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Parlamentswahl
Ukrainer hoffen auf Neuanfang

Unter großen Sicherheitsvorkehrungen ist in der Ukraine die vorgezogene Parlamentswahl angelaufen. Viele sehnen sich nach neuen Gesichtern, durchsetzen werden sich wohl die bekannten. Nur die berühmteste Politikerin des Landes bangt.

Von Johanna Herzing, Kiew | 26.10.2014
    Eine ältere Frau steckt ihren Stimmzettel in eine Urne.
    Rund 36 Millionen Ukrainer können das neue Parlament bestimmen. (picture alliance/dpa/Zurab Dzhavakhadze)
    Rund 36 Millionen Ukrainer sind aufgerufen, heute bis 20 Uhr ihre Stimme abzugeben. Präsident Petro Poroschenko hat sich gar in den Osten des Landes, ins Kriegsgebiet aufgemacht, um öffentlichkeitswirksam im Donbas zu wählen. Zehntausende Sicherheitskräfte sind im Einsatz, um einen reibungslosen Ablauf der Wahlen zu gewährleisten. Viele setzen große Hoffnungen in den Urnengang. So auch Maryna. Schon früh am Morgen kurz nach Öffnung des Wahllokals hat die junge Frau in einer Kiewer Schule gewählt:
    "Diese Wahl bedeutet für mich vor allem die Hoffnung auf ein anderes, ein besseres Leben, Hoffnung auf Veränderung. Das ist so wie nach der Orangenen Revolution. Diese Hoffnung ist jetzt zurückgekehrt. Vor allem die Korruption muss überwunden werden, aber auch die Bürokraten, die Verwaltung muss ihre Haltung ändern, wir alle müssen uns ändern. Wir haben große Hoffnungen, deshalb gehen wir wählen."
    Andere, wie dieser Mann, der für die proeuropäische Partei Selbsthilfe gestimmt hat, sind hingegen desillusioniert:
    "Im Wahlkampf versprechen alle alles - und dann tut sich nichts. Deswegen glaube ich nicht, dass sich unser Leben schnell zum Besseren wendet. Ich hab den Eindruck, es wird eher schlechter."
    Schlechte Aussichten für Timoschenko
    Zur Wahl angetreten sind Kandidaten aus insgesamt 29 Parteien. Sie können entweder über Direktmandate oder über die Parteilisten in das Parlament, die Werchovna Rada, einziehen. Aussichten auf das beste Wahlergebnis hat die erst im August gegründete Partei des Präsidenten, der Block Petro Poroschenko. Ihm werden etwa 20 bis 30 Prozent der Stimmen vorhergesagt. Auch der Volksfront, der Partei von Ministerpräsident Arseni Jazenjuk, werden gute Chancen eingeräumt. Insgesamt dürften Umfragen zufolge etwa sieben Parteien ins Parlament einziehen. Zweitstärkste Kraft könnte die populistische und nationalistische Partei von Oleh Ljaschko werden. Seine Partei, die sogenannte Radikale Partei, darf wohl mit etwa zehn Prozent der Stimmen rechnen.
    Schlechte Aussichten haben hingegen die bislang im Parlament vertretene und an der Regierung beteiligte rechtspopulistische Partei Svoboda sowie der Rechte Sektor. Sie werden möglicherweise an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Unsicher ist bislang auch, ob Julia Timoschenko mit ihrer Partei Vaterland den Einzug ins Parlament schafft. Abgeschlagen in den Umfragen waren zuletzt vor allem die Kommunistische Partei sowie der neu gegründete sogenannte Oppositionsblock, in dem sich viele ehemalige Janukowitsch-Anhänger sammeln.
    "Zu viele aus dem alten System"
    Diese Frau, die sich als Alla Fedoriwna vorstellt und gerade ihre Stimme abgegeben hat, meint:
    "Ich glaube, dass die proukrainischen Kräfte gewinnen werden. Ich würde mir wünschen, dass verschiedene solcher Kräfte im Parlament vertreten sind, dass neue Gesichter nach vorne kommen, solche mit Ideen. Es gibt einfach noch zu viele Leute aus dem alten System, und ich glaube nicht, dass es denen gelingt, die Veränderungen herbeizuführen, die wir jetzt brauchen."
    Ihrer Meinung nach ist das vor allem eine Reform des Gerichtswesens, der Sicherheitskräfte und des Staatsapparats. Was bisher umgesetzt wurde, das seien rein kosmetische Reformen. Ein Teil der Ukrainer kann den Kurs der künftigen Regierung allerdings gar nicht mitbestimmen. Auf der von Russland annektierten Krim findet die Wahl nicht statt, und in den umkämpften Ostgebieten ist sie nur eingeschränkt möglich. Die Separatisten lehnen die Parlamentswahlen strikt ab. Je nach Frontverlauf wird hier wohl nur in rund der Hälfte der Wahlbezirke abgestimmt. Das Parlament wird deshalb kleiner sein als bislang. Statt 450 werden wohl nur 420 Abgeordnete in der Rada sitzen.