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Präsident des Robert Koch-Instituts
"Wir sind in der Lage, das Coronavirus einzudämmen"

Eine Coronavirus-Pandemie könne man nicht ausschließen, sagte Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts, im Dlf. Deutschland sei aber in der Lage, auch größere Ausbrüche einzudämmen. Schützen könne man sich und andere, indem man die selben Vorsichtsmaßnahmen wie bei einer Grippewelle ergreife.

Lothar Wieler im Gespräch mit Uli Blumenthal |
Illustration neuartiger Corona-Viren February 3, 2020, Atlanta, GA, United States of America: Illustration created at the Centers for Disease Control and Prevention showing the ultrastructural morphology exhibited by the Novel Coronavirus 2019-nCoV virus which has caused an outbreak of respiratory illness first detected in Wuhan, China in 2019. Note the spikes that adorn the outer surface of the virus, which impart the look of a corona surrounding the virion, when viewed electron microscope. Atlanta United States of America PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY - ZUMAp138 20200203zaap138002 Copyright: xCdc/Cdcx
In China steigt die Zahl der Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus weiterhin. Die Krankheitsschwere der Epidemie könne man noch nicht richtig einschätzen, sagte Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts. (imago images / ZUMA Press / Cdc/Cdc)
Uli Blumenthal: Die Zahl der Menschen, die sich mit dem neuartigen Corona-Virus infiziert hat, liegt bei über 60.000. Allein in der chinesischen Provinz Hubei meldeten die Behörden einen sprunghaften Anstieg der Neuinfektionen an einem Tag von über 14.000 Fällen. Außerhalb von China gibt es aktuell 175 Infektionen, in Deutschland sind es aktuell 15 Fälle. Nach einem Bericht des Robert Koch-Instituts legt die globale Entwicklung nahe, dass es zu einer weltweiten Ausbreitung des Virus im Sinne einer Pandemie kommen kann. Ich habe darüber heute Mittag mit Professor Lothar Wieler gesprochen, er ist Präsident des Robert Koch-Institut in Berlin, und ihn zunächst gefragt, was der Grund für den sprunghaften Anstieg der Zahl der Neuinfektionen ist.
Neue Falldefinitionen in China
Lothar Wieler: Tatsächlich ist es so, dass wir diesen Anstieg nicht ganz genau erklären können. Nach den Daten, die uns vorliegen und den Informationen liegt das aber weniger daran, dass das Krankheitsgeschehen sich dramatisch verändert hat, sondern eher, dass die Meldung selber anders vonstatten geht. Das heißt, dass die Falldefinitionen, die von den chinesischen Behörden verwendet werden, sich etwas geändert haben, und zwar nach unseren Informationen ist es so, dass jetzt auch klinisch bestätigte Fälle in diese Kurve mit hineingehen. Vorher war es eigentlich so, dass jene Fälle, die mittels einer PCR bestätigt wurden, also bei denen das Virus auch nachgewiesen wurde, diese Kurve bestimmte. Das ist die Annahme, die wir zurzeit haben. Sicher sind wir uns noch nicht, aber das ist die plausibelste Annahme.
Blumenthal: Und welche Gründe könnte es geben für diese Neudefinition der Fälle?
Wieler: Wenn man etwas sensitiver die Definition fasst, das heißt also, wenn man eher mehr als weniger Fälle einbezieht, dann hat das den Vorteil, dass das Infektionsgeschehen ein wenig besser abgeschätzt wird, und es kann auch einfach so sein, dieser Ausbruch ist in China ja wirklich sehr, sehr umfangreich und sehr dynamisch, dass einfach auch die Kapazitäten der diagnostischen Labore nicht genügend ausreichen, um allen Fällen entsprechend nachgehen zu können. Dann ist das sicher im Sinne der Ausbreitung und der Erkennung der wahren Epidemie eine ganz sinnvolle Maßnahme.
