Reinhard Bieck: Theo Geers hat gerade die finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Antje Tillmann zitiert. Antje Tillmann, guten Abend!
Antje Tillmann: Guten Abend!
Bieck: Gestern Abend um 20 Uhr ist die Sperrfrist abgelaufen. Seitdem heißt es, Briefkastenfirmen, Skandal, Skandal. Aber dass es diese Offshore-Konstruktionen gibt, das weiß doch jeder, Sie auch. Sie haben ja sogar schon damit zu tun gehabt. Was ist denn das eigentlich Neue an diesen Panama Papers?
Tillmann: Ich denke, das Neue ist die Dimension. In der Größenordnung haben wir Informationen bisher nicht zugetragen bekommen. Es ist gut, dass Transparenz jetzt eintritt. Mit den Inhalten haben wir aber schon seit Jahren zu tun. Da ist die Briefkastenfirma die eine Möglichkeit, aggressive Steuergestaltungen sind die anderen. Seit Jahren, seitdem ich eigentlich im Bundestag bin, befassen wir uns mit Schließen von Steuerschlupflöchern beziehungsweise mit dem Kampf gegen Steuerhinterziehung. Aber in der Dimension ist es, glaube ich, neu.
Bieck: Sie sagen, seit Jahren beschäftigen Sie sich damit, und jetzt kommt eine solche Dimension ans Tageslicht. Waren Sie da nicht im Bilde, oder wie muss man sich das vorstellen?
Tillmann: Ich bin über die Unterlagen bis jetzt nicht im Bilde, weil ich sie noch nicht zugestellt bekommen habe. Ich hoffe, dass wir das sehr schnell bekommen.
Bieck: Nein, nein! Ich spreche jetzt von den Jahren zuvor. Sie tun ja jetzt gerade so, als wäre da der Verdacht, dass da vielleicht der eine oder andere in den vergangenen Jahren mal mit einer Briefkastenfirma was getrickst hat.
Tillmann: Nein! Man muss sehen, dass wir uns leider an den Gedanken gewöhnen müssen, dass wir in Deutschland nicht alleine Recht in der Welt setzen können. Wenn Gabriel weltweit, wie es eben zitiert wurde, Briefkastenfirmen verbieten will, dann möchte ich wissen, wie er das macht. Die meisten Staaten haben eine eigene Rechtsorganisation, auch ein eigenes Parlament, sodass wir keineswegs in Panama Briefkastenfirmen verbieten können. Und wir sind in der Diskussion sehr heftig, international insbesondere auf OECD-Ebene Transparenz in der Besteuerung herzustellen, weil es kein Staat leiden kann und mögen kann, wenn Steuern irgendwo auf der Welt hinterzogen werden. Deshalb ist es auch egal, ob es Deutsche oder nicht Deutsche sind, denn derjenige Ausländer, der Steuern hinterzieht, ist natürlich trotzdem ein anderer Konkurrent gegenüber einem deutschen Unternehmen, was ordentlich Steuern zahlt.
"Der 42 AO gilt natürlich nicht gegenüber ausländischen Sachverhalten"
Bieck: Wenn Sie jetzt so auf die internationale Verflechtung abheben, wir haben doch in Deutschland eine Abgabenordnung und in Paragraf 42 heißt es, der Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten - das ist dieser offizielle Ausdruck -, der ist verboten. Ja, warum kann man sich denn darauf nicht berufen?
Tillmann: Weil Sie natürlich erst mal nachweisen müssen, dass ausschließlich steuerliche Gründe zu einer rechtlichen Gestaltung geführt haben. Und wenn Sie sich die Urteile des Bundesfinanzhofes dazu angucken, dann ist es ausgesprochen schwierig nachzuweisen, dass die steuerlichen Gründe die einzigen waren. Der 42 AO ist als Drohkulisse ein Schwert, aber tatsächlich im Detail werden Sie nachweisen müssen, dass die Gestaltung tatsächlich Hinterziehung auch ist. Von daher glaube ich, dass es gut ist, dass die Abgabenordnung so verfasst ist, aber es nützt uns auch nur innerdeutsch, denn der 42 AO gilt natürlich nicht gegenüber ausländischen Sachverhalten.
Bieck: Sie haben gerade schon gesagt, es liegen ja jetzt Vorschläge auf dem Tisch. Zum Beispiel fordert Wirtschaftsminister Gabriel, Briefkastenfirmen schlicht und ergreifend zu verbieten. Davon halten Sie nichts. Aber was ist denn mit den Unternehmensregistern? Da könnte man dann öffentlich einsehen, wer wirtschaftlich Eigner und Nutznießer einer Firma ist. Da stünde dann zum Beispiel Abschöpf-LTD Sitz Panama, Eigentümer Antje Tillmann, Bundestagsabgeordnete, und Reinhard Bieck, Journalist.
