Missverstanden als reaktionärer Preuße oder gar Vordenker des Totalitarismus - es gebe viele "Lügenmärchen" über Georg Wilhelm Friedrich Hegel, sagt der Philosoph Klaus Vieweg. Knapp 250 Jahre nach dem Geburtstag des Schwaben (27. August 1770) versucht er in einer 824-seitigen Biografie aufzuräumen mit Vorurteilen über den "Philosophen der Freiheit".
Vieweg hebt im Dlf-Interview vier Leistungen Hegel'schen Denkens hervor:
1) Frei ist, wer vernünftig handelt
Freiheit bedeute nicht uneingeschränktes, sondern vernunftgebundenes Handeln: "Bei Hegel sind Freiheit und Vernunft immer verknüpft. Zum Beispiel inhumanes Handeln ist für Hegel kein freies Handeln, sondern eben nur willkürliches Handeln." Deutlich werde das beim "sogenannten freien Markt", "weil der Markt natürlich ein Zusammenhang des Willkürlichen ist, der erst vernünftig gestaltet werden muss. Das heißt, die Rede von der Einschränkung etwa des Marktes durch staatliche Gesetze bedeutet nicht Beschränkung der Freiheit, sondern Beschränkung des Willkürlichen."
2) Armut als Grundproblem moderner Gesellschaften
Hegel sei auch "Begründer des Gedankens eines sozialen Staates, der auf den Grundprinzipien von Gerechtigkeit und Bildung beruhen muss", sagt Vieweg. "Hegel hat in der Armut das Grundproblem moderner Gesellschaften gesehen, also in der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich."
3) Vordenker der Nachhaltigkeit
Hegel hat laut Vieweg auch "Grundbausteine für den Gedanken einer naturalen und sozialen Nachhaltigkeit geliefert, unter den Stichworten Sorge und Vorsorge: Sorge für die jetzigen Generationen und Vorsorge für die künftigen Generationen."
4) Frei ist man nicht nur für sich
"Bei Hegel bedeutet Freiheit, dass ich in einem anderen bei mir selbst sein kann - etwa in einer Gemeinschaft der Freundschaft, der Liebe, oder in größeren Gemeinschaften, in denen ich bei mir selbst sein kann, die ich als vernünftige ansehen kann, etwa Gesellschaften oder Staaten."