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Porträt Daniel Günther
Wie die CDU in Schleswig-Holstein punkten will

Wenn am 7. Mai in Schleswig-Holstein gewählt wird, dann hofft CDU-Spitzenkandidat Daniel Günther auf ein gutes Ergebnis. Bis dahin werde der Schulz-Effekt spätestens verpufft sein, gibt er sich zuversichtlich. Doch ob es damit auch für einen Regierungswechsel reicht, ist vollkommen offen, denn die Ausgangslage ist schwierig.

Von Johannes Kulms | 06.04.2017
    Daniel Günther (CDU), Landesvorsitzender und CDU-Spitzenkandidat zur Landtagswahl, stellt am 23.03.2017 in Kiel (Schleswig-Holstein) vor Wahlplakaten die Kampagne der CDU zur Landtagswahl vor.
    Schleswig-Holsteins CDU-Spitzenkandidat Daniel Günther. (dpa / picture alliance / Markus Scholz)
    Dienstagvormittag im "Kasino", der früheren Kantine des Kieler Landtags: Ein großgewachsener eher schlaksig wirkender Mann im Anzug starrt auf einen Bildschirm – und denkt nach.
    "Abschiebungen nach Afghanistan – Schleswig-Holstein soll abgelehnte Asylbewerber und Asylbewerberinnen aus Afghanistan in ihr Heimatland abschieben – stimme zu."
    Daniel Günther, blonde Haare, Brille, 43 Jahre alt, wirkt aber jünger.
    "Adoptionsrecht für Homosexuelle: Das Land soll sich dafür einsetzen, dass gleichgeschlechtliche Paare ein gemeinsames Adoptionsrecht erhalten – stimme zu."
    Der Spitzenkandidat der Schleswig-Holsteinischen CDU ist zusammen mit Vertretern anderer Parteien zur Vorstellung des Wahl-O-Maten ins Parlament gekommen. Das Computer-Programm fragt politische Präferenzen ab und errechnet dann auf der Grundlage eine Wahlempfehlung.
    Nach ein paar Minuten ist Daniel Günther fertig und mit dem Ergebnis zufrieden.
    "Ja, ist OK, würde ich mal sagen"
    "95,9 Prozent CDU."
    Günther scheint erleichtert. Genau in diesem Moment tritt eine kleine Frau mit Brille und kurzen dunklen Haaren an seinen Tisch heran.
    "Morgen Herr Günther – schön grün wählen!"
    Monika Heinold ist Schleswig-Holsteins Finanzministerin und Spitzenkandidatin der Grünen. Auch sie hat eben den Test gemacht.
    "Ich hatte 27 Prozent Übereinstimmung mit der CDU."
    Für eine Jamaika-Koalition bräuchte Günther die Grünen und FDP
    Bei CDU-Mann Günther sieht der Wahl-O-Mat auch nicht viel mehr Übereinstimmung mit den Grünen. Und dennoch, Günther braucht die Grünen, sehr dringend sogar. Denn nur in einer Jamaika-Koalition – also einem Bündnis aus CDU, FDP und Grünen - könnte Daniel Günther laut Umfragen Ministerpräsident werden. Wenn man von der in Schleswig-Holstein so ungeliebten Großen Koalition einmal absieht.
    Doof nur, dass die Grünen Jamaika zwar nicht ausschließen. Doch sie fühlen sich wohl mit dem Status quo und würden gerne weiter machen in der sogenannten Küstenkoalition, zusammen mit SPD und SSW – der Partei der dänischen und friesischen Minderheit.
    Daniel Günther weiß das – und er weiß auch, dass im Land zwischen den Meeren keine echte Wechselstimmung zu bemerken ist. Und doch hofft Günther noch auf einen Umschwung. Auch an diesem Nachmittag im Wahlkampf nordwestlich von Hamburg.
    "Diese Regierung hat die Chancen Schleswig-Holsteins einfach in den letzten fünf Jahren verpennt. Sie haben sicherlich vielen Menschen nicht wirklich persönlich wehtun müssen, weil sie einfach eine Haushaltslage gehabt haben, die wünscht sich keine Opposition für ihre Arbeit – aber die ist natürlich für Schleswig-Holstein wünschenswert."
