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Polenz fürchtet Flächenbrand in Zentralafrika

Der CDU-Politiker Ruprecht Polenz warnt vor einem Übergreifen der Gewalt aus dem Tschad auf Nachbarländer. "Die Region insgesamt ist nicht besonders stabil, und insofern besteht natürlich die Gefahr, dass eine Eskalation des Konflikts im Tschad zu einem weiteren Flächenbrand führen könnte", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag.

Moderation: Sandra Schulz |
    Sandra Schulz: Vieles spricht dafür, dass es nur die Ruhe vor einem neuen Sturm ist. Gestern hatten sich die Rebellen aus N'Djamena zurückgezogen, aber Tausende von Zivilisten sind im Tschad auf der Flucht ins Nachbarland Kamerun, angesichts der schweren Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen in den vergangenen Tagen. Die Aufständischen wollen Präsident Déby stürzen, gestern drohten sie eine neue Offensive an, sobald die Zivilisten in Sicherheit sind.

    Über die Konsequenzen möchte ich nun sprechen mit Ruprecht Polenz (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. Guten Morgen!

    Ruprecht Polenz: Guten Morgen, Frau Schulz!

    Schulz: Herr Polenz, 3700 Soldaten sollten in den kommenden Monaten im Rahmen der EUFOR-Mission im Tschad stationiert werden. Bleibt es trotz der Eskalationen dabei?

    Polenz: Nun, an dieser EUFOR-Mission, dass vielleicht zunächst gesagt wird, Deutschland sicher nicht beteiligen, das hat die Bundesregierung von Anfang an klargemacht. Und Solana hat sich gestern in einer Richtung geäußert, dass er an der Mission gerne festhalten möchte.

    Schulz: Aber wie groß ist die Gefahr, dass die Truppen da zwischen die Fronten geraten? Sie sollen sich, das ist gestern auch wieder betont worden, eigentlich raushalten, aber wie gut kann so ein Raushalten klappen?

    Polenz: Nun gut, ein faktisches Raushalten wird natürlich schon deshalb nicht gehen, weil ein Auftrag ja auch sein soll, die Grenze zum Sudan zu überwachen. Und der Sudan ist wiederum ein Rückzugsgebiet für die tschadischen Rebellen, so dass sie von ihrem Rückzugsgebiet abgeschnitten werden oder aber von der erneuten Infiltration des Sudan. Also man nimmt natürlich Einfluss durch eine solche Truppe. Und Sie haben auch Recht, die Situation ist im Augenblick sehr unübersichtlich. Deshalb rechne ich nicht damit, dass es ohne Verzögerungen zu der Mission kommen wird.

    Schulz: Welche Voraussetzungen müssen stehen, damit die Mission ohne Gefahren, auch ohne die Gefahr zu scheitern, stationiert werden kann?

    Polenz: Das ist schwierig zu beurteilen, denn die Lage ist unübersichtlich. Es ist nicht nur Tschad und Sudan von dem Aufstand im Augenblick betroffen. Der Innenminister der tschadischen Regierung wirft ja ganz offen dem Sudan vor, die Rebellen zu unterstützen. Überhaupt muss man sich ja die Situation so vorstellen, dass der Sudan dem Tschad vorwirft, die Rebellen in Darfur zu unterstützen, und der Tschad dem Sudan, die Rebellen im eigenen Land. Also es ist auch ein Konflikt zwischen zwei Ländern, der über jeweils Rebellenorganisationen ausgetragen wird, jedenfalls in der Wahrnehmung der beiden Regierungen. Und auch andere afrikanische Länder mischen sich ein. Also Gaddafi spielt ein Spiel, wo er den tschadischen Regierungschef, man könnte auch Diktator sagen, Debré unterstützt. Also es ist unübersichtlich, es wird in jedem Fall eine schwierige Mission für die Europäer, wenn sie denn stattfindet.

    Schulz: Und inwieweit spielen Eigeninteressen der Franzosen eine Rolle. Unabhängig von der geplanten EUFOR-Mission sind französische Soldaten ja im Tschad schon stationiert. Besteht die Gefahr hier einer Interessenvermischung?

