Archiv


Polnische Oppositionsbewegung zerlegt sich selbst

Von der schwindenden Popularität des polnischen Premierministers Donald Tusk profitierte bei der letzten Wahl besonders die radikal-liberale Palikot-Bewegung. Doch jetzt sorgt der Rauswurf ihrer Parteikollegin, der Vizemarschallin und Frauenrechtlerin Wanda Nowicka, für Negativschlagzeilen.

Von Sabine Adler |
    Möglichst unbemerkt sollte der Vorgang vonstatten gehen: die Marschallin des Sejm, Ewa Kopacz, genehmigte sich und ihren Stellvertretern eine Prämie von 45 bzw. 40.000 Zloty, fast 10.000 Euro. Als die Sache publik wurde, war die Aufregung groß, Sonderzahlungen in Krisenzeiten! Die öfter ungeschickt agierende Parlamentspräsidentin saß in der Klemme, doch kein geringerer als ihr Ministerpräsident und Parteifreund Donald Tusk half ihr heraus. Urplötzlich richtete sich die Aufmerksamkeit auf die Vize-Marschallin Wanda Nowicka von der Bewegung Palikot. Nicht die politischen Gegner, sondern die eigenen Fraktion nahm sie in die Zange, verlangten, ihre Prämie zurückzuweisen. Was sie erst zusagte, schließlich aber doch nicht tat. Zu Strafe schloss ihre Fraktion sie aus. Nicht nur von einer Intrige ist nun die Rede, sondern von einer politischen Vergewaltigung, ein Vergleich, der der in Polen berühmten Frauenrechtlerin dann doch unpassend erschien.

    Wanda Nowicka: "Ich bin jetzt eine unabhängige Abgeordnete in einer schweren Situation, aber das mit einer Vergewaltigung zu vergleichen, ist inakzeptabel und zeigt das Verhältnis von Palikot zu Frauen."

    Ihr eigener Parteichef, Janusz Palikot, dessen Namen die Partei trägt, fuhr die schwersten Geschütze von allen auf. Der Unternehmer, der sein Geld mit der Herstellung von Obstschnaps verdient, agiert häufig schrill, mal mit einem Dildo, mal mit einem Schweinekopf: Dieses Mal nannte er Wanda Nowicka, die für seine Partei bei der Wahl 2011 antrat und ihm viele Stimmen bescherte, eine politische Hure, nicht aus Versehen.

    Janusz Palikot: "Wir werden die Hurerei in der Politik bekämpfen. Ich ekele mich nicht vor diesem Wort. Viele Menschen in Polen verstehen sehr gut, was das Sejm-Präsidium gemacht hat. Das war schlimm und man muss das Kind beim Namen nennen. Sie haben sich wie Huren benommen und ich habe keine Angst, das zu sagen. Ich weiß, dass die Leute auf meiner Seite stehen, nicht auf der von Wanda Nowicka."

    Palikot will sich als Saubermann präsentieren, dem die Korruption stinkt. Doch mit solchen Worten eine Kollegin, zumal Feministin, aus der eigenen Fraktion zu katapultieren, wird als unangemessen hart, vor allem als profilierungssüchtig bewertet. Ganz zu schweigen von dem Vertrauensverlust für Palikot unter den Frauen. Die bezweifeln, dass sich die Palikot-Bewegung tatsächlich für Gleichberechtigung und fairen Umgang der Geschlechter einsetzt. Die Vorsitzende der Frauenunion, Danuta Waniek:

    "Das ist kein Zufall. Diese brutale Sprache hat Methode. Alles geht gut, solange Frauen gehorsam sind. Wenn sie andere Ansichten äußern, besonders wenn sie andere Auffassungen als ihre Chefs vertreten, werden sie ganz schnell mit Schmutz beworfen."

    Das Manöver, Anstelle von Vize-Marschallin Wanda Nowicka nun Anna Grodzka zu nominieren, geht wohl auch nicht auf. Anna Grodzka, die erste transsexuelle Abgeordnete im polnischen Parlament, trägt zum Image der bunten Truppe von Palikot maßgeblich bei. Sie, die Frauenrechtlerin Nowicka und ein bekennender Schwuler prägen das für Polen ungewöhnliche Partei-Bild. Doch dass die Transsexuelle Anna Grodzka nun Vize-Marschallin wird, will Premier Tusk verhindern. Seine Regierungspartei Bürgerplattform wählt nicht einen einzigen Vizemarschall ab und stimmt auch für keine neuen, weil das einem Eingeständnis des Fehlers seiner eigenen Parteifreundin, der Parlamentspräsidentin Ewa Kopacz, gleichkäme.

    Palikot betrachtet Anna Grodzka wohl ebenfalls vor allem als schillerndes Beiwerk. Die 59-Jährige hat sich vor fünf Jahren in Bangkong zur Frau operieren lassen und kämpft seitdem für die Rechte von Transsexuellen. Als solche wird sie von den rechtskonservativen Nationalisten immer wieder schwer angegriffen, in linken Kreisen dagegen schätzt man ihre Fairness. Wanda Nowicka will unabhängige Abgeordnete und Vize-Marschallin bleiben und denkt über eine eigene Bewegung nach:

    "Wenn Ruch Palikota für viele Menschen, für Frauen kein angebot mehr hat, könnte jetzt ein Bedürfnis nach einer neuen Initiative entstehen."

    Sie lässt nicht zu, dass man sie als Opfer betrachtet. Verliererin auf ganzer Linie könnte Palikot sein, seinem Vorschlag, mit einer großen linken Bewegung in die Europawahl zu gehen, begegnen die potenziellen Partner nach der innerparteilichen Intrige mit Vorsicht, zumal Palikot für Wählerinnen wohl kein Zugpferd mehr ist.