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Patientenverfügung
Autonomer versus natürlicher Wille

Keine lebensverlängernden Maßnahmen, das legen viele Menschen in ihrer Patientenverfügung fest. Was aber tun, wenn Demenzpatienten dann doch andere Willensäußerungen zeigen? Philosophisch und rechtlich sei dieses Problem noch weitgehend ungeklärt, sagte der Philosoph Marko Fuchs im Dlf.

Marko Fuchs im Gespräch mit Carsten Schroeder |
    Eine Frau mit einem Kugelschreiber in der Hand betrachtet am 14.09.2017 in Dresden (Sachsen) einen Vordruck einer "Patientenverfügung".
    Vordruck einer Patientenverfügung (picture alliance / dpa / Arno Burgi)
    Wie will ich am Lebensende medizinisch versorgt werden? Diese Frage stellen sich viele Menschen ab einem gewissen Zeitpunkt. Und was passiert, wenn man den eigenen Willen nicht mehr richtig artikulieren kann? An der Universität Bamberg fand Ende vergangener Woche eine Tagung über "Schutz und Grenzen medizinischer Entscheidungen von Patienten" statt.
    In der Vorstellung vieler Menschen ist das Ziel, in Würde zu sterben: keine lebensverlängernde Maßnahmen also, wenn das Ende absehbar ist. Mit einer Patientenverfügung wird diesem Wunsch Ausdruck verliehen. Eine andere Erfahrung macht man unter Umständen, wenn man tatsächlich schwer erkrankt. "Das Problem besteht in einem solchen Fall ja nicht, wenn Sie in einer solchen Situation in der Lage sind, Ihren selbstbestimmten Willen zu wiederrufen. Das können Sie ja dann ohne Probleme tun", sagte Doktor Marko Fuchs, Privatdozent am Lehrstuhl für Philosophie und einer der Initiatoren der Konferenz im Dlf.
    Offene rechtliche Fragen
    "Schwierig wird es dann, wenn Sie an einer Demenzerkrankung leiden und dann über diesen autonomen Willen nicht mehr verfügen. Dann ist die Frage, was dann passiert - vor allem, wenn Sie eine Willensäußerung zeigen, die nicht mehr der Patientenverfügung entspricht. Dann ist die Rede vom 'natürlichen Willen': Der Patient zeigt noch Willensäußerungen, allerdings nicht reflektiert und autonom."
    "Diese sind auch entgegen der ursprünglichen Maßgaben der Patientenverfügung ernst zu nehmen", sagte Fuchs. Aufgabe der Philosophie sei es, auf diesem Gebiet verbindliche Maßstäbe zu artikulieren. "Eine halbwegs verbindliche Hermeneutik fehlt. Sodass man den Leuten, die mit Demenzpatienten zu tun haben, Instrumente an die Hand gibt, wie sie solche Willensäußerungen interpretieren sollen."
    Auch rechtlich sei dieses Problem weiterhin ungeklärt. Rechtlich verbindlich sei einzig der autonom geäußerte Wille in der Patientenverfügung, nicht der natürliche Wille.