    Polenz: Frankreich hat seit 1976 mit einer militärischen Vereinbarung abgesichert Stützpunkte im Land, es ist auch an der Ausbildung der tschadischen Streitkräfte beteiligt. Und von Anfang an war, nachdem die Franzosen sich sehr für diese EUFOR-Mission eingesetzt haben, dieser Vorwurf im Raum, man wolle nur Unterstützung Europas zur Absicherung eigener Interessen. Ich glaube, dass natürlich auch die Europäische Union ein Interesse insgesamt daran hat, dort nicht einen neuen schwelenden Konflikt zuzulassen.

    Auf der anderen Seite ist es sicherlich so, dass Frankreich besondere Interessen im Lande hat, auch den Herrscher Debré stützt. Das tun im Grunde auch die Erklärungen der Afrikanischen Union und des Weltsicherheitsrates, der sich noch nicht zu einer hat durchringen können. Die Afrikanische Union hat den gewaltsamen Umsturzversuch verurteilt. Das muss man sicherlich auch tun. Auf der anderen Seite darf man aber auch nicht übersehen, die Herrschaft von Debré ist alles andere als demokratisch zustande gekommen, und er hat das Land auch ziemlich heruntergewirtschaftet.

    Schulz: Und inwiefern kann die EUFOR-Mission, in der ja die Franzosen auch den größten Teil stellen sollen, sich den Menschen vor Ort, auch den Rebellen, als unparteilicher Part in dieser Situation zeigen?

    Polenz: Die Franzosen selbst bemühen sich ja im Augenblick auch, nicht als Partei in diesem Konflikt zu erscheinen. Sie haben nicht aufseiten von Debré offen in die Kämpfe eingegriffen. Allerdings haben bisher, es ist ja der fünfte Putschversuch, der jetzt stattfindet seit wenigen Jahren, die Franzosen den Regierungstruppen mit Luftaufklärung über die Stärke der Rebellen und wo sie sich befinden geholfen. Und auch jetzt wird gesagt, dass der Flughafen, den die französischen Truppen freihalten, dass er auch benutzt wird nicht nur zur Evakuierung von Ausländern und Flüchtlingen, sondern dass er auch benutzt wird von den Kampfhubschraubern der Regierung, um sich gegen die Rebellen zu wenden.

    Also ein Raushalten ist objektiv außerordentlich schwierig. Den Konflikt einzudämmen, den Umsturzversuch zu beenden und dann natürlich irgendwie auch einmal Einfluss auf dieses Land zu nehmen, dass dort die Regierung besser wird im Sinne der Menschen, das ist eine sehr schwierige Aufgabe. Und EUFOR soll dazu beitragen. Das ist das Ziel. Aber wie gesagt, die Bundesregierung hat aus einer ganzen Reihe von Gründen beschlossen, dass Deutschland sich an diesem Einsatz nicht beteiligen wird.

    Schulz: Wie groß ist Ihre Sorge, dass die Eskalation zu einer Destabilisierung der gesamten Region führt?

    Polenz: Die muss man schon deshalb haben, weil natürlich im angrenzenden Sudan, wir reden über Darfur, schon seit Langem ein sehr blutiger Konflikt stattfindet. Wir haben im Sudan im Süden auch noch den latenten Konflikt mit einer Bewegung, die den Südsudan vom Norden lösen will und wo das Friedensabkommen in ein paar Jahren eine Volksabstimmung über diese Frage vorsieht. Die Region insgesamt ist nicht besonders stabil, und insofern besteht natürlich die Gefahr, dass eine Eskalation des Konflikts im Tschad zu einem weiteren Flächenbrand führen könnte. Also die Situation ist gefährlich. Wir müssen vielleicht stärker auch auf die Afrikanische Union setzen, dass die mit Unterstützung der Europäer politisch versucht zu vermitteln, aber eben auch irgendwann einmal besser in der Lage ist, bei solchen Konflikten dann selber auch mit Truppen deeskalierend zu wirken.

    Schulz: Ruprecht Polenz, CDU-Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch.

    Polenz: Bitteschön, Frau Schulz.