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Politikerin fordert gemeinsame Linie gegenüber ETA

Engels: Frau Dührkop, was bedeutet dieser Anschlag für Spanien?

Moderator: Silvia Engels |
    Dührkop: Ich glaube, dass das für Spanien bedeutet, dass wir leider wieder mal sehen müssen, dass ETA versucht, die spanische Demokratie tödlich zu treffen. Vielleicht hatten wir in letzter Zeit doch das Gefühl, dass ETA langsam aber sicher an Tötungskraft verliert, aber das haben wir heute bitter und schmerzhaft erfahren müssen, dass das nicht der Fall ist. Insofern ist ETA wieder in den Wahlkampf eingetreten, wie sie es oft gemacht hat.

    Engels: Sie vermuten also auch ETA hinter den Anschlägen und einen Zusammenhang zu den bevorstehenden Parlamentswahlen?

    Dührkop: Ich habe überhaupt keine Zweifel, dass es ETA ist. In Spanien ermordet nur ETA seit Jahren. Wenn man einen Rückblick der letzten 20 Jahren macht, findet man viele Male, wo ETA am Donnerstag oder Freitag vor den Wahlen getötet hat. Das ist eine richtige Strategie. Ich bin selber Terroristenopfer, und mein Mann wurde auch an einem Donnerstag vor den Wahlen umgebracht. Da stand er als Spitzenkandidat auf der Wahlliste.

    Engels: Die ETA hat in den vergangenen Jahren nach wie vor gebombt – Sie haben es angesprochen. Allerdings wurden die Anschläge weniger und sie forderten weniger Opfer. Warum nun ausgerechnet diese Eskalation?

    Dührkop: Also ich meine, ETA hat ja viele Attentate, die diesem Attentat ähneln, allerdings mit weniger Opfern – das ist richtig. Aber der Plan, ein solches Bombenattentat zu begehen, würde ich sagen – wenn man spekulieren könnte -, dass es damit zusammenhängt, dass die Polizei und die Politik in letzter Zeit gegen ETA sehr große Erfolge gehabt hat und dass es nur ein Aufruf von der ETA ist, zu sagen, wir sind noch da, und wir sind noch in voller Kraft da. Vor zwei Monaten wurden zwei ETA-Mitglieder mit Bomben, die sie nach Madrid transportieren wollten, in Burgos festgenommen. Insofern glaube ich, wenn man das überhaupt vermuten kann, dass die Botschaft ist, wir sind noch in voller Kraft da.

    Engels: Sie haben es angesprochen, die regierenden Konservativen haben einen harten Kurs gegenüber der ETA gefahren. Sozialistische Politiker standen manchmal auch eher für einen Verhandlungskurs. Was wird das jetzt für die Ausrichtung der Politik in Spanien bedeuten?

    Dührkop: Ich vermute und hoffe, dass man jetzt sagen wird, dass nicht nur ein Härtekurs jetzt gefahren wird, sondern dass die demokratischen Parteien sich mit den nationalistischen Demokraten an einen Tisch setzen und besprechen, wie man vorangehen kann. Es gab ja leider in letzter Zeit keine gemeinsame Linie von allen demokratischen Parteien, wie man das Problem ETA behandeln soll. Meine Hoffnung ist, dass dieses Attentat wenigstens das als Ergebnis haben wird, dass man sich jetzt erst mal an denselben Tisch setzt und schaut, wie man weitergeht.

    Engels: Sie sprechen davon, dass man weitergeht, möglicherweise auch auf die Basken zu. Nun wurde ja gerade erst im letzten Jahr die Baskenpartei Batasuna, der die ETA immer zum Vorwurf gemacht wurde, verboten. Sollte man da noch mal darüber nachdenken oder war das letztlich der einzig mögliche Schritt?

    Dührkop: Absolut nicht darüber nachdenken. Das sieht man in jedem demokratischen Staat, auch in Deutschland. Verfassungswidrige Parteien, die beweisbar mit Terroristen zusammenarbeiten, haben keinen Platz im demokratischen Raum. Da möchte ich ein absolutes Nein sagen. Da gibt es kein neues Überlegen. Aber es gibt ja andere Parteien, die nationalistisch denken, bei denen die Regierung absolut auf Konfrontationskurs ist. Zum Beispiel spricht der Regierungschef Aznar überhaupt nicht mit dem baskischen Regierungschef. Da, glaube ich, müsste man sich etwas anderes ausdenken.

    Engels: Das heißt, die gemäßigten baskischen Parteien stärken?

    Dührkop: Genau. Auf jeden Fall mit einbeziehen und mit denen sprechen. Könnten Sie sich vorstellen, dass ein Stoiber mit dem Schröder nicht spricht? Das wäre ein bisschen undenkbar. Das wäre ein Beispiel dafür, was in Spanien vorgeht. Der baskische Regierungschef spricht nicht mit dem spanischen Regierungschef und umgekehrt.

    Engels: Das ist die politische Ebene. Erwarten Sie auch Folgen für das alltägliche Zusammenleben zwischen Basken und Spaniern?

    Dührkop: Ich glaube, da ist es wohl etwas schwieriger. Es gibt ja schon einen ziemlichen Baskenhass im Rest von Spanien, und da ist noch viel zu bewirken. Sie müssen auch dazu wissen, dass wir Parteimitglieder oder diejenigen, die einen Posten haben, und nicht der nationalistischen baskischen Partei angehören, unter Polizeischutz stehen, weil wir alle von ETA bedroht sind. Das heißt also, da muss man noch sozusagen sehr viel in der Bevölkerung verarbeiten, dass wir auch als Bevölkerung etwas beitragen können, indem wir uns gegen ETA einigen.

    Engels: Sehen Sie in diesen fürchterlichen Anschlägen möglicherweise den Keim dazu, dass die Gemäßigten auch wieder aufeinander zugehen in diesem Konflikt?

    Dührkop: Sagen wir es mal so: Ich möchte es sehen.

    Engels: Vielen Dank für das Gespräch.