Tillmann: Ich bin ziemlich sicher, dass es da nicht steht, dass ich in der Liste auch nicht auftauche. Aber natürlich ist das ein gutes Mittel und Panama hat ja auf großen Druck auch der OECD ihre Unternehmensregister öffentlich gemacht. Das ist ja Teil der Ermittlungen, dass man aufgrund dieser Register auch herausfinden konnte, wer hinter den Briefkastenfirmen steht. Ich habe auch nicht gesagt, dass ich von der Abschaffung nichts halte, sondern man muss es ja auch machen. Das heißt, wie wollen wir in Deutschland in anderen Ländern Briefkastenfirmen verbieten? Das können wir einfach rechtlich nicht. Deshalb sind wir immer darauf angewiesen, dass andere Länder kooperieren. Da können wir politischen Druck machen. Wir können Länder auch ausschließen. Wir können sie auf schwarze Listen setzen. Aber tatsächlich entscheiden kann es nur der Sitzstaat und da hoffe ich jetzt sehr, dass Panama aufgrund des öffentlichen Drucks die Verhandlungen wieder aufnimmt und dieses Transparenzabkommen, was sie ja mal mit uns eigentlich einvernehmlich verhandelt hatten, auch jetzt endlich unterschreibt.
"Im Ausland haben wir leider immer noch Lücken"
Bieck: So viel zu dem Sitzstaat, wie Sie es gerade gesagt haben. Aber wie sieht es denn mit den Banken hier in Deutschland aus? Könnte man die nicht durch Gesetze zu mehr Transparenz, ich sage mal, bewegen? Denn die vermitteln doch diese Geschäfte.
Tillmann: Über den automatischen Informationsaustausch sind ja auch deutsche Banken verpflichtet, über zum Beispiel Kapitaleinkünfte Deutscher zu informieren. Ja, das ist so. Das haben wir getan, das ist so. Sie können in Deutschland ganz schlecht, wesentlich schlechter als noch vor 20 Jahren Zinseinkünfte, Kapitaleinkünfte innerhalb Deutschlands hinterziehen. Im Ausland haben wir leider immer noch Lücken, zum Beispiel in Panama oder in den Cayman Inseln, wo Informationen noch nicht übertragen werden, aber wir haben den Riesenerfolg, dass auf OECD-Ebene, ich glaube, Stand heute, 93 Staaten wechselseitig versprochen hatten, sich Informationen über Unternehmensgewinne und Zinserträge zu geben. Das hat es bisher noch nie gegeben und das ist ein Erfolg insbesondere von Finanzminister Schäuble.
Bieck: Na ja. Aber diese Briefkastenfirmen zum Beispiel in Panama, die werden doch von deutschen Banken vermittelt. Da könnte man doch gesetzlich angreifen, oder nicht?
Tillmann: Die Beihilfe zur Steuerhinterziehung ist auch heute schon strafbar. Da wird der Beihelfer genauso bestraft wie der Steuerhinterzieher selbst. Nun ist aber nicht jede Briefkastenfirma - jedenfalls wüsste ich nicht, dass es da einen Beweis für gäbe - eine Form der Steuerhinterziehung. Und derjenige, der eine Briefkastenfirma eröffnet, muss dann ja auch noch den Tatbestand einer Steuer überhaupt verwirklichen. Trotzdem finde ich es unanständig von deutschen Banken. Wenn das ein Ergebnis ist, dann wird man mit den Banken natürlich darüber sprechen müssen, und wir werden in der nächsten Woche selbstverständlich die ganzen Ermittlungen auch diskutieren und gucken, ob es weitere Maßnahmen gibt, die wir ergreifen müssen.
Bieck: Ich höre so bei Ihnen durch, dass Sie dem anonymen Whistleblower eigentlich ganz dankbar sind, dass er die Panama Papers durchgesteckt hat.
Tillmann: Ich bin jedenfalls froh, dass solche Dinge auch öffentlich werden, denn öffentlicher Druck hilft auch bei der Verabredung von Abkommen und ein Staat, der so unter öffentlichem Druck steht, ist eher bereit, mit uns auch Vereinbarungen abzuschließen. Ja, Transparenz ist auf jeden Fall gut.
Bieck: Aufregung in der Finanzwelt - über die Panama Papers sprach ich mit Antje Tillmann, Vorsitzende der CDU/CSU-Arbeitsgruppe Finanzpolitik und Mitglied im Finanzausschuss des Bundestages. Danke nach Berlin.
Tillmann: Sehr gerne.
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