Archiv


Paradigmenwechsel in der Lehre

Rund 50 Prozent aller deutschen Studierenden der Ingenieurwissenschaften brechen ihr Studium ab. Doch Ingenieure werden gebraucht. Die technische Universität Hamburg Harburg will dafür zur aktiven Form des Lernens wechseln.

Von Ursula Storost |
    Jutta Katharina Werner, Pressesprecherin der Technischen Universität Hamburg Harburg zeigt stolz den neuen Anbau der Hochschule. Hier können Studierende in 20 hellen kleinen Räumen rund um die Uhr lernen, vertiefen, diskutieren. Genau das passt ins neue Konzept der Hochschule. Student Rafael Elsner bringt es auf den Punkt.

    "Wenn 800 Leute in der Vorlesung sitzen, hat man keine Kommunikation mit dem vorne. Diese Anonymität und dieses Eintrichtern von Informationen. Man hat nicht den Eindruck bekommen, dass man selber richtig aktiv arbeiten muss."

    Aktives Lernen muss gefördert werden, sagt Professor Sönke Knutzen, Vizepräsident der TU. Um das zu erreichen, wurde an der Hochschule das neue Zentrum für Lehre und Lernen, kurz ZLL, geschaffen. Fünf Millionen Euro Investition für insgesamt 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie sollen helfen eine moderne Lehrkompetenz zu fördern, die auch auf neurowissenschaftlichen Erkenntnissen basiert, betont Sönke Knutzen, der auch Leiter des ZLL ist.

    "Diese Unmengen an Informationen, die man permanent kriegt, muss das Gehirn ja in Sekundenbruchteilen sortieren, nur was neu und interessant ist, soll gespeichert werden. D.h. die erste Schwelle, die man als Lehrender zu nehmen hat, das, was vermittelt werden soll, muss erst mal ins Gehirn kommen. Das heißt, es muss neu und interessant genug sein, dass das Gehirn sagt, das ist was für mich."

    Und das Gehirn muss dann dafür sorgen, dass die abgelegten Fakten anschließend für bestimmte Lösungsansätze abrufbar sind. Das bedeutet weg von Fachidiotentum hin zu einer ganzheitlichen Denkweise.

    "Es hängt ja immer alles zusammen. Und diese Zusammenhänge musste der Student in der Vergangenheit immer selbst herstellen. Wir wollen jetzt mit unseren Methoden, die eben ganzheitlicher, projektorientierter, problemorientierter angehen."

    Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ZLL veranstalten Workshops und erarbeiten individuell mit den einzelnen Fachbereichen und Lehrenden, neue Konzepte mit neuer Didaktik und neuen Methoden, erklärt Dr. Gerwald Lichtenberg, der den Bereich Lehrinnovation am ZLL leitet.

    "Zum Beispiel eine Vorlesung, die vorher mit 150 Teilnehmern in einem großen Raum stattgefunden hat, findet eben in zwölf Räumen statt, die alle nur zehn bis zwölf Studierende umfassen. In den Räumen sind Tutoren direkt ansprechbar und es ist ne vollkommene Umgestaltung der Lehrlernsituation."

    Man müsse auf Augenhöhe lehren und lernen, um den Lernprozess zu befördern. Und auch diejenigen mitnehmen, die vom hohen Abstraktionsgrad eines Ingenieurstudiums überfordert seien. Ein Drittel der Lehrveranstaltungen soll in den kommenden Jahren didaktisch und methodisch neu gestaltet werden. Problem- und projektorientiertes Lernen sind dabei wichtige Methoden, neben anderen, erläutert Laura Daldrop. Die Arbeits- und Organisationspsychologin ist Fachreferentin für Weiterqualifizierung am ZLL.

    "Gruppenpuzzle, Worldcafe, Infomarkt. Da gibt es wahnsinnig viele Methoden mit denen ich meine Studierenden aktivieren kann. Methoden mit denen ich die Selbstlernprozesse aktivieren kann. Und wir haben auch eine Veranstaltung, die heißt Methodenkoffer, da wird das alles vorgestellt, alles ausprobiert. Da wird dann herausgearbeitet die Vorteile, die Nachteile jeder einzelnen Methode."

    Die Studierenden sehen den Veränderungen mit Interesse und Hoffnungen entgegen. Denn es gibt viel Handlungsbedarf.