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Pkw-Maut
"Ein interessanter Vorschlag"

EU-Kommissar Günther Oettinger zeigt sich grundsätzlich offen für das PKW-Mautkonzept von Bundesverkehrsminister Dobrindt (CSU). Nun käme es auf die Details an. Ob die Pläne mit EU-Recht vereinbar seien, müsse nun eine Arbeitsgruppe klären, sagte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk.

Günther Oettinger im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 08.07.2014
    EU-Kommissar Günther Oettinger während einer Pressekonferenz am 24. Juni 2014 in der EU-Kommission in Brüssel, Belgien
    EU-Kommissar Günther Oettinger (dpa picture alliance / Julien Warnand)
    Die EU-Kommission wolle Mobilität diskriminierungsfrei garantieren, sagte Oettinger. Von daher sei das Konzept, die Vignette für In- und Ausländer einzuführen, zu begrüßen. Zugleich sei das Steuerrecht Sache der EU-Mitgliedsstaaten, unterstrich Oettinger mit Blick auf den Vorschlag des Bundesverkehrsministers, die Mautzahlungen von Inländern durch einen Freibetrag bei der Kfz-Steuer voll auszugleichen.
    Nun gelte es, die Details der Maut-Pläne im Detail zu prüfen. "Da müssen Juristen ran von beiden Seiten", sagte Oettinger. Er halte eine Arbeitsgruppe zwischen Berlin und Brüssel für die richtige Ebene, um den Komplex "ohne Vorurteile" zu beraten.

