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Portugal
Protestbewegung hofft auf Rückenwind

Nach dem Wahlsieg der Linken in Griechenland sieht sich auch die portugiesische Protestbewegung im Aufwind. So will die junge Organisation Juntos Podemos verkrustete Strukturen aufbrechen - doch dazu muss sie auch selbst zur Partei werden.

Von Tilmann Wagner | 06.02.2015
    Alle Koordinationssitzungen von Portugals neuer politischer Kraft Juntos Podemos werden live ins Internet gestreamt. Die Online-Konferenzen sind zwar kein visueller Leckerbissen, doch den Wunsch nach Offenheit und Transparenz im politischen System hat sich Juntos Podemos auf die Fahnen geschrieben. Zurzeit beschäftigt die Koordinationsgruppe vor allem ein Thema: Sie muss 7.500 Unterschriften sammeln, um beim portugiesischen Verfassungsgericht die Gründung einer politischen Partei beantragen zu können.
    Jeder kann mitmachen
    Für João Labrincha ist der Schritt in die Parteipolitik Neuland. Der 31-Jährige ist in Portugal einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden, weil er vor vier Jahren mit einer Gruppe von Freunden übers Internet zu einer Demonstration aufgerufen hatte, an der Hundertausende von Portugiesen teilnahmen. Eigentlich wollte Labrincha nie in die Politik, sondern mit seiner selbst gegründeten NGO zum Aufbau einer aktiveren Zivilgesellschaft beitragen. Jetzt hat er seine Meinung geändert:
    "Wir wollen nur Partei werden, weil uns das Gesetz keine andere Wahl lässt. Wir verstehen uns aber als eine Bewegung, eine zivilgesellschaftliche Kraft, die politisch aktiv sein will.
    Jeder kann mitmachen, zum Beispiel über die sozialen Netzwerke. Und das unterscheidet uns von den traditionellen Parteien, die hierarchisch organisiert und wie eine Pyramide aufgebaut sind. Bei uns können die Leute einfach übers Internet abstimmen und alle Sitzungen werden ins Internet gestreamt. Und diese Offenheit ist für mich ein Grundprinzip, damit wir eine neue Form der Demokratie entwickeln können."
    Das Machtmonopol durchbrechen
    Auf einer Demonstration gegen den Sparkurs der konservativen Regierung steht Manuel Afonso hinter einem Banner mit dem lila Schriftzug von Juntos Podemos. Afonso gehört einer kleinen trotzkistischen Partei an, die sich nun der neuen Bewegung angeschlossen hat. Dass die Portugiesen die gleichen Farben gewählt haben wie ihr großer starker Bruder "Podemos" in Spanien, sei kein Zufall, sagt Afonso:
    "Dieses neue Projekt will kleine Gruppen und Parteien hinter ein paar Grundprinzipien vereinen, die in Spanien von 'Podemos' oder in Griechenland von 'Syriza' vertreten werden, das heißt vor allem der Widerstand gegen die Sparpolitik in Europa. Aber wir unterscheiden uns von den traditionellen Linksparteien in Portugal, die keine politische Verantwortung übernehmen wollen.
    Das sehen wir ganz anders. Wir wollen ganz bewusst Dinge verändern und das Machtmonopol der etablierten Parteien durchbrechen – so wie es Syriza getan hat und wie es Podemos in Spanien schaffen könnte."
    Ein herber Rückschlag
    In ihrer jungen Geschichte musste Juntos Podemos allerdings schon einen herben Rückschlag verkraften. Auf einer konstituierenden Sitzung im Dezember stiegen prominente Gründungsmitglieder aus dem Projekt wieder aus. Der Vorfall zeigt auch, dass die Uhren in Portugal anders ticken als im restlichen Südeuropa. Portugiesische Politologen weisen immer wieder daraufhin, dass das traditionelle Parteiensystem schon immer Protestwähler auffangen hat – vor allem in der starken kommunistischen Partei.
    Der Linksblock, der bisher das Protestpotential gebildeter Schichten in den urbanen Zentren abschöpfen konnte, hat nach internen Machtstreitigkeiten zwar an Zustimmung verloren. Doch mittlerweile buhlen eine ganze Reihe von kleinen, neuen Parteien um diese Wählerstimmen und haben kein Interesse gezeigt, sich Juntos Podemos anzuschließen.
    Basisarbeit ist gefragt
    Paula Gil bezweifelt deshalb, dass die Bewegung einen ähnlichen Erfolg haben könnte wie im Nachbarland Spanien. Die studierte Politikwissenschaftlerin hatte den Massenprotest im März 2011 zusammen mit João Labrincha organisiert, doch anders als ihr ehemaliger Weggefährte will sie sich Juntos Podemos nicht anschließen:
    "Wir müssen in Portugal erst einmal an der Basis anfangen, wenn wir irgendwann einmal so groß sein wollen wie "Podemos" in Spanien. Wir haben viel zu viele kleine Parteineugründungen, und keine von ihnen zeigt ein wirkliches Interesse an den wahren Problemen der Gesellschaft.
    Nur wenn wir die Basis verstehen, können wir ein gemeinsames Projekt starten, um unsere Lebensverhältnisse zu verbessern. Es reicht nicht, wenn sich eine Gruppe von intelligenten Freunden zusammenschließt und eine Partei gründet.
    Dann besteht die Gefahr, dass der Schwung schnell verpufft und damit auch die entscheidende Botschaft verloren geht: Dass wir nur etwas verändern können, wenn viel mehr Leute aktiv am Aufbau einer lebhaften Zivilgesellschaft beteiligt sind."