Donnerstag, 28. März 2024

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Prämie für Elektroautos
"Das ist Geld für Besserverdienende"

Die Prämie für Elektroautos werde zu Mitnahme-Effekten bei denen führen, die ihren Fuhrpark sowieso vergrößern wollen, sagte der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel im DLF. Subventionen seien durchaus sinnvoll, aber in diesem Fall völlig falsch eingesetzt. Eher hätte man Geld in die Lade-Infrastruktur von Elektroautos investieren sollen.

Rudolf Hickel im Gespräch mit Dirk Müller | 28.04.2016
    Der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel.
    Der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel kritisiert die Elektroauto-Prämie (Imago / Ulli Winkler)
    Dirk Müller: Hunderttausende, Millionen Kunden getäuscht, betrogen, weltweit. Dieselgate, systematische Manipulationen der Abgaswerte. VW hat dabei vielleicht die Vorreiterrolle gespielt. Inzwischen wird jedoch immer mehr deutlich, dass so gut wie alle Autokonzerne an der Messschraube gedreht haben. VW entschädigt seine Kunden mit Hunderten Millionen Dollar in den USA. Wie das in Europa, in Deutschland läuft, ist noch völlig unklar. Feststeht: Der Konzern fährt Verluste ein, Rekordverluste, weit über eine Milliarde Euro, und zieht heute in Wolfsburg Bilanz.
    Manipulationen und Kaufprämien, Täuschung und finanzielle Förderung auf der anderen Seite, Betrug, aber es gibt auch Wettbewerbsvorteile, von staatlicher Seite gewährt. Milliarden Steuergelder für milliardenschwere Autounternehmen, unser Thema jetzt mit dem Bremer Finanz- und Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel. Guten Tag.
    Rudolf Hickel: Guten Tag, Herr Müller.
    Müller: Herr Hickel, sind alle Kanzler Autokanzler?
    Hickel: Ja, das kann man so sagen. Alle Kanzler sind Autokanzler. Man sieht das in den letzten Jahren, auch in der Art, wie beispielsweise die Große Koalition mit dem Konflikt VW umgegangen ist. Da hätte längst mal die Forderung kommen müssen, eben nicht nur die Frage zu stellen, wie sehen die neuen Automobile aus, sondern wie wird die interne Struktur der Unternehmen so optimiert, dass es künftig nicht wieder zu solchen Fälschungsaktionen kommen kann mit der Abschalteinrichtung. Das ist das eine.
    Das andere ist, was ja über allem schwebt: Wir diskutieren über den Diesel ernsthaft, ob die Dieseltechnik überhaupt noch sinnvoll ist, und wir müssen natürlich dazu sagen, dass Diesel ein absolutes Steuerprivileg genießt. Auf dem normalen Liter Benzin sind 65 Cent Steuer, bei Diesel sind es 18 Cent Steuer. Das sind sieben Milliarden, die der Staat verliert. Also man sieht, die Branche wird gehätschelt und gepflegt, egal was dort passiert.
    Müller: Liegt das auch daran, dass beim Auto alles anders ist, weil alle Auto fahren?
    Hickel: Das hängt schon damit zusammen, dass alle Auto fahren, und man sieht es ja jetzt auch bei der Förderung des Elektroautos. Man macht das eigentlich ungern, man fühlt sich der Umwelt verpflichtet, weil wir müssen ja sehen, der ganze Skandal, der ganze Diesel-Skandal hat ja Betroffene: einerseits den Staat, Steuerausfälle, andererseits die Beschäftigten, die jetzt um ihre Arbeitsplätze bangen. Aber das ganz Wichtige, was alles überlagert, ist die Belastung der Natur, sind die ökologischen Umweltschäden, und diese ganze Dimension wird in dem Umgang mit der Automobilindustrie überhaupt nicht richtig berücksichtigt.
