Donnerstag, 28. März 2024

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Pariser Klimaabkommen
"Kohleausstieg klar planen"

Der Klimaexperte Niklas Höhne hält das Klimaabkommen von Paris für historisch, weil die Unterzeichner sich darin komplett von der Nutzung fossiler Energieträger verabschiedeten. Wenn Deutschland im Klimaschutz Vorreiter sein wolle, müsse der geplante Kohleausstieg nun "wirklich sehr, sehr schnell passieren", sagte Höhne im DLF.

Niklas Höhne im Gespräch mit Georg Ehring | 06.10.2016
    Wasserdampfschwaden steigen aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerkes der Vattenfall AG in Jänschwalde, daneben steht eine Windenergieanlage (Aufnahme von 2015)
    Im Klimaschutzplan der Bundesregierung für 2050 sei noch keine konkrete Planung für den Kohleausstieg enthalten, bemängelt Niklas Höhne. (Patrick Pleul / dpa-Zentralbild, dpa picture alliance)
    Georg Ehring: Klimadiplomaten schwelgen in Superlativen: So schnell sei noch nie ein weltweites Abkommen in Kraft getreten. Nicht einmal ein Jahr nach der Verabschiedung wird das Pariser Abkommen über den weltweiten Klimaschutz jetzt rechtsverbindlich. 74 Staaten haben es ratifiziert und sie stehen für knapp 59 Prozent der weltweiten Emission von Treibhausgasen. Auch die Europäische Union ist jetzt dabei, Vorreiter waren allerdings die USA und China, auch Indien hat die Ratifizierungsurkunde hinterlegt.
    Ist das Klima damit gerettet? Darüber möchte ich jetzt sprechen mit Niklas Höhne. Er ist Direktor bei der Denkfabrik New Climate Institute hier in Köln. Guten Tag, Herr Höhne!
    Niklas Höhne: Hallo, Herr Ehring.
    Ehring: Herr Höhne, im Pariser Klimaabkommen nimmt sich die Weltgemeinschaft vor, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad oder sogar, wenn möglich, unter 1,5 Grad zu begrenzen. Was sie dafür tun, entscheiden die einzelnen Staaten selbst. Auf wieviel Grad Erwärmung läuft das denn dann hinaus?
    Höhne: Wenn man zusammenrechnet, was die Länder im Rahmen des Klimaschutz-Abkommens von Paris vorgeschlagen haben, und sie das alles umsetzen, sind wir leider noch relativ weit entfernt von zwei Grad. Wir kommen auf ungefähr drei Grad und das ist konsistent mit anderen Berechnungen auch. Also es ist noch ein weiter Weg. Man muss aber sagen, dass die Vorschläge, die die Länder gemacht haben, deutlich besser sind als das, was vorher auf dem Tisch lag. Ohne diese Vorschläge würden wir bei ungefähr 3,6 Grad landen. Wir sind mit den Vorschlägen weiter runtergekommen, aber leider noch nicht so weit, wie es wirklich sein müsste.
    Hoffnung, dass die Länder noch mehr tun, als sie vorgeschlagen haben
    Ehring: Wenn wir jetzt mal überlegen: Es besteht eine große Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Was muss denn passieren, damit es weniger als zwei Grad werden?
    Höhne: Zunächst mal müssen die Länder ihre Vorschläge auch wirklich umsetzen. Das sind ja alles Vorschläge und in den nächsten Jahren wird sich zeigen, dass die Länder das schaffen. Das ist für einige Länder einfacher als für andere. Die meisten Länder sind relativ konservativ herangegangen und haben etwas vorgeschlagen, von dem sie sicher sind, dass sie es erfüllen werden, und deswegen besteht die Hoffnung, dass Länder noch mehr machen werden, um ihre Vorschläge letztendlich überzuerfüllen und so dazu beitragen, dass wir tatsächlich noch näher an diese weit unter 2-Grad- oder 1,5-Grad-Marke kommen.
    Ehring: Wie tief würde das denn dann in unseren Alltag eingreifen? Können wir zum Beispiel noch in den Urlaub fliegen?
    Höhne: Kann man schon. Das wirklich Historische an dem Abkommen ist, dass man sich quasi dazu entschlossen hat, komplett aus fossilen Energieträgern auszusteigen. Und das Pariser Abkommen ist deswegen so wichtig, weil es diesen kompletten Ausstieg einläutet. Dazu ist es wichtig, langfristig zu planen und zu schauen, welche Maßnahmen sind denn möglich, um das auch wirklich zu tun. Und da muss man als erstes anfangen, energieeffizient zu sein, weniger Energie zu verbrauchen, und zweitens massiv erneuerbare Energien zu entwickeln und zu nutzen. Konkret für in den Urlaub fliegen: Besser ist natürlich etwas weniger. Aber auch da müssen wir technologische Lösungen finden, um eben um die Welt zu reisen, ohne fossile Energien zu verbrennen.
    Kohleausstieg klar zu planen, wäre wichtiger Schritt für Deutschland
    Ehring: In Deutschland reden wir ja über den Kohleausstieg, den Ausstieg aus der Braunkohle, und Sie sprachen gerade von langfristigen Planungen. Ich habe den Eindruck, dieser Ausstieg wird immer langfristiger geplant. Was halten Sie davon?
    Höhne: Ja wie gesagt: Am Ende steht der komplette Ausstieg, also auch der Ausstieg aus Kohlenutzung. Und im Pariser Abkommen steht ja drin, dass man sich an der Marke von 1,5 Grad orientieren will. Und wenn Deutschland dann ein Vorreiter sein will im internationalen Klimaschutz, dann muss der Kohleausstieg wirklich sehr, sehr schnell passieren, eher in Richtung 2025, 2030. Und dazu müsste jetzt eigentlich eine Planung vorgelegt werden. Die könnte in dem Klimaschutzplan für 2050 stehen, der derzeit diskutiert wird, aber da steht es noch nicht drin. Ein wichtiger Schritt wäre für die deutsche Klimapolitik in der Tat, den Kohleausstieg klar zu planen und ein klares Datum zu setzen, bis wann er vollzogen sein soll.
    Ehring: Im Klimaabkommen wird auch gesprochen von möglichst unter 1,5 Grad. Ist das überhaupt noch möglich?
    Höhne: Das ist möglich, aber nur mit sehr großen Anstrengungen. 1,5 Grad oder die Temperaturerhöhung, die wird durch die kumulativen Emissionen bestimmt, also die gesamten Emissionen über dieses Jahrhundert. Ein Emissions-Budget nennt man das. Und dieses Emissions-Budget ist sehr, sehr klein und sehr schnell erschöpft. Wenn zum Beispiel die Klimaschutzmaßnahmen, die die Länder vorgeschlagen haben, umgesetzt werden und nicht mehr, dann ist dieses 1,5 Grad-Budget schon im Jahr 2030 komplett erfüllt. Dann wären quasi keine Emissionen mehr übrig, wenn man 1,5 Grad noch erreichen will. Man muss also deutlich mehr machen, als bis jetzt auf dem Tisch liegt.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.