Illustration des Coronavirus nCoV im Jahr 2019.
Lungenkrankheit Covid-19 - Wie gefährlich ist das neue Coronavirus?
Die Zahl der mit dem Coronavirus Infizierten in China ist weiter angestiegen. Die Weltgesundheitsorganisation hat Ende Januar den "internationalen Gesundheitsnotstand" ausgerufen. In Deutschland wurden inzwischen über 16 Fälle von Infizierten bestätigt.
Blumenthal: Dazu kommen aber eigentlich auch Meldungen, dass es einen Mangel an entsprechenden Testkits gibt und dass auch die Zuverlässigkeit dieser Testmöglichkeiten in gewisser Weise zu wünschen übrig lässt. Also liegt da auch ein mögliches Problem?
Wieler: Nun, Tests sind natürlich immer eine ganz, ganz entscheidende Komponente. Dieser Test, der entwickelt wurde im Wesentlichen von einer Gruppe unter Beteiligung von Christian Drosten von der Charité, ist ein sogenannter PCR-Test, bei dem das Genmaterial der Viren nachgewiesen wird. Jeder Test hat bestimmte Fähigkeiten, bestimmte Qualitätsmerkmale. Dieser Test konnte nicht in dem Maße validiert werden, wie es langfristig so sein wird, aber es ist völlig normal, dass man auch mit einem Test einen Menschen in der Inkubationszeit vielleicht noch als negativ testet, der zwei, drei Tage später dann positiv ist. Das ist ein ganz normales Verhalten, und wir müssen die Qualität des Testes immer weiter einschätzen, aber für die Zahlen, über die wir jetzt sprechen, in China scheint mir die Testqualität nicht ein wirklich relevanter Parameter zu sein.
Etwa 450 Fälle außerhalb Chinas
Blumenthal: Wie sehen Sie die weitere Entwicklung, die Entwicklungsszenarien mit diesen neuen Corona-Virus 2019. Wird es eine Pandemie, wie man spekuliert, etabliert es sich wie eine normale Grippe, oder verschwindet das Virus einfach, wie es ja beispielsweise bei SARS nach 2002, 2003 der Fall war?
Wieler: Das sind ganz einfache Fragen, und alle die kann man nicht einwandfrei beantworten. Also wir wissen, dass dieser Ausbruch Ende November letztes Jahr wahrscheinlich angefangen hat. Wir sehen, dass die chinesischen Behörden massive Maßnahmen fahren, um dieses Geschehen einzudämmen. Wir haben bislang rund 450 Fälle außerhalb von China. Das ist also eine sehr, sehr kleine Zahl. Wir haben außerhalb Chinas bislang eine Person, die verstorben ist im Rahmen der Infektionskrankheit. Das heißt also, wir sind auf einer Schwelle, wo wir nach wie vor die Hoffnung haben, dass es sich nicht zu einer Pandemie entwickeln wird, aber wir können das nicht ausschließen.
Wenn man das nicht ausschließen kann, dann kann man verschiedene Szenarien durchschauen, was kann geschehen. Die Länder zurzeit außerhalb von China – dazu gehört Deutschland, viele Länder, gerade die Länder mit guten Gesundheitssystemen – fahren eine sehr starke Politik des sogenannte Containments, also der Eindämmung. Wir sind in Deutschland momentan in der Lage, dieses Virus einzudämmen. Wir haben in Deutschland noch keine Viren in der Bevölkerung. Wir haben in Deutschland schon viele, viele tausend Tests durchgeführt in verschiedenen Laboren, und die sind im größten Teil negativ verlaufen. Die einzigen, die positiv verlaufen waren, waren die in der Infektkette in Bayern beziehungsweise die zwei repatriierten Mitbürger aus Wuhan. Das heißt also, was geschehen kann, ist, dass das Virus sich ausbreitet.
