Donnerstag, 28. März 2024

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Politische Floskeln
"Das klingt wie 'Make Kita good again'"

Erst das "Gute-Kita-Gesetz" und jetzt auch noch die "Respekt-Rente": Die Bundesregierung versucht im Moment, mit sprachlichen Mitteln Schönwetter zu machen. Die gewählten Begriffe seien aber plump und banalisierend, sagte der Buchautor und Journalist Stephan Hebel im Dlf.

Stephan Hebel im Gespräch mit Bettina Schmieding | 05.02.2019
    Bundesfamilienministerin Franziska Giffey stellt "Gute-Kita-Gesetzes" in Berlin vor.
    Politiker wie Familienministerin Franziska Giffey (SPD) greifen bei Gesetzesvorstößen gerne zur Floskel (imago/photothek/Florian Gaertner)
    Bettina Schmieding: Nicht erst seit Donald Trump, aber vor allem seitdem es der Milliardär zum US-Präsidenten gebracht hat, reden wir über "Framing". Wenn Trump sagt, dass die Flüchtlinge als "Karawane" gen Norden ziehen, wenn er von "Fake News" spricht oder davon, dass die Ermittlungen gegen ihn einer "Hexenjagd" gleichen, dann setzt er etwas in den Gehirnen seiner Zuhörer frei. Einen Deutungsrahmen, nämlich, Englisch: einen frame. Im Wahlkampf hätte Trump sagen können, Hillary Clinton ist eine schlechte Präsidentschaftskandidatin, weil sie nicht rechnen kann. Gesagt hat er aber, "Hillary Clinton ist eine Betrügerin".
    In beiden Fällen geht es um Kritik an Hillary Clinton, aber im Gehirn wird ein unterschiedlicher Effekt erzielt. "Framing" funktioniert auch mit guten Botschaften. Als Franziska Giffey Bundesfamilienministerin wurde, arbeitete ihr Ministerium gerade am "Kita-Qualitäts-Entwicklungs-Finanzierungsgesetz". Daraus machte sie das "Gute-Kita-Gesetz". Bundesarbeitsminister Hubertus Heil geht gerade mit der "Respekt-Rente" an den Start. Man könnte auch "Grundrente" sagen, aber das wäre nicht neu und klingt nicht so gut.
    Stephan Hebel hat vor drei Jahren, also bevor "Framing" modern wurde, ein Buch vorgelegt. Das heißt "Gute-Macht-Geschichten", ein Buch, das die Absichten hinter der Politikersprache zeigen will. Was meinen Politiker eigentlich, wenn sie Frames setzen?
    Stephan Hebel: Ja, ich glaube, die versuchen wirklich jetzt, ihre Panik vor dem Populismus dadurch zu bearbeiten, dass sie, wie ich befürchte, eigentlich ganz ähnliche Mittel einsetzen. Indem sie nämlich das, was sie an Politik machen oder vorhaben, auf eine ganz gefährliche Weise banalisieren. Dass politische Vorhaben beschönigt werden, auch das ist ja "Framing", das kennen wir schon lange. Wir kennen die "Ankerzentren", die ja in Wirklichkeit Sammellager sind, und wo es dann heißt, so "Ankerzentren", das klingt ja wie sicherer Hafen. Frau Merkel spricht von der schwäbischen Hausfrau, wenn sie sparen will, obwohl der Staat etwas ganz anderes ist als die schwäbische Hausfrau und so weiter und so fort. Ich warte schon noch darauf, dass der Wehr-Etat demnächst in "Hier-schießen-die-Guten"-Gesetz umbenannt wird. Ich glaube wirklich, dass man dem Populismus nicht beikommt, indem man politische Vorhaben in einer so, wie ich finde, plumpen Weise banalisiert, wie es ein Begriff wie "Gute-Kita-Gesetz" aussagt. Das ist plump und absurd für meine Begriffe.
    "Das ist auch so eine Trump-Art"
