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Parteivorsitz von Merkel
Günther (CDU): Keine Personaldiskussionen in der Union mehr

Der Ministerpräsident Schleswig-Holsteins, Daniel Günther, hat sich dagegen ausgesprochen, dass die Bundeskanzlerin ihren Parteivorsitz im Dezember abgibt. Die Union habe sich personell bereits erneuert, sagte er im Dlf. Auch sehnten sich die Menschen nach vernünftiger Politik, statt Personaldiskussionen.

Daniel Günther im Gespräch mit Stefan Heinlein | 06.10.2018
    Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, kommt zu den Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD in der SPD-Parteizentrale, dem Willy-Brandt-Haus.
    Schleswig-Holsteins Ministerpräsiodent Günther lehnt eine Personaldiskussion um Angela Merkel ab (picture-alliance / dpa / Gregor Fischer)
    Stefan Heinlein: Und am Telefon begrüße ich jetzt den Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein Daniel Günther, CDU. Moin, Herr Ministerpräsident!
    Daniel Günther: Moin, Herr Dr. Heinlein, hallo!
    Heinlein: Freuen Sie sich über ihren folgsamen Parteinachwuchs oder würden Sie sich ein wenig mehr jugendlichen Elan wünschen?
    Günther: Nein, die Junge Union hat schon jugendlichen Elan und die schieben im Moment schon auch eine ganze Menge an. Ich weiß auch, dass dort ein bisschen Frust auch über die Bundespolitik ist, und ich glaube, das machen die schon deutlich in einer angemessenen Art und Weise. Und ich habe die Junge Union schon auch in den letzten Monaten hier in der Debatte immer eher erlebt als eine Jugendorganisation, die sich wirklich eingebracht hat und auch eingemischt hat, und das finde ich auch absolut genau richtig. Und das machen die schon richtig gut.
    "Wir brauchen wirklich eine starke Junge Union"
    Heinlein: Frust über die Bundespolitik, einmischen sagen Sie. An welchen Stellen sollte denn die Junge Union den Finger in die Wunde der Partei legen, wo schmerzt es besonders bei CDU und CSU?
    Günther: Ich glaube, dass die Junge Union sich auch selbst zum Ziel gesetzt hat, das ist auch wichtig, dass sie immer wieder auch die Einheit der Union betont und ja auch immer versucht hat, da einen Ausgleich hinzubekommen, dass CDU und CSU beieinanderbleiben. Das ist absolut richtig. Aber natürlich brauchen wir die Junge Union auch insbesondere dafür, damit wir mal wieder Debatten auch führen und uns wieder um Probleme kümmern und um die großen Herausforderungen, die wir haben.
    Politik neigt dazu, und gerade die Große Koalition, sich auch ein bisschen im Kleinklein zu verfangen. Das haben wir die letzten Wochen erlebt, wo es um Personaldebatten ging. Und dabei haben wir ja wirklich Herausforderungen, das heißt, die Frage, wie können wir unseren Wohlstand dauerhaft sichern, sollte man vielleicht lieber darüber diskutieren, wie schaffen wir eigentlich weiter Wirtschaftswachstum, und nicht nur die Frage sich stellen, wie kann ich den Wohlstand besser verteilen. Und genauso in der Rentendiskussion brauchen wir auch eine starke Stimme der Jungen Union, die sagt, wir brauchen einen Generationenvertrag, wir brauchen Generationengerechtigkeit. Und heute sich hinzustellen und eine Rentenhöhe für das Jahr 2040 garantieren zu wollen, das ist nicht zukunftsfähig, das kann man nicht schaffen. Und da brauchen wir eben wirklich eine starke Junge Union und die spüre ich auch.
    Heinlein: Rente, Generation, Gerechtigkeit, das sind drei Stichpunkte, die Sie genannt haben, Herr Günther. Sind das die inhaltlichen Stellschrauben, an denen die Union in den nächsten Wochen und Monaten drehen muss?
