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Polnischer Verhandlungserfolg

Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski gilt seit Längerem als Anwärter für eine hohe Funktion in Brüssel. Nun dürfte er dafür sein Profil geschärft haben: Sikorski soll für Russlands diplomatische Bemühungen im Syrienkonflikt verantwortlich sein.

Von Sabine Adler |
    Von Feinden umzingelt ist derzeit Polens Ministerpräsident Donald Tusk. In mehreren Städten wird seit Tagen demonstriert, morgen in 17 Orten. Gewerkschaftschef Piotr Duda fordert einen gesetzlichen Mindestlohn, die Herabsetzung des Rentenalters und den Rücktritt der Regierung.

    "Wir sind gekommen, um an die Rechte der Arbeiter zu erinnern, genug mit der Geringschätzung der Gesellschaft. Wer sich auch verachtet fühlt, sollte sich uns anschließen."

    In der Bürgerplattform kehrt jetzt der dritte Abgeordnete Tusk den Rücken zu, sodass die Regierungsmehrheit im Parlament auf eine Stimme zusammenschrumpfte. Umso gelegener kommt der internationale Verhandlungserfolg des Außenministers.

    Denn offenbar war es Sikorski, der an Russlands Mitverantwortung für die syrischen Chemiewaffen erinnerte, für deren Kontrolle und Vernichtung und einen US-Militärschlag vorerst verhinderte. Damit sein Anteil nicht unerwähnt bleibe, half der polnische Chefdiplomat nach. Per Twitter. Er schrieb: "Russland könnte einen Krieg verhindern, das syrische Chemiewaffenarsenal sichern, das dank der UdSSR geschaffen worden ist."

    Zudem soll seine Ehefrau, die "Washington Post"-Kolumnistin Anne Appelbaum nachgeholfen haben, Sikorskis Idee bekannt zu machen. Dass nun alle Welt im Bilde ist, gefällt dem polnischen Minister sichtlich.

    "Es freut mich, wenn die Welt der Meinung ist, dass ich eine solche Kraft, einen solchen Einfluss besitze. Manchmal hat Einfallsreichtum ganz besondere Folgen."

    Haben Sie mit Kerry telefoniert? Wird er in einem Fernsehinterview gefragt.

    "Ja, wir haben genau darüber gesprochen."

    Haben wir Russland diese Initiative überlassen?

    "Wir versuchen, Russland die Chance zu geben, das zu tun, was zu seiner deklarierten Politik gehört. Denn Russland betonte die ganze Zeit, dass es gegen die Anwendung der Chemiewaffen ist."

    Doch wenn Sikorski die Idee hatte, warum sah es dann zunächst so aus, als hätte Russland angeregt, die syrischen Chemiewaffen grundsätzlich unter Kontrolle zu bringen? Eine Frage, die die Polen interessiert, denn gegenüber dem ungeliebten Nachbarn Russland hat Großzügigkeit keinen Platz. Hat Sikorski dem russischen Präsidenten freiwillig oder ungeschickterweise diesen Erfolg überlassen, wird nun argwöhnisch nachgehakt.

    Polens Verteidigungsminister Tomasz Siemoniak bemüht sich, den polnischen Diplomatie-Erfolg herauszustreichen.

    "Minister Sikorski hat darauf nicht nur per Twitter hingewiesen, sondern auch in seinem Gespräch mit US-Außenminister John Kerry. Russland ist nicht nur Mitglied des Weltsicherheitsrates mit Veto-Recht, sondern auch ein Verbündeter Syriens, Hauptwaffenlieferant in das Land. Daran zu erinnern, hat die Lage verändert. Nicht nur deutsche Zeitungen, auch New York Times hat über Sikorskis Rolle geschrieben. Wenn man in einer Sackgasse steckt, hilft es mitunter, wenn jemand auf eine anscheinend selbstverständliche Sache hinweist, die dennoch einige Wochen lang übersehen wurde."

    Dem ehrgeizigen Außenminister dürfte sein Hinweis auf die russische Mitverantwortung bei den syrischen Chemiewaffen auf internationaler Bühne Punkte bringen. Sikorski gilt seit Längerem als Kandidat für eine hohe Funktion in Brüssel, entweder als Nachfolger für die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton oder als NATO-Generalsekretär.