sehr gut gesagt hat, man muss es schaffen, nicht übereinander zu sprechen, sondern miteinander zu sprechen. Das ist die Grundlage überhaupt für den Dialog.

    Ich denke auch, eine Grundlage sind dabei Gesten, Symbole, gegenseitige Schritte. In diesem Zusammenhang scheint mir der Film eigentlich so ein schönes Symbol zu sein, auch eine schöne Geste in mehrfacher Hinsicht. Zum einen spricht der deutsche Papst ein Grußwort an das russische Volk. Das Grußwort wird von einem staatlichen TV-Kanal übertragen und das am Geburtstag des Papstes. Das Moskauer Patriarchat hat auch sichtbar bei der Verwirklichung des Vorhabens geholfen, war also auch mit dabei. Der Effekt von so einem Film ist natürlich, dass ein großer Teil der russischen Bevölkerung erreicht wird. Zuerst können auch die Katholiken in Russland ihren eigenen Papst sehen, aber auch die Nichtkatholiken erfahren vielleicht zum ersten Mal über den Papst etwas Faires und zugleich auch etwas Sympathisches. Es ist ja auch eine Dokumentation, es ist ein Dokumentarfilm.

    Liminski: Sie sagen, man muss miteinander sprechen, zitieren dabei den Kardinal aus Rom. Am besten wäre es natürlich, wenn Papst und Patriarch miteinander sprächen. Gibt es denn da Pläne für ein Treffen zwischen den beiden? Man weiß ja, dass Johannes Paul II. liebend gerne wenigstens in Moskau mal Zwischenstation gemacht hätte.

    Humeniuk: Die Entscheidungen über diese Fragen liegen bei den offiziellen Verhandlungspartnern und nur bei ihnen. Allerdings kann man sehen, dass der Dialog eine positive Entwicklung hat und dass ein Näherkommen sichtbar wird. Zum Beispiel sehen Sie: Es erschien das theologische Standardwerk von damals Professor Ratzinger "Einführung in das Christentum" in Russisch, und das Vorwort hat Metropolit Kyrill gesprochen, der gleichzeitig der Vorsitzende des Außenamtes ist. Das sind auch Gesten und schöne Zeichen.

    Liminski: Schöne Zeichen. Was bewegt denn die Verhandlungspartner der Schwesterkirchen? Ist es ein Zusammenrücken aus Angst vor dem Islam? Sind es theologische oder strategische Gründe? Man darf ja übrigens annehmen, dass dieser Film auch von staatlicher Seite, also vom Kreml, abgesegnet wurde.

    Humeniuk: Wenn Sie erlauben: Hinsichtlich des Islams möchte ich darauf hinweisen, dass es in Russland wirklich eine jahrhundertealte Tradition des Zusammenlebens mit dem Islam gab und jetzt wieder gibt, aber auch mit anderen Religionen. Beispielsweise die Kaumiken sind mehrheitlich Buddhisten. Sie finden Buddhisten auch irgendwo in Sibirien vereinzelt. Oder nehmen Sie das kleine Bundesland oder ein Subjekt der Föderation Birobidschaan, ist ein autonomes jüdisches Verwaltungsgebiet im Fernen Osten. Also in Russland gibt es seit Jahrhunderten ein Zusammenleben vieler Nationalitäten und Religionen, und sie haben dort eigene Erfahrungen gesammelt, die vielleicht nicht unwichtig sind. Abgesehen von der Zeit des Kommunismus, wo eigentlich alle Religionen unterdrückt waren, kennen sich die Russen eigentlich doch damit etwas aus. Es ist in Russland vielleicht kein so neues Phänomen, wie wenn wir jetzt über eine große Moschee in Köln reden würden. Aber die Beweggründe des Näherkommens, denke ich, liegen nicht in erster Linie im Zusammenrücken gegen den Islam und überhaupt auch nicht das Gegen, sondern die Frage des Verbindenden. Was verbindet beide Kirchen? Das sind natürlich die traditionellen christlichen, auch traditionell-konservativen christlichen Werte und Positionen und eigentlich auch die tiefe Erkenntnis, dass der Humanismus ohne Gott - so hat der Philosoph Lubac einmal sein Werk genannt - so etwas wie eine historische Sackgasse darstellt. Das konnte man im vorherigen Jahrhundert auch bitter erfahren. Es geht auch um gemeinsame christliche Werte für die Zukunft Europas.

    Was den Kreml betrifft, wenn ich da noch ein Wort sagen darf: In der Nachsowjetära war der Kreml eigentlich nie feindlich gegenüber der katholischen Kirche - vielleicht im Gegenteil.

    Liminski: Wie stark ist überhaupt noch der Einfluss und die Macht der Kirche in Russland?

    Humeniuk: Die orthodoxe Kirche musste nach dem Kommunismus gewissermaßen von null anfangen. Seitdem wächst aber ihr Einfluss, und ich denke, darüber sollten wir uns vor allem freuen, ebenso wie es erfreulich ist, dass die Kirchen in Deutschland auch einen guten Einfluss auf die Gesellschaft haben.

    Liminski: Die Zeichen zwischen Rom und Moskau stehen auf Einheit oder wenigstens Annäherung. Das war Peter Humeniuk, Russland-Experte des internationalen Hilfswerks päpstlichen Rechts "Kirche in Not". Besten Dank für das Gespräch, Herr Humeniuk.

    Humeniuk: Danke Ihnen.