    "Es wird zu Mitnahme-Effekten kommen"
    Müller: Reden wir noch einmal über die Kaufprämie, über die staatlichen Subventionen. Das sind ja Steuergelder, milliardenschwer, wie auch immer, was letztendlich dabei herauskommt. Wie stark ist das ein Eingriff in den Wettbewerb?
    Hickel: Wir haben jetzt endlich mal wieder eine intensive Diskussion über Subventionen. Wir kennen Erhaltungssubventionen, wir kennen technologische Förderinvestitionen. Das gesamte Subventionsvolumen in Deutschland wird geschätzt auf teilweise 50 Milliarden in den Haushalten, wenn man alles zusammenrechnet bis zu 150 Milliarden. Das heißt, Marktwirtschaft ist zum Teil auch völlig irrational. Ohne funktionale Begründung wird mit staatlichen Subventionen gestärkt.
    Wenn Sie mir die ironische Bemerkung erlauben, dass sogar für den besseren Biergeschmack staatliche Subventionen ausgegeben werden. Hier wird Marktwirtschaft oder insgesamt der Wettbewerb sehr verletzt. Und wenn wir jetzt zu sprechen kommen auf die Elektroautomobilprämie, die da jetzt bezahlt werden soll, da wird es erstens zu Mitnahmeeffekten kommen. Oder sagen wir mal so: Die eigentliche Argumentation lautet, es soll ein massenmarktfähiges Produkt werden, da muss der Staat erst mal subventionieren. Man kann hier sehr schön zeigen, dass Subventionen durchaus sinnvoll sind, aber in diesem Fall völlig falsch eingesetzt werden.
    Es ist viel wichtiger, was man am Rande ja gestern auch angemerkt hat von der Bundesregierung, die Infrastruktur zu verbessern, beispielsweise richtig viel Geld reinzustecken in die Lade-Infrastruktur, damit die Anreize dafür, Elektroautomobile zu kaufen, auch gestärkt werden.
    Müller: Das wäre okay, wenn der Staat das machen würde?
    Hickel: Das fände ich richtig. Das ist Infrastruktur. Das ist die Voraussetzung. Da, würde ich sagen, ist die Grenzziehung so, dass man Subventionen rechtfertigen kann. Aber sie jetzt pro PKW, geplant 4000 Euro, davon die Hälfte durch die Automobilindustrie, das sind doch alles Subventionen, die am Ende diejenigen fördern, die ohnehin Elektroautos kaufen wollen, beziehungsweise zu einer Förderung führen, die ansonsten im Markt normalerweise nicht zustande kämen. Die halte ich absolut für falsch. Wir haben Mitnahmeeffekte und wir wissen auch ganz genau, dass das am Ende nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist, das Geld irgendwo wieder verpulvert wird.
    Müller: Machen wir es noch plakativer. Ist das Geld für Besserverdienende?
    Hickel: Das ist schon Geld für Besserverdienende. Es wird ja heute auch sehr viel diskutiert. Die einzelnen PKW-Typen, beispielsweise der Nissan, den man für 27.000 als Elektromobil kaufen kann, oder Renault hat ein Auto mit 17.000, da wird es wohl weniger relevant werden. Relevant werden wird es im Sinne von Mitnahmeeffekten für die, die ohnehin ihren Unternehmensfuhrpark stärken wollen. Das ist zwar momentan noch ausgeschlossen, wird aber ganz sicherlich kommen. Es ist ein Mitnahmeeffekt für die, die ohnehin genügend Einkommen haben.
    Und lassen Sie mich auch noch mal darauf hinweisen: Bei der Vorbereitung ist mir noch mal aufgefallen, dass sogar der Porsche Boxster, was den Umbau auf Elektroautomobilität betrifft, auch direkt subventioniert worden ist. Diese Art von Subventionierung, die muss von den Unternehmen getragen werden. Das ist der richtige Gedanke, zumindest dann die Abgabe zu halbieren. Und sie muss getragen werden von den Käuferinnen und Käufern.
