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Paralympics 2022
Wie ARD und ZDF die Paralympics zeigen

Bei der Übertragung der Paralympics 2022 in Peking haben ARD und ZDF ihre Strategie geändert: Es werden nur noch weniger als die Hälfte der 65 Stunden von 2018 gezeigt und viel über Livestreams im Internet abgebildet. Medienforscher und Para-Athleten fürchten negative Effekte für die Paralympics.

Von Raphael Späth | 12.03.2022
Ein Journalist schläft während der Übertragung der Paralympics im Medienzentrum in Peking.
Mehr Marktanteile, mehr Zugriffe: Trotz weniger Überragungen zogen ARD und ZDF ein positives erstes Fazit der Paralympics. (dpa / picture alliance / Ennio Leanza )
„Ich hab die erste Paralympics-Zeit zuhause verbracht und war am Anfang, wenn ich ehrlich bin, schon ein wenig enttäuscht und dachte mir: Ja, ich hätte mir einfach schon gewünscht, dass es noch ein bisschen präsenter ist, genauso wie es auch bei Olympia war.“
Anna Schaffelhuber hat bei Paralympischen Winterspielen sieben Goldmedaillen gewonnen. In diesem Jahr ist sie als Expertin für die ARD im Einsatz – und war zumindest anfangs doch überrascht über die geringe Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender im linearen TV-Programm.
Die deutsche Mono-Ski-Fahrerin Anna Schaffelhuber hält ihre fünfte Goldmedaille bei den Paralympics in Sotschi strahlend in die Höhe und zeigt mit der anderen Hand die Zahl Fünf an.
Die ehemalige Mono-Ski-Fahrerin Anna Schaffelhuber ist nach Ende ihrer Karriere für die ARD als Expertin im Einsatz. (picture alliance / dpa / Jan Woitas)
„Aber trotzdem finde ich, dass wir die Sendezeit, die wir haben und das, was wir nach draußen transportieren, qualitativ sehr hochwertig ist und da freut's mich, dass wir diese Botschaft in die Gesellschaft tragen können. Da sind wir insgesamt auf einem guten Weg.“

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ARD und ZDF mit neuer Paralympics-Strategie
ARD und ZDF haben sich in diesem Jahr für eine neue Paralympics-Strategie entschieden. Der Großteil der Berichterstattung findet in diesen Tagen nicht im linearen TV-Programm, sondern online statt. Der Umfang der Berichterstattung im Fernsehen hat sich im Vergleich zu den letzten Spielen in Pyeongchang vor vier Jahren mehr als halbiert.
Thomas Fuhrmann, Leiter der ZDF-Hauptredaktion Sport, steht in einem Schaltraum.
Das ZDF hat eine positive Bilanz seines Paralympics-Konzepts gezogen: ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann (dpa)
Stattdessen berichten ARD und ZDF online in Livestreams und ausführlichen Zusammenfassungen über die Paralympics. Diese neue Strategie sei keine Verringerung, sondern lediglich eine Verlagerung des Angebots, erklärt ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann. Eine Verlagerung, die aber auch negative Effekte auf das Interesse an den Paralympics in der deutschen Öffentlichkeit haben könnte, mahnt Medienforscher Christoph Bertling von der Deutschen Sporthochschule.
„Für Olympische Spiele wäre das nicht tragisch, weil man einfach sagen kann: Okay, die Strahlkraft ist so groß, dass jemand das auch aktiv sucht. Bei den Paralympics ist das aber nicht nur eine Verschiebung, sondern das ist eine deutliche Verlagerung insofern, dass Leute auch nicht einfach zufällig mit dem Ereignis in Kontakt treten. Deshalb ist diese Entscheidung dann auch von Tragweite für die Öffentlichkeit und die Wirkung in der Öffentlichkeit.“
Paralympics in den Medien - Zwischen Übertreibung und Desinteresse
Fatales Signal durch den verspäteten Ausschluss
Bertling sieht aber nicht nur die Verantwortung bei den Medien, sondern auch beim Internationalen Paralympischen Komitee. „Ich glaube, dass es auch ein fatales Signal war, dass man Belarus und Russland nicht sofort ausgeschlossen hat.“
Das IPC hatte erst nach mehreren Boykott-Androhungen und auf Druck der Athletinnen und Athleten entschieden, die russische und belarussische Delegation doch von den Paralympics auszuschließen. Bertling verweist hierbei aber auf die Geschichte der Paralympics, die nach dem Zweiten Weltkrieg ursprünglich den Kriegsversehrten die Rückkehr ins gesellschaftliche Leben erleichtern sollten. Das IPC habe mit dieser Entscheidung aber gezeigt, dass man die eigenen Wurzeln vergessen habe, meint der Medienforscher.
„Das werden natürlich die wenigsten Leute auf der Straße oder in der Öffentlichkeit wissen, aber ich glaube, dass man ein sehr feines Gefühl dafür hat, ob ein Sportevent eben auch genau dafür stehen kann oder ob es sich in Teilen dann auch tatsächlich davon abgelöst hat und dann eine Unterhaltungsindustrie geworden ist. Da muss man sich dann schon nochmal schütteln und dieses Signal, gerade in Kriegszeiten, dann ist es sehr schwierig das einfach loszulösen und einfach zu feiern.“
Die Gründe für die fehlende Paralympics-Begeisterung
Mehr Aufrufe, mehr Marktanteil
Auch der Fakt, dass ukrainische Athletinnen und Athleten vor allem in den ersten Tagen der Paralympics viele Erfolge gefeiert haben, hätte nur bedingt Einfluss auf die Wahrnehmung der Spiele in der deutschen Öffentlichkeit gehabt.
„Da würde ich auch nochmal sagen, vielleicht eine Strahlkraft, wenn es olympische Athleten wären. Ohne zu sagen, dass paralympische Athleten in irgendeiner Art und Weise minderwertig wären, aber sie sind in der Öffentlichkeit nicht so präsent.“
Trotzdem: Das ZDF zieht nach fünf Tagen Paralympics-Berichterstattung ein positives Fazit. Mit einem durchschnittlichen Marktanteil von etwa neun Prozent und rund 600.000 Zuschauern liegt man im Schnitt über dem der Paralympics in Pyeongchang. Und auch online erreichte die Seite des ZDF Sports im Schnitt 20 Prozent mehr Aufrufe als noch 2018.
Auch ARD-Expertin Anna Schaffelhuber lobt die neue Strategie der öffentlich-rechtlichen Sender. Trotzdem hatte auch sie in den letzten Tagen den Eindruck, dass weniger über die Spiele in Peking berichtet wurde als in der Vergangenheit.
„Für mich persönlich hat es mit Sotschi und Pyeongchang schon gegipfelt. Ich hab momentan das Gefühl, dass es vielleicht eine Idee zurückgeht.“
Auch abseits der Paralympics Para-Sport zeigen
Ihr Appell zum Abschluss dieser Spiele, vor allem an ARD und ZDF: Der Para-Sport müsse auch abseits der Paralympics häufiger in den Fokus der Berichterstattung gerückt werden.
„Insgesamt würde ich mir schon noch wünschen, dass man nicht nur alle vier Jahre davon berichtet. Weil während dieser vier Jahre ist leider relativ wenig passiert in den letzten vier bis acht Jahren. Vielfach habe ich den Eindruck gehabt: Jetzt war Olympia vorbei und dann ist vielen Leuten aufgefallen, dass jetzt die Paralympics kommen. Und da brauchen wir noch den ein oder anderen O-Ton. Das wäre schön, wenn wir das auf die vier Jahre vielleicht noch ein bisschen besser verteilen könnten.“