    Schmieding: Aber kann uns, Herr Hebel, denn eine umständliche Amtssprache lieber sein? Das ist doch eigentlich gut, wenn uns die Politik erklärt, was wir wissen müssen.
    Hebel: Also es wäre ja sehr schlecht um die deutsche Sprache bestellt, wenn es zwischen - Sie haben den alten Titel des "Gute-Kita-Gesetzes" genannt, ich kann ihn nicht auswendig - wenn es zwischen solchen Formulierungen und solchen Banalisierungen wie dem "Gute-Kita-Gesetz" nicht noch Mittelwege gäbe. Wenn Frau Giffey mehr Kita-Plätze schaffen möchte, dann kann sie das Gesetz auch "Mehr-Kita-Plätze"-Gesetz nennen. Aber gute Kita - dieses "wir sind die Guten", das klingt ja wie "Make Kita good again". Das ist auch so eine Trump-Art zu sprechen.
    Schmieding: Ist das Manipulation?
    Hebel: Ich finde schon. Man versucht für sich, moralisch besetzte Begriffe wie "gut" oder "Respekt" zu monopolisieren. Ich frage mich da manchmal: Hat man vorher keinen Respekt gehabt? Hat man vorher keine guten Kitas gemacht? Das hat so einen moralischen Absolutheits-Anspruch, den ich für manipulativ halte. Und die sollen bitte nicht glauben, dass sie damit Leute, die an der Politik zweifeln, zurückgewinnen. Ich finde, das ist so absurd, dass man eher die Abwehr gegen die politischen Eliten noch verstärkt damit. Und das ist der ernste Teil, den ich wirklich für problematisch halte.
    Politik sollte "Manipulation nicht nötig haben"
    Schmieding: Aber warum regen wir uns so auf? Politik ist doch Manipulation.
    Hebel: Politik ist Manipulation. Dass Politik manipuliert, daran haben wir uns gewöhnt. Aber ich habe Politik immer so verstanden, dass sie versucht, Lebensverhältnisse für Menschen zu verbessern. Und wenn sie das tut, dann brauche ich mir keine Labels auszudenken, die an eine Showsendung bei RTL II erinnern - ich hoffe, ich beleidige jetzt keinen Sender. Dieses Maß und diese Form an Manipulation dürfte Politik, wenn sie die Verhältnisse in der Kita oder bei der Rente wirklich verbessert, eigentlich überhaupt nicht nötig haben. Sie könnte ja auch überlegen, ob sie mal wieder durch Inhalte überzeugen kann.
    "Es ist ein fast aussichtsloser Kampf"
    Schmieding: Welche Rolle spielen eigentlich die Medien in dieser Geschichte? Spielen die Medien dem "Framing", dem Populismus in die Hände, indem sie alles aufgreifen und zu ihren eigenen Begriffen machen?
    Hebel: Ja, wenn Sie mir diese Nestbeschmutzung erlauben: Ich sehe eine solche Tendenz. Wenn Sie mal beobachtet haben, wie bei den "Ankerzentren" von Herrn Seehofer von Tag zu Tag die Anführungszeichen verschwunden sind und wie dieser Begriff, als wäre er ein neutraler Fachausdruck, auch in die Berichterstattung eingegangen ist. Da würde ich mir oft wünschen, dass man hinter die Sprachschöpfungen, die Politik mit dem Interesse des Manipulierens findet, dass man da ein bisschen mehr dahinter gucken würde. Ich führe in den Redaktionen, wo ich gelegentlich tätig in, einen großen Kampf gegen das Wort "Hilfe", wenn es um Kreditprogramme für Griechenland geht, die dazu da sind, den Finanzmarkt zu retten. Es ist ein fast aussichtsloser Kampf und ich finde, wir als Journalistinnen und Journalisten hätten die verdammte Verpflichtung, hinter diese Begriffe immer und immer wieder zu gucken. Auch, wenn wir wenig Zeit haben.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.