    "Kaum Investitionen in Elektroautomobilität durch Firmen"
    Müller: Das wird vielen, die jetzt Ihnen zuhören, Herr Hickel, ja auch völlig neu sein, dass ein Boxster - das ist ja ein Auto, wo man, glaube ich, mit 70.000, 80.000 Euro überhaupt anfangen darf, darüber nachzudenken, inwieweit der einmal in den eigenen Fuhrpark gehört - auch subventioniert worden ist. Das heißt, hier werden High Quality Produkte, die an richtig gut Verdienende gehen, staatlich unterstützt?
    Hickel: Ja, das kann man so sagen. Es ist der Staat dabei, einen Push zu geben, einen Anstoß zu geben. Das hat natürlich ganz viel damit zu tun, dass VW beispielsweise jetzt so stark abgestürzt ist. Und was man übrigens auch sieht in der Rückwärtsbetrachtung. Das gilt vor allem insgesamt auch für VW, aber auch für andere deutsche große Automobilunternehmen. In den letzten Jahren ist kaum investiert worden in Elektroautomobilität, …
    Müller: Obwohl Milliarden verdient wurden?
    Hickel: Genau, obwohl Milliarden verdient worden sind. Da ist viel ausgeschüttet worden. Das hatten Sie vorhin schon angesprochen. Daraus sind auch die Boni bezahlt worden. Aber sagen wir mal, ein Bonisystem, dass präferiert, dass Vorstandsmitglieder dann bevorteilt, wenn sie wirklich etwas tun für Innovation, vor allem in Richtung Elektromobilität, das ist bisher in dem ganzen System nicht belohnt worden, und da sieht man, dass jetzt der Push mit der Elektromobilität, der ja, was die Umwelt betrifft, sehr vernünftig ist, aber der natürlich auch dazu kommt, ein neues Absatzfeld zu eröffnen.
    Und das wird dann staatlich subventioniert für Unternehmen, die bisher Milliarden mit der schlechten alten Technologie und teilweise auch mit der gefakten, sprich manipulierten Technologie gewonnen haben.
    Müller: Das was Sie jetzt alles argumentieren, das weiß ja auch die Bundeskanzlerin. Sie war auch viele Jahre lang Umweltministerin. Warum macht Angela Merkel das?
    Hickel: Ich glaube, da ist einfach die Interessenspolitik der Automobilindustrie, auch die vielen Arbeitsplätze, die daran hängen. Es geht ja weit über die Automobilindustrie hinaus, dass dies entscheidend ist. Und die Automobilindustrie erinnert mich so ein bisschen an die Versicherungswirtschaft, als die Riester-Rente 2003 durchgesetzt worden ist. Sie ist eine unglaublich starke Industrie, eine unglaublich starke Lobby. Die Verliebtheit in Autos ist immer noch sehr groß. Und in diesem System, in diesem atmosphärischen System lassen sich die Interessen der Automobilindustrie immer sehr, sehr gut am Ende durchsetzen.
    Müller: Gilt das plakativ immer noch, die Wirtschaft macht die Politik?
    Hickel: Ja, eindeutig. In dem Fall macht die Wirtschaft die Politik. Nur hat die Wirtschaft, vor allem VW mal richtig Mist gebaut. Jetzt braucht man ein bisschen wieder mehr Politik, muss auch ein bisschen mehr auf die Politik zugehen. Aber ich sage jetzt schon voraus: Wenn das Ganze mal vergessen sein sollte, dann bestimmt die Automobilindustrie den Rhythmus beziehungsweise die politischen Entscheidungen in Berlin ganz entscheidend.
    Müller: Der Bremer Finanz- und Wirtschaftswissenschaftler Professor Rudolf Hickel. Danke für das Gespräch, Ihnen noch einen schönen Tag.
    Hickel: Schönen Dank, Herr Müller.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.