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Peripartale Cardiomyopathie
Herzkrank durch Schwangerschaft

Ein entartetes Still-Hormon, das den Herzmuskel angreift - und vor oder nach der Geburt eine mitunter lebensgefährliche Herzschwäche verursacht: Gynäkologen und Allgemeinmedizinern kennen die Krankheit PPCM häufig nicht. Die Forscherin Denise Hilfiker-Kleiner hat - nach jahrelangen Studien - ein Medikament für die betroffenen Frauen entwickelt.

Von Jutta Rosbach | 30.08.2016
    Eine schwangere Frau hält ihren Bauch.
    Warum scheinbar gesunde junge Frauen kurz vor oder nach der Entbindung eine Herzschwäche entwickeln, ist unklar. (dpa/Fredrik von Erichsen)
    Kurz nach der Geburt ihrer Tochter geht es Annette Duffner plötzlich sehr schlecht. Nicht das Baby hält die 32-jährige nachts wach, sondern ein quälender Reizhusten. Sie kann kaum liegen, hat das Gefühl, dass Wasser in ihrer Lunge ist. Gegen den Husten verordnet ihre Hausärztin Hustensaft. Mehr tut sie nicht.
    "Dann bin ich immer kraftloser geworden und war vier, fünf Mal bei der Ärztin. Jedes Mal hieß es, die Lunge ist frei, weiter Hustensaft nehmen, viel trinken."
    Annette Duffner leidet aber nicht an einem Infekt, sondern an einer lebensgefährlichen Herzschwäche, wie sich später herausstellt, verursacht durch ihre Schwangerschaft. Die Erkrankung namens PPCM lässt sich gut heilen, wenn sie früh erkannt wird. Aber das ist oft nicht der Fall, beklagt die Forscherin Denise Hilfiker-Kleiner aus der Medizinischen Hochschule Hannover.
    Kardiologen kennen die Krankheit, Gynäkologen dagegen weniger
    "Die Kardiologen kennen diese Krankheit ganz gut, aber gerade Gynäkologen, Allgemeinpraktiker haben noch nicht so viel davon gehört.
    Mittlerweile wissen wir, dass es in Deutschland eine von 1.500 Schwangerschaften betrifft."
    Das Problem: die Symptome – Abgeschlagenheit, Wassereinlagerungen, Atemnot, können auch bei anderen Erkrankungen auftreten. Trotzdem sollten Ärzte aufhorchen, wenn junge Mütter daran erkranken, mahnt der Kardiologe Joachim Bauersachs.
    "Insbesondere, wenn's auch nach der Geburt nicht besser wird, dann sollte man an eine Herzschwäche denken."
    Nach drei Wochen ist Annette Duffner so schwach, dass sie als absoluter Notfall in die Medizinische Hochschule nach Hannover kommt.
    Ihre Herzleistung liegt nur noch bei zehn Prozent. Zwölf Tage liegt sie im künstlichen Koma auf der Intensivstation. Warum scheinbar gesunde junge Frauen kurz vor oder nach der Entbindung eine Herzschwäche entwickeln, ist nicht ganz klar. Ein Fünftel der Frauen hat eine genetische Veranlagung für Herzkrankheiten, bei 80 Prozent ist es unklar. Johann Bauersachs:
    "Wir kennen Risikofaktoren, beispielsweise Zwillings-Schwangerschaften oder auch wenn Frauen Bluthochdruck haben während der Schwangerschaft, dann ist das Risiko höher, aber natürlich haben viele Frauen diese Symptome während der Schwangerschaft und entwickeln keine PPCM."
    Bei PPCM spielt Fehlschaltung des Stillhormons Prolaktin eine Rolle
    Die wichtigste Spur dieser Erkrankung hat die Forscherin Denise Hilfiker-Kleiner entdeckt. Bei PPCM spielt eine Fehlschaltung des Stillhormons Prolaktin eine entscheidende Rolle.
    "Das scheint in diesen Patienten gespalten zu werden, dann greift es die Blutgefäße an, ganz massiv, die schicken Faktoren auf den Weg, die den Herzmuskel angreifen und das ist eigentlich der Zentrale Faktor, der die Krankheit auslöst."
    Ein entartetes Still-Hormon, das den Herzmuskel angreift. Die Forscherin Denise Hilfiker-Kleiner hat in jahrelangen Studien einen Ausweg gefunden: Bromocriptin, ein Wirkstoff zum Abstillen, wird in Hannover den schwerkranken Frauen mit PPCM gegeben, offenbar mit Erfolg.
    "Wenn wir Bromocriptin geben, damit das Prolaktin schnell aus dem Blut herausbekommen, zeigt sich bei den meisten Patientinnen eine relativ schnelle Verbesserung, und die können sich auch gut erholen."
    Nach sechs Wochen kann Annette Duffner die Klinik verlassen. Von einer weiteren Schwangerschaft raten die Ärzte in ihrem Fall ab. Wäre das PPCM früher erkannt worden, könnte sie wieder schwanger werden, unter genauer ärztlicher Beobachtung.