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Parlamentswahl in der Ukraine
Selenskyj vor dem nächsten Sieg

Die Ukraine erlebt derzeit einen gewaltigen politischen Umbruch. Im Mai wurde der Politikneuling Wolodymyr Selenskyj Präsident. Er war zuvor nur als Kabarettist bekannt. Jetzt bei der Parlamentswahl am Sonntag wird die Partei von Selenskyj voraussichtlich die mit Abstand stärkste Kraft.

Von Florian Kellermann |
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei einer Rede des EU-Gipfels in der Ukraine
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (imago / ZUMA Press / Sergei Chuzavkovx)
Die Umfragen sehen die Präsidenten-Partei "Diener des Volkes" zuletzt bei deutlich über 40 Prozent, Tendenz unmittelbar vor dem Wahlsonntag stetig steigend. Der frisch gebackene Präsident Wolodymyr Selenskyj wird also - mit einer stabilen Parlamentsmehrheit - wohl mächtiger als sein Vorgänger Petro Poroschenko.
Auch nach seiner Amtsübernahme stellt sich Selenskyj als volksnah dar. In einer seiner Videobotschaften plauderte er, während er selbst ein Auto durch Kiew steuerte:
"In Odessa habe ich nur kurze rote Hosen getragen. Die Odessiten baden im Meer - und ich soll in einem Tarnanzug herumlaufen, wie mein Vorgänger? Um dann wie er in den Urlaub auf die Malediven zu fliegen? Nein, ich will unter den Menschen sein, bei ihnen, um zu verstehen, was ihnen weh tut."
Kritiker: Selenskyj hat kein politisches Programm
Mit seiner Anti-Establishment-Rhetorik kann Selenskyj punkten, zumindest noch.
Seine Kritiker meinen aber, schon bald werde sich schmerzhaft bemerkbar machen, dass er kein politisches Programm hat. Keine ausgearbeiteten Vorschläge, wie er seine Ziele erreichen will - etwa die Monopole der sogenannten Oligarchen zu brechen.

Doch dass Selenskyj nicht konkret werde, sei auch Wahltaktik, meint die Politologin Oleksandra Reschmedilowa von der Universität Kiew.
Der ukrainische Präsidentschaftskandidat Wolodymyr Selenskyj jubelt nach den ersten Prognosen bei der Stichwahl um das Präsidentenamt.
Frenetischer Jubel: Wolodymyr Selenskyj feiert seinen Sieg bei der Stichwahl um das Präsidentenamt. (AFP - Genya Savilov)
"Die Partei will niemanden vergraulen. Denn ihr Problem ist, dass sie sehr unterschiedliche Wähler hat. Deshalb macht sie ständige Verrenkungen, um sich nicht festzulegen - fast so wie Neo im Film "Matrix", wenn er den Pistolenkugeln ausweicht."
Die meisten Selenskyj-Wähler befürworten die Annäherung an die Europäische Union. Doch - wie in der Gesellschaft - gibt es auch diejenigen, die wieder enger an Russland heranrücken wollen. Beiden werden es Selenskyj und die künftige Regierung kaum recht machen können.
Russland mischt im Wahlkampf mit
Eine besondere Herausforderung für Selenskyj wird das Verhältnis zu Russland. Der Krieg im Donezbecken dauert an und wurde zuletzt wieder intensiver. Dort kämpft die ukrainische Armee gegen von Russland unterstützten sogenannten Separatisten. Im Präsidentenwahlkampf kündigte Selenskyj direkte Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin an. Davon ist er inzwischen wieder abgerückt.
Portraitaufnahme des ukrainischen Politikers Viktor Medwedtschuk
Der ukrainische Oppositionspolitiker Viktor Medwedtschuk (imago/ TASS/ Natalia Fedosenko)
Putin demonstrierte nicht nur seine Geringschätzung von Selenskyj, in dem er ihm nicht zum Wahlsieg gratulierte. Russland gehe noch weiter, sagt der Politologe Oleksandr Solontaj:
"Russland hat unmittelbar in den Parlaments-Wahlkampf eingegriffen, indem es die prorussische Partei 'Für das Leben' unterstützt hat. Der Kreml erhöht so den Druck auf die Ukraine und verschärft die Spannungen."
So ließ Russland vier gefangene ukrainische Soldaten frei - unter Vermittlung von Viktor Medwedtschuk, Politiker von "Für das Leben". Die Botschaft: Medwedtschuk schafft das, was Selenskyj misslingt. Mit voraussichtlich über zwölf Prozent dürfte die prorussische Partei die zweitstärkste im Parlament werden.
Fest steht dennoch schon jetzt, dass viele neue, junge Gesichter im Parlament zu sehen sein werden. Nicht durch "Diener des Volkes", sondern auch durch die ebenfalls neue Partei "Stimme" des Popsängers Swjatoslaw Wakartschuk. Eine Koalition der beiden Parteien nach der Wahl gilt als denkbar.