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Pollenflug in Echtzeit
Infosystem für Allergiker

Hasel, Birke, Gräser: Wenn Pollen fliegen, merken Allergiker das als erste. Bislang orientieren sie sich an der Pollenflugvorhersage des Deutschen Wetterdienstes. Informationen in Echtzeit dagegen verspricht nun in Bayern das Elektronische Pollen-Informationsnetzwerk.

Von Susanne Lettenbauer |
Pollen vom Hasel fliegen bei Temperaturen um 12 Grad Celsius durch eine Parkanlage im Bezirk Mitte.
Pollen vom Hasel machen Allergikern zu schaffen (Wolfgang Kumm/dpa)
"Wir befinden uns hier oben auf der sogenannten Messterrasse des Karlsruher Instituts of Technologie."
Mit einer weiten Armbewegung zeigt Hansjörg Wiesböck vom Gesundheitsamt Garmisch auf einen Kühlschrankgroßen Apparat vor ihm und die umliegenden Wiesen und Wälder ringsum bis hin zur nahegelegenen Zugspitze. Kiefer, Birke, Gräser, Tanne – rund um das Dach der Forschungsstation Garmisch-Partenkirchen fliegt nahezu das ganze Jahr das, was Allergikern den Atem raubt. Doch wann genau welche Pollen in welchen Mengen in der Luft sind, musste bisher umständlich manuell mit Pollenfallen analysiert werden. Der Kühlschrankgroße Apparat des neuen Elektronischen Pollen-Informationsnetzwerkes, kurz ePin, erledigt das ab sofort digital, erklärt Gesundheitsexperte Wiesböck:
"Also gesammelt wird es im Abstand von mehreren Stunden, da wird gewissermaßen über eine gewisse Zeit die Luft der Umgebung eingesaugt und dann auf einem Messträger platziert. Dazwischen geschaltet sind noch mehrere Filter, um letztendlich sicherzustellen, dass nur Pollen und keine sonstigen in der Luft befindlichen kleinen Schwebstoffe mit hineingesogen werden, um die Messung möglichst präzise gestalten zu können."
Die eingesaugten Pollen werden auf kleinen, klebrigen Messplättchen fixiert, erwärmt und verteilen sich gleichmäßig unter einem Mikroskop. Spezielle Kameras fotografieren die Pollen, analysieren und schicken die Ergebnisse online an einen zentralen Rechner. "Ein Messzyklus dauert komplett drei Stunden, das heißt in diesem Messzyklus erfolgt das Beimpfen, das Weitertransportieren, die Analytik und dann das Abwerfen des benutzten Plättchens."
Das Einsaug-Geräusch ist deutlich zu hören. Rund um die Uhr soll so ab diesem Frühjahr der Ist-Zustand des Pollenflugs für Betroffene und Forscher auf einer Webseite zur Verfügung gestellt werden. "Letztendlich ist es für denjenigen, der pollensensibel ist und dadurch auch Beeinträchtigungen erfährt, zum Beispiel möglich, dass er seine Joggingzeit anpasst."
Polleninformationen in Echtzeit und nicht nur als Prognose
Mit Hilfe des ePin, dem Elektronischen Pollen-Informationsnetzwerk, erhofft sich das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) genaue Daten über in der Luft befindliche Pollen, den genauen Blühzyklus von Bäumen und eventuelle Veränderungen durch den Klimawandel, so Caroline Herr, LGL-Expertin. Der Unterschied zu herkömmlichen Messungen:
"Da hat man alle drei Stunden neue Werte. Das ist keine Prognose, sondern nahezu Echtzeit. Was im Moment gerade fliegt soll erfasst werden, möglichst repräsentativ und flächendeckend für Bayern."
Das ePin-System sei lernfähig, erklärt Projektleiterin Herr. Neuartige Pollenarten, die durch den Klimawandel in den kommenden Jahren häufiger auftreten könnten, werden parallel von Forschern analysiert, kategorisiert und in die Software eingespeist.
"Die Allergiker erfahren relativ schnell, was gerade fliegt. Sie können sich dann überlegen, ob sie ihre Medikamenteneinnahme anpassen, ob sie bestimmte Aktivitäten anpassen. Man erhofft sich eine Verbesserung im Hinblick auf Lebensqualität, letztendlich auch Arbeitsfähigkeit und natürlich letztendlich auch eine weniger starke Inanspruchnahme des Gesundheitssystems durch Notfallbesuche und ähnliches."
Geplant ist eine App mit Push-Funktion bei Pollenflug
Momentan sind sechs der acht elektronischen Pollenmonitore in ganz Bayern verteilt - in den Landkreisen Altötting, Garmisch-Partenkirchen, Hof, Marktheidenfeld, Mindelheim und Viechtach. Geplant sind im ersten Halbjahr 2019 noch Standorte in München und Feucht bei Nürnberg. Mit Hilfe des ePin-System erhofft sich das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit außerdem Daten für die bayerische Klimaanpassungsstrategie, ein Maßnahmenpaket des Freistaats, das bei der Analyse und Stabilisierung der biologischen Vielfalt und Ökosysteme in Bayern, aber auch ganz Europas helfen soll.
Der Mehrwert für Betroffene: Für die Zukunft ist eine Smartphone-App geplant, die bei Pollenflug auch Push-Meldungen verschicken kann. Der Nutzer kann die Pollen in der App personalisieren, auf die er besonders stark reagiert. Aber momentan muss man sich noch mit der Onlineversion zufrieden geben.