    Günther: Doch, ich glaube, dass das zumindest drei Kernelemente von Unionspolitik sind. Ich glaube, dass wir eine Riesenherausforderung zusätzlich auch noch beim Thema Bewältigung des Fachkräftemangels haben. Wenn wir über Erhaltung des Wohlstandes reden, dann hat das sehr viel damit zu tun, finden wir eigentlich noch die Menschen in den Bereichen, die auch die Zukunftstechnologien und die Zukunftswirtschaftszweige in Deutschland sind.
    Da brauchen wir wirklich eine klare Hinwendung, da ist ein Fachkräftezuwanderungsgesetz, wie man das jetzt ja auch vereinbart hat, ein Schritt in die richtige Richtung, aber das reicht bei Weitem nicht aus. Uns fehlen viele Fachkräfte im Handwerk, im Pflegebereich, und da müssen wir Antworten in den nächsten Jahren finden. Und da muss sich die Union stark einbringen und ich glaube, dass sie das auch mit Unterstützung der Jungen Union tun wird.
    "Die Menschen sehnen sich weniger nach Personaldiskussionen"
    Heinlein: Nun gibt es, Herr Günther, innerhalb der Unionsfraktion, offenbar nicht nur die Sehnsucht nach einem inhaltlichen Neuanfang, sondern auch nach neuen Impulsen, nach einem personellen Neuanfang. Das hat ja die Wahl von Ralph Brinkhaus zum Fraktionsvorsitzenden eindrucksvoll belegt. Braucht die Union, braucht Ihre Partei nach der Fraktion auch in der Partei, in CDU/CSU diesen Neuanfang an der Spitze?
    Günther: Ich glaube, dass die Union sich schon auch im Bereich Erneuerung ganz gut aufgestellt hat. Wann hat man das mal in einer Kanzlerschaft und auch in einer Ära einer Parteivorsitzenden erlebt, dass innerhalb einer solchen Führung sozusagen sich die Union auch so erneuert hat, wie es dieses Mal gelungen ist? Wir haben ganz viele neue Ministerpräsidenten in den Ländern bekommen, wir haben eine neue Generalsekretärin, jetzt haben wir einen neuen Fraktionsvorsitzenden, das war, glaube ich, auch ein Ventil, was hierbei auch gesucht wurde, wir haben ein Kabinett mit lauter neuen Gesichtern.
    Und ich glaube, dass die Menschen in unserem Land sich weniger nach Personaldiskussionen sehnen, sondern danach, wirklich vernünftige Politik zu machen, nicht über jede Kleinigkeit zu streiten, sondern auch einfach auch nach gemeinsamen Lösungen zu suchen. Und ich glaube, wenn die Union sich eher darauf konzentriert, ist sie deutlich besser beraten.
    Heinlein: Gehört zu dieser vernünftigen Politik, Herr Günther, diese Anmahnung auch, dass Angela Merkel jetzt vielleicht die Dinge vorab regelt, ihre Nachfolge klar regelt und den Parteivorsitz dann im Dezember in andere Hände gibt?
    Günther: Nein, das gehört aus meiner Sicht nicht dazu. Angela Merkel hat vor der Wahl klar gesagt, dass sie antritt, um diese Wahlperiode Kanzlerin zu sein, und genauso hat sie richtig beschrieben, dass Kanzlerschaft und Parteivorsitz in den gleichen Händen sein sollten. Von daher brauchen wir da jetzt keine schnellen Personaldiskussionen.
    Und dass wir uns darauf vorbereiten, auf eine Zeit nach Angela Merkel, die sie ja auch selbst mit in den Händen hat, ist ja auch vollkommen richtig. Eine Kanzlerschaft und auch eine Ägide einer Parteivorsitzenden ist ja nie ohne Endzeitpunkt, der wird irgendwann kommen, aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, in dieser Situation mittendrin einen solchen Wechsel durchzuführen, sondern da, glaube ich, gibt es einen besseren Zeitpunkt. Und ich glaube, dass Angela Merkel das auch für sich sehr, sehr gut bewerten kann.
