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PEN-Chef Strasser begrüßt Mohnhaupt-Entlassung

Johano Strasser, Präsident des PEN-Zentrums, betrachtet die vorzeitige Haftentlassung der ehemaligen RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt als Beleg für die Stärke des Rechtsstaates. "Ich glaube, dass es wichtig ist, dass der Rechtsstaat zeigt, dass er nicht auf einer Stufe steht mit denen, die kriminell ihn herausfordern", sagte er.

Moderation: Klaus Remme |
    Klaus Remme: Am Telefon mitgehört hat Johano Strasser, Präsident des PEN-Zentrums. Ich grüße Sie, Herr Strasser!

    Johano Strasser: Grüß Gott!

    Remme: Herr Strasser, den "Deutschen Herbst" haben Sie als Politologe an der FU in Berlin miterlebt. Ist dies ein abgeschlossenes Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte, oder prägen Sie diese Jahre bis heute?

    Strasser: Es ist ein abgeschlossenes Kapitel, aber ich habe nicht vergessen, was damals geschah und wie die Auseinandersetzungen damals liefen. Ich glaube auch, dass es sich lohnt auch für Jüngere, immer noch einmal darüber zu reden, wie eigentlich Menschen dazu kommen konnten, dass sie so leichtfertig mit dem Leben anderer und auch mit ihrem eigenen Leben umgingen, was da die ideologischen Hintergründe waren wie etwa die Vorstellung, dass die Zuspitzung der Widersprüche der alleinige Triebkraft des Fortschritts ist, dass Verfeindung ein progressives Prinzip ist und ähnliche Dinge mehr, die ja in einer vulgär-marxistischen Theorie damals herumgereicht wurden und von einigen dann eben so kriminell ausgelegt wurden.

    Remme: Herr Strasser, wenn dieses Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte abgeschlossen ist, warum ist die heutige Entscheidung dann natürlich über die Bedeutung für Brigitte Mohnhaupt selbst von Bedeutung?

    Strasser: Ich glaube, dass es wichtig ist, dass der Rechtsstaat zeigt, dass er nicht auf einer Stufe steht mit denen, die kriminell ihn herausfordern und dass er auch dann noch bei der Vorstellung bleibt, dass Menschen eine Menschenwürde eigen ist, wenn sie so schreckliche Taten begangen haben wie in diesem Falle Brigitte Mohnhaupt. Deswegen, glaube ich, ist die Entscheidung eine ganz wichtige die zeigt, dass rechtsstaatliche Prinzipien bei uns, die ja in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit immer mal wieder in Frage gestellt wurden, siehe Folter und Ähnliches, bei uns doch unverrückbar weiter gelten. Ich begrüße die Entscheidung sehr.

    Remme: Befürchten Sie, dass Brigitte Mohnhaupt nun durch die einschlägigen Fernsehsendungen gereicht wird?

    Strasser: Das ist zu befürchten. Das ist aber eben nicht nur ihr Problem, sondern auch das Problem dieser Sendungen, die auf eine gewisse Sensationsmacherei wohl nicht verzichten können. Ich kann mir vorstellen, dass es für einige der Angehörigen der Opfer schwierig ist, aber das ist ja rechtlich nicht zu verbieten. Zu der ihr jetzt mit Auflagen gewährten Freiheit gehört eben auch die Freiheit, sich dann von solchen Sendern einladen zu lassen und darüber zu reden. Möglicherweise, man weiß es nicht; das hängt davon ab, wie dann dieses Gespräch geführt wird, was dabei zur Sprache kommt, kann es auch hilfreich sein. Es kann auch sein, dass in diesem Gespräch dann doch noch etwas mehr an selbstkritischer Haltung deutlich wird, als bisher erkennbar war.

    Remme: Herr Strasser, Brigitte Mohnhaupt kommt also frei. Christian Klar hofft auf Gnade. Wir haben eben über die juristischen Unterschiede gehört. Sehen auch Sie diese beiden Fälle unterschiedlich?

    Strasser: Ja, die sind sehr unterschiedlich zu beurteilen. In dem Falle Brigitte Mohnhaupt ist es eine normale, vom Gesetz vorgesehene Überprüfung der Möglichkeit, den Vollzug zu beenden nach den 24 Jahren, die sie dann am 26. März abgesessen hat. Wenn es keine den Abschluss des Vollzugs begründenden Widersprüche gibt, und die gibt es ganz offensichtlich von den zuständigen Stellen nicht, dann ist es rechtsstaatlich geboten, sie tatsächlich unter Auflagen auf freien Fuß zu setzen.

    Im anderen Fall handelt es sich darum, dass die Frist ja noch nicht abgeschlossen ist, die diese normale rechtlich vorgesehene Haftüberprüfung dann notwendig macht. Hier ist die Frage, ob dem Gnadengesuch, das offenbar Herr Klar an den Bundespräsidenten gerichtet hat, entsprochen wird. Das ist eine rechtlich völlig andere Frage.

    Remme: Sollte sie? Noch kurz.

    Strasser: Ich weiß es nicht. Den Fall kenne ich nicht gut genug. Mir wäre wohler, wenn auch in dem Falle nach rechtsstaatlichen Prinzipien verfahren würde.

    Remme: Der Präsident des PEN-Zentrums, Johano Strasser, war das. Herr Strasser, vielen Dank fürs Gespräch.

    Strasser: Bittesehr.