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PISA-Sonderauswertung
Mädchen sind bessere Teamplayer

Eine Sonderauswertung der PISA-Studie legt das Augenmerk auf die Sozialkompetenz von Schülern. Das Ergebnis ist deutlich: Mädchen sind in allen Ländern besser. Und: Je stärker die soziale Durchmischung, desto größer war die Problemlösungskompetenz im Team. Deutsche Schüler schneiden im internationalen Vergleich sehr gut ab.

Von Christine Habermalz | 21.11.2017
    Schüler einer 5. Klasse der BiL-Privatschule in Stuttgart sitzen an einem Tisch und malen
    Schüler einer 5. Klasse bei einer Gruppenarbeit: Je größer die soziale Durchmischung, desto größer laut PISA-Studie die Problemlösungskompetenz im Team (picture alliance/ dpa/ Uwe Anspach)
    Na, wer hätte das gedacht: Mädchen sind in Sachen Sozialkompetenz und Problemlösen im Team gleichaltrigen Jungen weit voraus. Was auf den ersten Blick wenig überraschend klingt, erfährt doch eine andere Wertung, wenn es empirisch schwarz auf weiß belegt und dann noch von PISA-Papst Andreas Schleicher höchstpersönlich verkündet wird.
    "Wenn wir uns an die 2012er Auswertung erinnern, wo wir ja die individuellen Problemlösefähigkeiten in den Vordergrund gestellt haben, da standen Jungen sehr viel besser da als Mädchen, und das galt für die meisten Länder, aber 2015 bei den sozialen Problemlösekompetenzen waren die Mädchen besser in jedem Land. Und die Leistungsunterschiede sind teilweise enorm!"
    Bis zu zwei Schuljahre Unterschied
    Geht es um das Problemlösen im Team, betragen die Kompetenzunterschiede zwischen Mädchen und Jungen zum Teil bis zu zwei Schuljahren, erläutert Schleicher. Und: Die soziale Herkunft spielt in dieser Disziplin, anders als bei den fachlichen Leistungen in Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften, keine Rolle. Im Gegenteil: Je stärker die soziale Durchmischung der Klasse, desto größer war ihre Problemlösungskompetenz als Gruppe – und zwar quer durch alle teilnehmenden Länder. Die Ergebnisse sind Teil einer Sonderauswertung des PISA-Test 2015, an dem rund 125.000 15-Jährige aus 52 Ländern teilgenommen haben. Deutsche Schülerinnen und Schüler schneiden hier im internationalen Vergleich sehr gut ab - im Gegensatz zum Bildungsmusterland China.
    "China wäre ein Beispiel, das sehr gut bei PISA abgeschnitten hat, aber bei den Sozialkompetenzen nur so im Mittelfeld landet. Auch gilt das für die Türkei, die russische Föderation, Montenegro, Tunesien und so weiter. Auch das sind Länder, wo Schüler relativ gesehen Schwierigkeiten bei dem gemeinsamen Problemlösen haben."
    Getestet wurde in einem neu entwickelten interaktiven Testverfahren, wie die Jugendlichen beim Lösen einer komplexen Aufgabe, die nicht alleine zu bewältigen ist, miteinander kommunizieren und interagieren – dies allerdings am Computer, mit Avataren wie in einem Computerspiel. Das sei nötig gewesen, um die internationale Vergleichbarkeit zu gewährleisten, so Schleicher.
    "Wenn man sich jetzt auf der Nachfrageseite anschaut, welche Kompetenzen sind in den letzten 10, 15 Jahren wichtiger geworden, dann stehen die Sozialkompetenzen an erster Stelle. Und wir wollten deswegen einfach mal sehen, inwieweit Schulen Schüler darauf vorbereiten."
    Länderspezifische Unterschiede
    Deutsche Schulen tun dies offenbar in der Regel mit recht gutem Erfolg. Insgesamt gebe es hierzulande offenbar ein Lernklima, in dem Sozialverhalten gewertschätzt werde und die Unterrichtsform gemeinsames Problemlösen unterstütze, lobte Schleicher. Doch Länder wie Japan, Korea oder Singapur seien den Deutschen auch hier weit voraus. Das hat vielleicht kulturelle Gründe – die Gemeinschaft zählt in diesen Gesellschaften mehr als das Individuum – aber in den japanischen Schulen würde eben auch von Anfang an großen Wert auf soziales Miteinander gelegt, betont Schleicher.
    "Zum Beispiel am Ende des Schultages macht der Lehrer/die Lehrerin das Klassenzimmer mit den Schülern gemeinsam sauber. Oder das Mittagessen wird dort gemeinsam gekocht. Gemeinsames Arbeiten steht immer dort im Vordergrund. Es wird von leistungsstärkeren Schülern erwartet, dass sie leistungsschwächeren Schülern helfen."
    Sollten also auch in Deutschland Schüler und Lehrer künftig öfter gemeinsam putzen? - Warum nicht. Grundsätzlich sei ein gutes und offenes Schulklima enorm wichtig, sagt Schleicher, in dem viele soziale Aktivitäten auch außerhalb des Unterrichts angeboten würden. Mehr Sportunterricht sei gut, denn der fördere den Teamgeist. Und auch wenn der Test als Computersimulation durchgeführt wurde: Jugendliche, die in ihrer Freizeit viel Videospiele spielen, erzielten schlechtere Testergebnisse in sozialer Problemlösung als andere. Egoshooter lassen grüßen.