    Heinlein: Ist dieser bessere Zeitpunkt dann gegeben, wenn die CSU in Bayern abschmiert und Volker Bouffier in Hessen sein Amt verliert? Werden dann die Dinge neu sortiert?
    Günther: Da sind ja sehr viele Wenns dabei.
    Heinlein: Zwei Stück.
    Günther: Ich kämpfe jetzt erst mal gemeinsam mit den Freunden in Bayern und in Hessen dafür, dass wir bei den Wahlen ordentlich abschneiden, im Moment gibt es von der Bundesebene keinen Rückenwind bei den Wahlkämpfen, aber ich bin jetzt gerade vor zwei Tagen auch in Hessen unterwegs gewesen und habe dort versucht zu unterstützen von meiner Seite aus. Und ich habe da eine Partei erlebt, die wirklich auch Lust hat auf Wahlkampf, die sich davon nicht beeindrucken lässt, die Landesthemen in den Mittelpunkt stellt. Von daher hoffe ich auf ordentliche Ergebnisse bei beiden Wahlen und sehe auch das Potenzial.
    Günther: Zusammenarbeit mit AfD nicht denkbar
    Heinlein: Die Vorhersagen sind aber alles andere als gut, Herr Günther. Die Umfragen für Bayern, ganz aktuelle Zahlen: Die CSU ist auf ein historisches Tief abgesackt, 33 Prozent. Kann man daraus schon irgendwelche Lehren ziehen, aus diesem missglückten Wahlkampf der CSU? Es funktioniert nicht, die AfD kleinzuhalten, indem man sie inhaltlich kopiert.
    Günther: Ich kann ja immer umgekehrt nur für die Art und Weise werben, wie ich Politik verstehe und wie wir sie auch in Schleswig-Holstein machen. Wir haben immer uns darauf fokussiert, in der Koalition positiv übereinander zu sprechen, lösungsorientiert zu sein, sich darauf zu konzentrieren, dass man die Probleme der Menschen löst und sich nicht in einen Wettbewerb begibt, die Probleme, die Menschen haben, in den dramatischsten Farben zu malen. Ich glaube, dass das nicht der richtige Weg ist, dass wir erfolgreicher darin sind, auch Populisten in unserem Land kleinzuhalten. Und für den Weg werbe ich an allen Orten. Und wie erfolgreich ein anderer Weg ist, werden wir dann eben sehen.
    Heinlein: Das ist leise Kritik an Ihren Parteifreunden in Bayern. Wie hilfreich sind denn in diesem Zusammenhang diese Überlegungen, neu gekommen aus Sachsen, mit der AfD in Zukunft politisch vielleicht doch noch einmal ins Geschäft zu kommen?
    Günther: Für mich ist das überhaupt kein denkbarer Weg. Ich habe immer für mich deutlich gemacht, dass ich glaube, dass inhaltliche Unterschiede überwunden werden können, wenn man sozusagen in gleicher Art und Weise Politik macht, wenn ein Vertrauensverhältnis auch zwischen unterschiedlichen Partnern da ist, kann man miteinander regieren. Das beweisen wir in einer Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein jetzt seit fast anderthalb Jahren, das geht.
    Aber es gibt eben auch zwischen CDU und AfD nicht nur dramatische inhaltliche Unterschiede, sondern es gibt auch ein vollkommen anderes Verständnis davon, wie sich unser Staat entwickeln soll, dass wir festhalten an einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, dass wir für Pressefreiheit sind, Minderheitenschutz. Und all das ist vollkommen unvereinbar. Und von daher halte ich solche Debatten nicht nur für gefährlich, sondern den Weg in diese Richtung halte ich für grundfalsch und dafür stehe ich auch nicht zur Verfügung.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.