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Polnisches Verfassungsgericht
Regierungsnahe Richter sollen übernehmen

Der ehemalige polnische Justizminister nennt es eine Farce - das Gesetz, das die Arbeit des Verfassungsgerichts so gut wie blockiert. Die rechtskonservative Regierungspartei PiS hatte es verabschiedet, die EU ein Verfahren gegen Polen eingeleitet. Jetzt plant die PiS einen weiteren Schachzug, um die Kontrolle des Gerichts zu übernehmen.

01.12.2016
    Eingang des polnischen Verfassungsgerichts
    Das polnische Verfassungsgericht könnte bald von regierungsnahen Richtern kontrolliert werden (dpa/picture-alliance/ Rafal Guz)
    Das polnische Parlament hat das inzwischen siebte Gesetz zur Arbeit des Verfassungsgerichts verabschiedet. Neu ist vor allem, wie der künftige Vorsitzende des Gerichts bestimmt wird. Stanislaw Piotrowicz, Abgeordneter der Regierungspartei PiS:
    "Das Verfassungsgericht soll den Erwartungen der Bürger gerecht werden. Im Moment aber beschäftigt es sich nur mit sich selbst und verletzt zwei Grundsätze: die Grundsätze, dass es unpolitisch und nicht voreingenommen sein soll."
    Aber genau darauf, auf eine politische Abhängigkeit des Gerichts, laufe das neue Gesetz hinaus, kritisiert die Opposition. Denn es stelle sicher, dass ein vom aktuellen, PiS-dominierten Parlament gewählter Richter der neue Vorsitzende wird. Und das geht so: Künftig sollen die Richter erst dann Kandidaten für den Posten benennen, wenn der alte Gerichtsvorsitzende schon abgetreten ist. Der Staatspräsident Andrzej Duda, der aus der PiS stammt, beruft für die Übergangszeit einen Interims-Vorsitzenden - sehr wahrscheinlich einen der PiS nahestehenden Juristen. Dieser kann dann die Auswahl der Kandidaten entsprechend beeinflussen. Unter den Kandidaten wählt am Schluss wiederum Staatspräsidenten Duda über den Vorsitzenden.
    Verfassungsrichter können sofort in den Ruhestand - bei vollen Bezügen
    Eine Farce, meint Ex-Justizminister Borys Budka von der rechtsliberalen Oppositionspartei "Bürgerplattform":
    "Es ging der PiS wohl von Anfang an nur darum, dass die Partei im Verfassungsgericht ihren Vorsitzenden installieren kann. Er soll verhindern, dass die schlechten Gesetze nicht überprüft werden, die im Parlament seit einem Jahr beschlossen werden."
    Spätestens im kommenden Juni werden die von der PiS gewählten Richter die Mehrheit im Kollegium haben. Mit einem Vorsitzenden aus ihren Reihen werden sie das Gericht dann dominieren. Vielleicht auch schon früher: Das neue Gesetz gibt nämlich allen Verfassungsrichtern die Möglichkeit, sofort in Ruhestand zu gehen, bei vollen Altersbezügen. Die PiS hoffe darauf, dass sie so schon jetzt weitere ihr nahe stehende Juristen ins Gericht bringen könnte, meint der ehemalige Verfassungsgerichtsvorsitzende Jerzy Stepien:
    "Das ist eine skandalöse Regelung. Damit sollen die älteren Richter praktisch weg gekauft werden. Sie sind sicher müde und haben den Streit satt. Ich appelliere dennoch an sie, dass sie im Gericht bleiben und diese Festung bis zuletzt verteidigen."
    Früher oder später aber werden der PiS zugeneigte Juristen im Gericht Feder führen. Wohl auch deshalb verzichtet das Parlament nun auf einige strittige Punkte aus früheren Gesetzen. So sollen die Richter ihre Entscheidungen mit einer einfachen Mehrheit im Richtergremium fällen, nicht mehr mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit. Das Gericht muss die Fälle auch nicht mehr in chronologischer Reihenfolge bearbeiten müssen. Gegen diese Bestimmungen hatte sich die EU-Kommission gewandt, weil sie, so der Vorwurf, die Arbeit des Gerichts blockierten. Das Verfahren, das Brüssel deshalb gegen Warschau eingeleitet hat, wird nun womöglich ins Leere laufen.