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Poker um die Übertragungsrechte

Vom 27. August bis zum 4. September 2011 finden im südkoreanischen Daegu die 13. Leichtathletik-Weltmeisterschaften statt. Doch noch ist unklar, ob diese in Deutschland im Fernsehen übertragen werden.

Von Heinz Peter Kreuzer | 26.02.2011
    Das Poker um die Übertragungsrechte für die Leichtathletik-Weltmeisterschaften im südkoreanischen Daegu treibt seltsame Blüten. In einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel, weitere Politiker und die Intendanten wollten 250 deutsche Leichtathleten Druck ausüben, um ARD und ZDF zu einem Abschluss zu zwingen. Die Verantwortlichen der beiden öffentlich-rechtlichen Sender signalisieren zwar Gesprächsbereitschaft, aber ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky weist auf die Sparzwänge hin. 20 Millionen Euro muss der Sport 2011 und 2012 einsparen. Auch der Fußball sei davon nicht ausgenommen.

    "Da haben wir nämlich auf den Einkauf bestimmter Spiele verzichtet, die wir normalerweise geplant hatten. Dabei handelt es sich um Qualifikationsspiele zum UEFA-Cup, die im Sommer gelaufen wären. Darauf haben wir aber samt und sonders verzichtet, haben bei der Produktion eingespart, also bei den Gesamtproduktionen die wir im Jahr abliefern im Sport für das Erste und haben eben uns auch auferlegt, für die Leichtathletik-WM nur bis zu einer gewissen Summe bieten zu können, weil ansonsten der Etat überzogen worden wäre."

    Offizielle Zahlen gibt es nicht, aber nach Medienberichten soll die Forderung des Rechtehändler IEC bei mindestens 15 Millionen Euro liegen, das Angebot der Öffentlich-Rechtlichen bei sechs Millionen Euro. Einen ernsthaften Konkurrenten gibt es in Deutschland nicht, denn kein anderer Sender ist entweder dazu bereit oder in der Lage, die Leichtathletik auf einem entsprechenden Niveau zu präsentieren. Trotz der schlechten Verhandlungslage beharrt IEC auf seinen Forderungen. Die Angelegenheit hat auch eine pikante Note: Denn IEC gehört zum französischen Mischkonzern Lagadere. Dessen Sportrechtetochter strebt die weltweite Marktführerschaft an und hat der Europäischen Rundfunk-Union EBU mit überteuerten Rechteeinkäufen den Fehdehandschuh hingeworfen. So hat IEC 80 Millionen Euro für die Fernsehrechte an den Leichtathletik-Weltverband gezahlt und versucht nun, sich das Geld zurückzuholen, unter anderem bei den EBU-Mitgliedern ARD und ZDF. Axel Balkausky:

    "Für die Leichtathletik-WM haben wir ein sehr hohes Angebot abgegeben, höher als bei allen anderen Sportrechten, die wir im Augenblick erwerben und haben aus den eben genannten Spargründen uns einfach ein Limit setzen müssen. Über diese Grenze können wir nicht hinausgehen. Wir haben immer betont, das wir live übertragen wollen, wie wir es auch in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gemacht haben, weil die Leichtathletik auch derzeit ein wichtiges Kernrecht der Olympischen Spiele und auch für uns ein wichtiges Recht ist."

    In der deutschen Leichtathletik-Szene gärt es trotzdem weiter. Für Günter Eisinger, Manager und Trainer der Weltklasse-Hochspringerin Ariane Friedrich und seit Jahrzehnten ein profunder Kenner der internationalen Szene, ist das Interesse an der Leichtathletik immer noch vorhanden. Er sieht zwar die Lage von ARD und ZDF, meint aber:

    "Andererseits muss man sagen, was heute das öffentlich-rechtliche Fernsehen für Boxveranstaltungen bezahlt, für Wintersportveranstaltungen bezahlt, und wie viel Stunden tatsächlich sowohl im Boxen als auch im Wintersport gesendet werden, dann muss man sagen, ist die Leichtathletik wirklich nicht mehr so repräsentiert wie sie es eigentlich verdient hätte als eine der Kernsportarten aus dem olympischen Konzept."

    Der Ärger der Leichtathleten sei verständlich, und anderen Sportarten gehe es genauso, beklagt Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes.

    "Gleichwohl würden wir uns auch wünschen, dass die anderen Sportarten, also der ganze Spitzensport in seiner ganzen Breite, mehr in den öffentlichen Programmen vorkäme. Das gilt ganz besonders für die dritten Programme, die regionalen Fenster, die wir dort haben. Ich glaube, dass diese Sportarten ihr Publikum finden."

    ARD-Sportkoordinator Balkausky kann diese Argumentation nicht mehr hören. Er verweist auf eine interne ARD-Statistik:

    "Nun muss man erst einmal sagen, der Gesamtanteil des Sports im Ersten, und davon rede ich zuerst einmal, ist acht Prozent. Auf diesen Programmplätzen zeigen wir in normalen Jahren 16 bis 20 Prozent Fußball in einem Jahr wie dem letzten, wo eine große Fußball-WM stattgefunden hat, 25 Prozent waren nur Fußball. Die anderen 75 Prozent sind vor allem olympische Sportarten, wir zeigen über 50 Sportarten im Jahr im Ersten, mit den Dritten sind es zusammen 80 Sportarten, die in der ARD abgebildet werden."

    Vor allem die Wintersport-Verbände haben ihre Hausaufgaben gemacht. Hier sind die Termine aufeinander abgestimmt und Wettkampfformen quasi für das Fernsehen gemacht.

    "So können starke Sportarten wie Biathlon, Skispringen oder auch Ski alpin andere Sportarten, die alleine nicht so erfolgreich wären, mitziehen und damit erreichen wir 20 Prozent Marktanteil."

    Das Gleiche erwartet Balkausky auch von den Sommersport-Verbänden.

    "Wir reden seit einigen Monaten oder schon länger mit den Verbänden und bitten sie, ihre Kalender besser aufeinander abzustimmen. Am Sonntagnachmittag ein einzelnes Sportevent abzubilden, ist für die Zuschauer nicht mehr so leicht auffindbar. Insbesondere die Sommersportarten haben da größere Probleme und sind da auch wahnsinnig unflexibel. Wir stellen immer mehr fest, das im Sommer bei der Übertragung von Einzelevents die Zuschauer immer mehr weg bleiben."

    Jetzt reagieren die Kritisierten: So plant der Deutsche Ruder-Verband Gespräche mit anderen Sommersport-Verbänden, um die Wettkampftermine zu synchronisieren. Außerdem sollen fernsehkompatible Wettkampfformen geschaffen werden.