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Petersburger Dialog
Mehr Krisenbewältigung als Zukunftsvisionen

Der gefährdete INF-Abrüstungsvertrag, der Krieg in der Ost-Ukraine: Beim Petersburger Dialog in Bonn wird es viel um Krisenbewältigung gehen. Ein weiteres dringendes Thema ist Russlands Liste feindlicher Agenten. Wer dort vermerkt ist, steht unter strengster Beobachtung und muss mit Verhören rechnen.

Von Sabine Adler | 18.07.2019
Eine Flagge mit der Aufschrift "Petersburger Dialog"
Der Petersburger Dialog wird von Krisen überschattet (picture alliance / dpa / Uwe Zucchi)
"Der Petersburger Dialog ist eine Institution, um die Zivilgesellschaften zusammenzubringen, die deutschen und die russische, wenn man sich aber die Tatsachen anschaut, und die politische Entwicklung sowie die administrativen und juristischen Schritte, sieht man, dass es ganz starke Tendenzen gibt, die Zivilgesellschaften auseinander zu dividieren", sagt Stefanie Schiffer, Vorstandsmitglied im Petersburger Dialog.
Als gleichzeitige Vorsitzende der Europäischen Plattform für demokratische Wahlen erlebt sie seit der russischen Präsidentschaftswahl 2018 das genaue Gegenteil von Dialog und Kooperation: Ihre Organisation wurde auf die Liste der feindlichen Agenten gesetzt. Der Ko-Vorsitzende des Petersburger Dialogs, Ronald Pofalla, wird einmal mehr ihre Streichung von dieser Liste fordern - heute in Bonn beim russischen Außenminister Sergej Lawrow, der mit dem deutschen Amtskollege Heiko Maaß das Treffen eröffnet.
"Ich bin für Frau Schiffer und für die EPDE auch informell unterwegs und ich habe den Optimismus, dass wir dieses Problem im Zusammenhang mit dem EPDE in den nächsten zwölf Monaten wegbringen."
Über 70 NGO's stehen auf schwarzer Liste
Weit über 70 Nichtregierungsorganisationen, die Geld vom Ausland bekommen und politisch arbeiten, stehen inzwischen auf der schwarzen Liste. Wer mit ihnen zusammenarbeitet, kann mit bis zu sechs Jahren Haft bestraft werden.
"Das betrifft in erster Linie die Organisationen, die kritisch, auch systemkritisch sind, ökologische. Oder auch, die Legitimationsfragen stellen, also die Wahlbeobachtung. Aber es ist eine Tendenz, die sich in der ganzen Gesellschaft inzwischen entwickelt, dadurch, dass diese Stimmung des Misstrauens, der Angst der Ablehnung des Westens generell in der Gesellschaft geschürt wird. Es gibt Vorbehalte, Kinder ins Ausland zu Schulaufenthalten zu schicken. Diese Ganze Angst vor dem Ausland, die in der Sowjetunion aktiv war, die wird wieder belebt."
Die Gründerin der Umweltorganisation Eco-Zashita, Alexandra Korolewa, floh vor einem Monat aus Kaliningrad ins politische Asyl nach Deutschland.
Das Bild zeigt Alexandra Korolewa von der NGO Eco Zashita Kaliningrad
Alexandra Korolewa befindet sich in deutschem Asyl (Deutschlandradio / Sabine Adler)
"2008 unterschrieb der Gouverneur von Kaliningrad einen Vertrag mit der Atomenergiebehörde Rosatom über den geplanten Bau einem AKW in unserem Gebiet. Dabei haben wir genug Strom! Wir sind eine Enklave, keiner weiß, wohin mit den abgebrannten Brennstäben. Wir haben sofort mit unseren Protestaktionen begonnen. Rosatom wollte das AKW mit europäischen Krediten errichten und den Atomstrom in die EU verkaufen. 70 Prozent der Bevölkerung waren dagegen. Immer wenn Rosatom sagte, dass sie einen Kreditgeber gefunden haben, sind wir in das jeweilige Land gefahren und haben Gespräche geführt. Die Kredite kamen dann nicht mehr zustande. In der EU gab es überhaupt keinen Bedarf nach Atomstrom aus Kaliningrad. 2014 wurde der Bau eingestellt."
Wer kritisiert, wird verhört
Im gleichen Jahr kam Eco Saschita Kaliningrad auf die Liste der Feindlichen Agenten. Statt sich, wie das Gesetz es verlangt, selbst so zu bezeichnen, reichte Alexandra Karalewa Klage beim Europäischen Gerichtshof ein, kämpft gegen die Abschaffung des – wie sie findet – absurden Gesetzes. Fünf Jahre wehrte sie sich, dann kam die Vorladung zum Verhör.
In Rostow am Don sitzt Anastasija Schwetschenko von der dortigen Organisation Open Russia seit Anfang des Jahres im Hausarrest. Mindestens bis zur Eröffnung ihres Verfahrens. Das ist nicht gerechtfertigt, sagt Peter Franck von Amnesty International.
"Amnesty International hat sie als gewaltlose politische Gefangene anerkannt, weil wir eben sagen, es gibt keinen Grund für diese Strafverfolgung. Sie ist ja die Koordinatorin für Open Russia in Rostow am Don. Das ist aber eine russische Organisation, die eigentlich überhaupt nicht unter dieses Gesetz über unerwünschte ausländische Organisationen fällt. Es gibt gleichnamige Organisationen in Großbritannien und in den USA. Und die sind zu unerwünschten Organisationen erklärt worden."
Auch dieser Fall wird heute und morgen beim Petersburger Dialog in Bonn thematisiert werden, der damit wieder mehr Krisenmanagement als Zukunftswerkstatt werden dürfte.