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Portugal
Das Für und Wider einer Linkskoalition

In Portugal gibt es immer noch keine neue Regierung. Die konservativen Wahlgewinner haben keine Mehrheit im Parlament und können sich nicht mit den Sozialisten einigen. Nun denken diese über eine Koalition mit den Kommunisten und dem Linksblock nach. Das macht nicht nur Investoren Angst.

Von Tilo Wagner | 14.10.2015
    Der Chef der portugiesischen Sozialdemokratischen Partei (PSD) Pedro Passos Coelho (r) und der Parteichef der Konservativen Paulo Portas sprechen über die Bildung einer gemeinsamen Regierung
    Der Chef der portugisischen Sozialdemokratischen Partei (PSD) Pedro Passos Coelho (r) und der Parteichef der Konservativen Paulo Portas sind ergebnislos über die Bildung einer Koalition auseinandergegangen (imago/Xinhua)
    Ob der Traum von einer Linksregierung in Portugal überhaupt tragbar ist, hängt jedoch entscheidend von Staatspräsident Cavaco Silva ab. In den kommenden Tagen wird der Präsident die Parteien zu Gesprächen bitten. Eine entscheidende Vorbedingung hat Cavaco Silva bereits festgelegt: Die neue portugiesische Regierung muss sich fest zum Euro, zum Stabilitätspakt und zu Portugals Mitgliedschaft in der Nato bekennen.
    Ob der Traum von einer Linksregierung in Portugal überhaupt tragbar ist, hängt jedoch entscheidend von Staatspräsident Cavaco Silva ab. In den kommenden Tagen wird der Präsident die Parteien zu Gesprächen bitten. Eine entscheidende Vorbedingung hat Cavaco Silva bereits festgelegt: Die neue portugiesische Regierung muss sich fest zum Euro, zum Stabilitätspakt und zu Portugals Mitgliedschaft in der NATO bekennen.
    Catarina Martins strahlt Zuversicht und Selbstvertrauen aus. Eine Neuauflage der konservativen Regierung halte sie für unwahrscheinlich, sagt die 42-jährige Vorsitzende des Linksblocks. Vor zehn Tagen hatte Martins bei den Parlamentswahlen in Portugal ihre Partei zum bisher besten Ergebnis geführt: Über zehn Prozent der Wähler stimmten für den Linksblock, der damit sogar die traditionell starken Kommunisten überflügelte. Im neuen portugiesischen Parlament gehören so fast ein Sechstel aller Abgeordneten Parteien an, die die bisherigen Grundpfeiler der portugiesischen Außenpolitik infrage stellen. Und zu dieser Position steht Catarina Martins auch nach den Wahlen:
    "Wir sind gegen eine Mitgliedschaft Portugals in der NATO, denn die NATO sorgt international nicht für Stabilität, sondern für Instabilität. Wir lehnen auch den Wachstums- und Stabilitätspakt ab, denn er ist auf einen Fehler gebaut: Wir werden in Europa kein Wachstum schaffen, wenn wir weiter auf die Senkung der Arbeitskosten setzen, anstatt endlich Regeln für das Finanzkapital einzuführen, so wie es uns nach der Finanzkrise versprochen wurde. Und schließlich glauben wir, dass der Euro auf einem Ungleichgewicht basiert."
    Bisher hatte diese radikalere Positionierung der kleineren Linksparteien dazu geführt, dass der gemäßigteren, proeuropäischen Sozialistischen Partei ein möglicher Koalitionspartner fehlte. Doch in den Tagen nach der Wahl zeichnet sich in Portugal ein historischer Wandel ab. Eine Koalition zwischen den drei Linksparteien hätte eine komfortable Mehrheit. Und nach mehreren Sondierungsgesprächen scheint ein Bündnis zwischen den Sozialisten und den beiden kleineren radikaleren Linksparteien nun möglich. Denn die ideologischen Unterschiede würden in der aktuellen politischen Situation in den Hintergrund treten, sagt Catarina Martins:
    Nur ein Viertel der Portugiesen für Linksbündnis
    "Wir verhandeln mit den Sozialisten zurzeit nicht über das Wahlprogramm des Linksblocks. Grundlegende Unterschiede werden zwischen unseren Parteien weiter bestehen bleiben. Aber wir können eine sozialistische Regierung unterstützen, die zwei konkrete Forderungen aus unserem Programm aufgreifen möchte: Die Gehälter der Portugiesen müssen angehoben und die Rechte der Arbeitnehmer gestärkt werden. Wenn aber die konservative Regierung an der Macht bleibt, werden wir diese Forderungen durchsetzen können."
    Laut einer jüngsten Umfrage würden jedoch nur gut ein Viertel der Portugiesen ein Linksbündnis unterstützen.
    "Ich bin eigentlich eher links eingestellt," sagt ein Passant. "Aber eine Linksregierung? Das würde nicht gut gehen. Die Rechten kontrollieren ja trotzdem weiterhin die Wirtschaft."
    "Ein Linksbündnis? Das wäre schlecht für unser Land," sagt ein Restaurantbesitzer in Lissabon, obwohl ihm ein Regierungswechsel wahrscheinlich mehr Einkommen bringen würde. Schließlich wollen die Sozialisten Steuersenkungen in der Gastronomie durchsetzen.
    Und auch eine ältere Frau schüttelt mit dem Kopf:
    "Eine Linksregierung würde uns nur in den Abgrund treiben. Die Finanzmärkte reagieren ja jetzt schon misstrauisch."
    Fassungslosigkeit herrscht mittlerweile auch in der Mitte-rechts-Koalition. Nach einer weiteren erfolglosen Gesprächsrunde mit den Sozialisten am Dienstagabend forderte der noch amtierende Premierminister Pedro Passos Coelho eine klare Positionierung der bisher größten Oppositionspartei:
    "Wir hatten jetzt zwei Treffen mit den Sozialisten. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und konkrete Vorschläge unterbreitet. Und bis jetzt gab es keine konstruktiven Gegenvorschläge, wir wissen nicht, was die Sozialisten eigentlich wollen. Wir sind bereit, eine politische Lösung mit den Sozialisten zu suchen, aber dafür brauchen wir Antworten, damit wir besser einschätzen können, ob wir unsere Regierungsbildung auf die Unterstützung der Sozialisten bauen können oder nicht." Sozialistenchef Costa scheint die Schlüsselfunktion, die seine Partei zurzeit ausübt, gut zu gefallen. Er sei in einer weitaus besseren Position als die Mitte-rechts-Koalition, um eine stabile Regierung zu bilden, sagte Costa in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters.
    Ob der Traum von einer Linksregierung in Portugal überhaupt tragbar ist, hängt jedoch entscheidend von Staatspräsident Cavaco Silva ab. In den kommenden Tagen wird der Präsident die Parteien zu Gesprächen bitten. Eine entscheidende Vorbedingung hat Cavaco Silva bereits festgelegt: Die neue portugiesische Regierung muss sich fest zum Euro, zum Stabilitätspakt und zu Portugals Mitgliedschaft in der Nato bekennen.