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk-Oliver Heckmann: Ob es Sinn ergibt oder nicht, völlig egal: Jeder Koalitionspartner bekommt das, was er will. Diesen Eindruck jedenfalls kann man als Beobachter der Regierungskoalition bekommen. War es in der schwarz-gelben Regierungszeit die Mehrwertsteuersenkung für Hoteliers, die für anhaltende Kritik sorgte, sind es in der Großen Koalition andere Dinge, die vor den Wahlen versprochen wurden und jetzt umgesetzt werden. Die CDU wollte die Erhöhung der Mütterrente, die SPD die Rente mit 63 für langjährig Beschäftigte. Topthema bei der CSU war die PKW-Maut für Ausländer. Nach monatelangem Hin und Her hat Verkehrsminister Dobrindt gestern wenn schon keinen Gesetzentwurf, so aber Eckpunkte dafür vorgelegt. Das Ganze nennt sich jetzt nicht mehr Maut für Ausländer, sondern Infrastrukturabgabe. 2016 soll sie kommen. Es ist allerdings fraglich, ob dieses Konzept so Bestand haben wird.
    Telefonisch zugeschaltet ist uns jetzt EU-Kommissar Günther Oettinger von der CDU. Guten Morgen, Herr Oettinger!
    Günther Oettinger: Guten Morgen.
    Heckmann: Herr Oettinger, eine PKW-Maut nur für Ausländer darf es ja nicht geben, weil es verboten ist, Menschen wegen ihrer Nationalität zu benachteiligen. Andererseits hat die Große Koalition entschieden, kein Deutscher darf mehr belastet werden. Jetzt sollen also alle auf Deutschlands Straßen zahlen, die Deutschen bekommen ihr Geld über die Kfz-Steuer zurück. Das Ganze könnte man nennen einen Taschenspielertrick, oder?
    Oettinger: Wir haben ja Herrn Dobrindt angeboten, dass wir es im Detail prüfen werden, und Verkehrsabgaben sind für uns eigentlich wichtig. Wir brauchen mehr Geld für die europäische Straßeninfrastruktur, für den Erhalt von Straßen, für den Ausbau von Straßen und für den Neubau von Straßen. Deswegen sind wir wohlwollend und werden jetzt mit unseren Juristen und Fachleuten gemeinsam mit den Experten des Bundesverkehrsministeriums prüfen, wie die Abgabe mit europäischem Recht vereinbar ist, namentlich ob und wie sie diskriminierungsfrei ausgestaltet werden kann. Da werden wir auch Rat geben. Da werden wir nicht alleine als Richter stehen und warten, was aus Deutschland kommt, sondern werden mitarbeiten, dass diese gesetzliche Regelung mit europäischem Recht vereinbar ist.
    Heckmann: Herr Oettinger, Sie wurden dieser Tage im CDU-Präsidium mit den Worten zitiert, schon der Begriff „Ausländermaut" lege nahe, dass es dabei nicht ganz diskriminierungsfrei zugehe. Jetzt heißt die ganze Sache nicht mehr Ausländermaut, sondern Infrastrukturabgabe. Hat sich an Ihren Bedenken damit etwas geändert?
    Oettinger: Es kommt auf die Inhalte an und auf die Details. Das Ganze ist ja ein interessanter, aber komplexer Vorschlag. Die Kraftfahrzeugsteuer hat mit Hubraum zu tun, mit Schadstoffklassen zu tun, und es geht jetzt darum, dass auch dies in die neue Einnahmequelle integriert wird. Das wollen wir im Detail prüfen, da brauchen wir auch ein paar Wochen, da haben wir gestern, wie Sie auch, aus der Pressekonferenz die ersten Details erfahren und wollen die jetzt schriftlich sehen und werden dann konstruktiv mit unseren Experten in einer Arbeitsgruppe mitwirken, ob und dass es geht.
    Heckmann: Sie wollen also den deutschen Verkehrsminister wohlwollend beraten. Gibt es denn aus Ihrer Sicht, Herr Oettinger, eine Möglichkeit, die Ausländer zu belasten und die Deutschen zeitgleich zu entlasten?
    Oettinger: Das Steuerrecht ist Sache der Mitgliedsstaaten. Deswegen sind die Mitgliedsstaaten zunächst einmal völlig frei, ob sie und wo sie eine Steuer erheben, sie ändern und wie die Kriterien sind. Man wird hier auch nicht garantieren können, dass das Steuerrecht auf Dauer die Gegenfinanzierung für einen Autofahrer bedeutet. Künftige Steuergesetzgeber sind genauso frei wie der jetzige Bundestag 2014. Aber genau dies wollen wir im Detail prüfen und da werden wir sicherlich auch Bedenken von Nachbarländern wie Österreich einzubeziehen haben.
    Heckmann: Verkehrskommissar Kallas, der hat mehrfach in den letzten Tagen und Wochen ganz deutlich gesagt, es gehe auf gar keinen Fall, auf der einen Seite die Maut von allen zu erheben und den Deutschen das Geld dann über die Kfz-Steuer wieder zurückzuerstatten, so wie es ja jetzt geplant ist. Gibt es denn überhaupt eine andere Möglichkeit für die EU-Kommission, als diesen Vorschlag zurückzuweisen?
    Oettinger: Im Augenblick geht es uns darum, dass wir beraten, dass wir, weil wir Abgaben für besseren Straßenbau begrüßen, in die Richtung beraten, dass diese neue Abgabe möglich wird. Und wie das dann am Ende aussehen wird und welche Detailregelung dann im Gesetz stehen wird, das kann ich im Augenblick noch nicht abschließend sagen. Deswegen sind wir in unserem Urteil offen und in unserer Beratung sind wir wohlwollend.
    Heckmann: Wie genau müsste denn aus Ihrer Sicht eine PKW-Maut gestaltet sein, damit sie EU-Recht eben nicht verletzt? Welche Kriterien müssen da erfüllt sein?
    Oettinger: Es geht darum, dass jeder europäische Autofahrer gleich behandelt wird. Wir haben einen europäischen Binnenmarkt, wir haben die Freizügigkeit, wir wollen, dass Mobilität diskriminierungsfrei ist. Deswegen ist der Ansatz, dass jeder diese Maut, die Abgabe zahlen soll, richtig. Umgekehrt ist das Steuerrecht Ländersache, Sache der Mitgliedsstaaten. Deswegen kann der Gesetzgeber die Kraftfahrzeugsteuer auch ändern, auch verringern. Aber es darf nicht so sein, dass es eine Messlatte eins zu eins gibt, und dies werden wir prüfen.
    Heckmann: Da werden wir mal sehen, wie diese Prüfung dann ausfällt, denn im Moment sieht es ja danach aus, dass dieser Zusammenhang eins zu eins, wie Sie gerade sagten, hergestellt werden wird.
    Oettinger: Noch mal: Uns liegt jetzt der Text einer Pressekonferenz vor. Wir werden in die nächsten Wochen bereit sein mitzuarbeiten, mit dem Ziel, diese Abgabe europarechtlich möglich zu machen. Da sind Experten bei uns, die haben große Erfahrung. Da müssen Juristen ran von beiden Seiten. Ich glaube, eine Arbeitsgruppe zwischen Berlin und Brüssel ist jetzt die richtige Ebene, um diese Angelegenheiten, ohne Vorurteile zu beraten.
    Heckmann: Gehen wir mal davon aus, Herr Oettinger, dass die Sache durchgeht, dass die Pläne so umgesetzt werden, so oder ähnlich, sage ich mal zumindest. Absehbar ist schon jetzt, dass unsere Nachbarn Deutschlands nachziehen werden. In Österreich wird beispielsweise bereits über eine Ausländermaut diskutiert. Die FPÖ erhebt die Forderungen, eine solche Ausländermaut dann auch einzuführen. Und der CDU-Politiker, also Ihr Parteifreund, Armin Laschet aus Nordrhein-Westfalen, der spricht schon von einem Rückfall in Kleinstaaterei. Ist es das, was die Europäische Kommission haben will?
    Oettinger: Wir haben ja in vielen Mitgliedsstaaten entsprechende Straßenverkehrsabgaben: Italien, Frankreich, Österreich hat das Tickerl, hat die Maut, die von allen zu bezahlen ist. Ich glaube, dass von daher der Trend dahin geht, den Autofahrer entlang der Straßennutzung verstärkt zur Straßenunterhaltung und zum Straßenbau heranzuziehen. Mir schwebt hier allerdings langfristig vor, in einem europäischen Straßensystem irgendwann einmal dann eine europäische Straßenverkehrsabgabe einzuführen. Im Augenblick ist dies noch Zukunftsmusik, Vision. Deswegen können wir akzeptieren und unterstützen es, wenn Länder wie Deutschland neue Wege der Finanzierung suchen, um mehr Mittel für den Straßenbau bereitzustellen, der dann wiederum allen Europäern dient.
    Heckmann: Wir sind gespannt, wie das Ganze weitergeht. Günther Oettinger war das, EU-Kommissar, hier live im Deutschlandfunk. Herr Oettinger, danke Ihnen sehr für Ihre Zeit!
    Oettinger: Gerne! Guten Tag!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.