    Die letzte schwarz-gelbe Regierung von 2009 bis 2012 stand noch unter erheblichem Spardruck. SPD-Ministerpräsident Torsten Albig blickt dagegen zum Ende der Legislaturperiode auf gute Konjuktur- und Arbeitsmarktdaten und freut sich über sinkende Zinslast. Ein ungewohntes Gefühl für das kleine Bundesland im hohen Norden.
    Wahlkampf verläuft eher ruhig
    Der Wahlkampf ist dementsprechend bislang recht arm an Aufregerthemen. Dabei hat CDU-Spitzenkandidat Günther eigentlich durchaus Lust an der Provokation.
    Vor einem knappen Jahr sorgte er bundesweit für Aufsehen mit der Forderung, deutsche Kantinen sollten nicht aus falsch verstandener Toleranz Schweinefleisch von den Speiseplänen nehmen:
    "Alle die Anträge, die wir gestellt haben, kann ich auch heute noch unterstützen - ob das Schweinefleisch ist – fand ich ein sehr berechtigtes Thema, gut, das wir das angesprochen haben. Und da bin ich an die Grenzen dessen, was ich für zulässig halte, nie rangegangen."
    Im Wahlkampf versucht die Union nun mit dem Thema Infrastruktur zu punkten. Sie wirft der Landesregierung Stillstand beim Straßenbau vor. Auch das Feld Innere Sicherheit reklamiert die Union für sich. Und sie fährt das Thema Bildung groß – z.B. im Kita-Bereich, wo sie den Elternanteil bei den Betreuungskosten auf maximal ein Drittel begrenzen möchte.
    Dass der Wahlkampf nicht richtig schwungvoll läuft, hängt aber nicht nur mit der ziemlich geräuschlos regierenden rot-grünen Regierung zusammen. Schleswig-Holsteins CDU hat zuletzt viel mit sich selbst gekämpft. Daniel Günther ist immerhin der fünfte Parteivorsitzende binnen fünf Jahre, nachdem im letzten Herbst der Sylter Bundestagsabgeordnete Ingbert Liebing vom Partevorsitz und der Spitzenkandidatur zurückgetreten war.
    Günther kennt die Nord-CDU und weiß, dass an ihn große Erwartungen gestellt werden. Dass er im Falle einer Niederlage nach dem 7. Mai die Segel streichen müsste, scheint allerdings eher unwahrscheinlich – alleine schon, weil die Nord-CDU kaum noch prominentes Führungspersonal hat.
    Noch liegt die SPD vorne
    20 Auftritte sind für Daniel Günther in der sogenannten Wahlkampfarena geplant. Für dieses Format steht der CDU-Spitzenkandidat auf einer kleinen runden Bühne, umrahmt von kreisförmig angeordneten Stuhlreihen - so wie an diesem Abend in Bad Bramstedt rund 50 Kilometer nördlich von Hamburg. Rund 100 Personen sitzen im Publikum, die meisten im Rentenalter. Doch trotz der Lichtershow und der wummernden Auftaktmusik will die große Euphorie nicht ausbrechen. Auch nicht als der rhetorisch durchaus starke Günther eines der jüngsten Wahlversprechen angeht: Die Rückkehr zu G9 – also zum Abi nach 13 Jahren. Vielleicht hat die Zurückhaltung im Publikum auch damit zu tun, dass es die CDU war, die einige Jahre zuvor erst das Abi nach zwölf Jahren eingeführt hatte.
    "Ich bekenne mich freimütig, dass ich vor zehn Jahren auch mal anders darüber gedacht habe. Vor zehn Jahren hatten wir auch mal eine Wehrpflicht, vor zehn Jahren hatten wir noch keinen Bachelor und keinen Master und vor zehn Jahren mag es noch richtig gewesen sein, das Argument, aus der Wirtschaft, dass unsere Hochschulabsolventen zu alt sind. Das Problem hör ich heute von niemanden mehr."
    Bis zum 7. Mai werde der Schulz-Effekt spätestens verpufft sein, gibt sich Günther zuversichtlich. Doch ob es damit auch für einen Regierungswechsel reicht ist vollkommen offen. Immerhin: In einer Umfrage, die der NDR an diesem Donnerstagmittag veröffentlicht hat, legt die CDU von 27 auf 30 Prozent zu. Doch die SPD bleibt stabil bei 33 Prozent – und wäre damit stärkste Kraft.