Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Pestizideinsatz auf Bananen- und Ananasplantagen
Erschreckende Grenzüberschreitungen

In den Supermärkten findet sich meist nur makellose Ware: goldgelbe Bananen, saftige Ananas oder Avocados. So will es der Verbraucher. Die Arbeitsbedingungen, unter denen diese Früchte hergestellt werden, sind meist weniger schön. Das will die Entwicklungshilfe-Organisation Oxfam ändern und dafür die Supermärkte in die Pflicht nehmen.

Von Thomas Wagner | 27.06.2016
    Eine Ananasplantage im Sueden von Kolumbien. Junge Ananas wachsen heran.
    Eine Ananasplantage im Süden von Kolumbien: Pestizide werden hier zum Teil großflächig eingesetzt. (dpa / picture alliance / Mika Schmidt)
    "Man darf in Deutschland Rohmilch nur auf dem Hof verkaufen. Sonst muss man pasteurisieren."Führung auf dem biologisch-dynamischen Reyerhof in der Nähe von Stuttgart. Das alles ins Spanische übersetzt wird, hat seinen Grund. Unter den Gästen befindet sich ein Mann, Mitte 50, der aufmerksam zuhört: Jorge Acosta aus Ecuador.
    "Ich war Pilot, habe einen sogenannten "Agrar-Bomber” geflogen und damit auf unseren Bananen Pestizide ausgebracht. Auf einer Plantage haben wir damals 18 bis 22 Mal pro Jahr dieses Zeug versprüht."
    Und heute?
    "In diesem Jahr sind es so 40 bis 44 Pestizid-Flüge pro Jahr."
    Längst hat Jorge Acosta seinen Job als Agrarflieger an den Nagel gehängt. Heute steht er an der Spitze von "Astac", einer Art Gewerkschaft für Plantagenarbeiter in Ecuador. Denn das Schicksal derer, die dort arbeiten, lässt ihn nicht mehr los: "Dieses Gift wirkt chronisch, die Folgen dauern über Jahre und Jahrzehnte an: Hautverätzungen, ständige Übelkeit, Krebs. Oftmals ist das Zeug deshalb so gefährlich, weil beim Aussprühen verschiedener Mittel neue Verbindungen entstehen. Und erst die wirken erst so richtig gesundheitsschädlich."
    Pestizide aus deutscher Produktion
    Nach der Studie "Süße Früchte, bittere Wahrheit" von Oxfam gelangen viele solcher Produkte auch in die Regale deutscher Supermarktketten. Und das ist nach Ansicht der Fachleute gleich in mehrfacher Hinsicht problematisch. Da sind zum einen die Rückstände. Werden sie auf den Importbananen entdeckt, darf die Ware zwar nicht verkauft werden. Aber: "Es sind immer nur Stichproben. Es kann gar nicht auf die ganze Breite der Menge, die da kommt, alles untersucht werden. Insofern ist das schon erschreckend, wie speziell aus bestimmten Ländern immer wieder Grenzwertüberschreitungen vorkommen", meint der Stuttgarter Biobauer Christoph Simpfendorfer.
    Daneben sei auch die Politik in Deutschland gefordert. Denn ausgerechnet jene Herbizide und Fungizide, um die es geht, kommen zum Teil aus deutscher Produktion. Sie haben hierzulande zwar keine Zulassung, dürfen aber durchaus hergestellt und exportiert werden. "Das ist eigentlich ein Stück weit schizophren: Für unsere Landwirte, für unsere Bevölkerung stufen wir es als zu gefährlich ein. Aber wir stellen es Menschen in anderen Ländern zur Verfügung für den Einsatz." Deshalb, so Simpfendorfer, müsse auch die Herstellung und der Export solcher Mittel untersagt werden.
    Die Kampagne "Make fruit fair" von oxfam richtet sich dagegen an die großen Einzelhandelsketten. Denn, so Sonja Gündiz, Mitarbeiterin von oxfam: "In der Studie, die Oxfam gemacht hat, wurden Bananenplantagen besucht, die an deutsche Supermärkte liefern. Und dabei wurde festgestellt: Da werden grundsätzliche Arbeits- und Gesundheitsschutzrechte nicht einzuhalten."
    Verbraucher sollten weniger perfekte Bananen akzeptieren
    Deshalb wird der ehemalige ecuadorianische Pestizid-Pilot Jorge Acosta dieser Tage auch mit den Chef deutscher Supermarktketten sprechen. Denn die könnten Druck aufbauen, Geschäftsbeziehungen mit besseren Arbeitsbedingungen auf den Plantagen verbinden, weniger Herbizideinsatz inklusive. "Das Problem ist doch: Immer mehr Supermarktketten drücken die Hersteller im Preis, wollen immer weniger zahlen für Bananen, für Ananas. Und dann ist klar, was passiert: Die setzen dann bei uns auf den Plantagen immer mehr Pestizide ein, um diesem Preisdruck gerecht zu werden. Deshalb ist auch der Verbraucher gefragt: Er sollte ins einer Rolle viel mehr als bisher Druck machen dergestalt, dass die Supermärkte in ihren Verträgen mit den Fruchtlieferanten verbindlich Sozialstandards für die Plantagenarbeiter einfordern, dass sozusagen deren Menschenrechte auch auf den Plantagen akzeptiert werden."
    Dem stimmt auch Sonja Gündiz von oxfam zu. "Also die Verbraucher haben die Tendenz, dass die perfekte Bananen wollen, die nicht ein einziges gelbes Fleckchen hat, die die perfekte Größe haben. Diese Art von Bananen werden eben alle auf großen Plantagen hergestellt, wo alle Bananen uniform sind. Aber das auch einen hohen Pestizideinsatz, damit die Banane so perfekt rauskommt."
    Akzeptieren die Verbraucher hingegen auch die weniger perfekte Banane, könnte der Spritzmitteleinsatz deutlich zurückgefahren werden – und die Gesundheitsbelastungen der Plantagearbeiter ebenso. Auch daran erinnert die Kampagne von oxfam.