"Wir brauchen ein gutes Gesundheitssystem"
Dann ist das Wichtigste, dass wir dazu beitragen, dass das Virus sich langsam ausbreitet, damit es nicht parallel mit der Grippewelle in Deutschland sich ausbreitet. Wir sind immer noch optimistisch, dass wir die Ausbreitung unterbinden können. Was geschehen kann, ist, dass das Virus nach Deutschland kommt, langsam in die Bevölkerung kommt, und dann brauchen wir ein gutes Gesundheitssystem, Ärzte, die die Patienten entsprechend behandeln. Ich möchte nur noch einmal erwähnen, dass wir im Jahr 2017, 2018 eine sehr, sehr schwere Grippewelle hatten, an der ja über 20.000 verstorben sind, und da hatten wir zehn Millionen Arztbesuche. Auch diese zehn Millionen Arztbesuche hat das deutsche Gesundheitssystem ja gewuppt. Das muss man sagen. Das heißt also, Deutschland ist in der Lage, auch größere Ausbrüche einzudämmen.
Die CDU-Politikerin Karin Maag
Gesundheitspolitikerin Karin Maag (CDU) zu Corona-Virus - "Deutschland ist sehr gut vorbereitet“
Auf eine mögliche Pandemie mit dem Corona-Virus COVID-19 sei Deutschland gut vorbereitet, sagte die CDU-Gesundheitspolitikerin Karin Maag im Dlf. Entscheidend seien die Pandemie-Pläne, die im Quarantäne-Fall greifen.
Die Krankheitsschwere können wir noch nicht ganz einschätzen, aber alle Informationen, die wir insbesondere von den Fällen außerhalb Chinas haben, sprechen dafür, dass die Krankheitsschwere nicht so groß ist wie wir sie in China selber sehen. Sie kann vielleicht verglichen werden mit einer schweren Grippeepidemie. Das ist zurzeit unsere Arbeitshypothese. Wir haben einige Daten erhoben, die uns dazu veranlassen, Vergleiche ziehen zu könne mit publizierten Daten aus China. Unsere momentane Einschätzung wäre, dass es wie eine schwere Grippewelle vielleicht nach Deutschland kommen könnte, aber ich möchte nochmals betonen: Wir haben immer noch die Hoffnung, dass wir die Ausbreitung, die pandemische Ausbreitung verhindern können.
Maßnahmen wie bei einer Grippewelle
Blumenthal: Was bedeuten eigentlich die Ratschläge oder Empfehlungen, die auch das Robert Koch-Institut jetzt gegeben hat für die Bevölkerung und auch für mich als ganz normalen Bürger, also wie kann ich mich vorbereiten? Sicherlich nicht dadurch, dass ich jetzt Gesichts- und Atemmasken kaufe und in der Apotheke nach Tamiflu frage, wie damals bei der Vogelgrippe.
Wieler: Ja, das ist vollkommen richtig. Wir schätzen, Stand heute, die Gefahr für die Bevölkerung gering ein, weil das Virus nicht in Deutschland ist. Wichtig ist, wenn man die gleichen Ratschläge befolgt, die wir eigentlich jedes Jahr bei der Grippe auch immer wieder in die Bevölkerung versuchen zu bringen. Jetzt ist die Zeit der Grippe, in Deutschland sind bis heute schon über 60 Menschen, die bekannt sind, an Grippe gestorben. Das heißt, wir müssen die gleichen Maßnahmen veranlassen, die dafür sorgen, dass die Menschen wirklich eine Händehygiene haben. Also Hände waschen ist ganz, ganz wichtig, weil über Niesen, wenn man in die Hände niest, kann man ein Virus übertragen, das ist die sogenannte Niesetikette, dass man in den Ärmel niest oder hustet und nicht in die Hand, dass man sich die Hände wäscht, dass man, wenn man erkrankt ist, zunächst mal, wenn man Symptome hat von einer Grippe, dass man sie zunächst mal beobachtet, zuhause bleibt, vielleicht versucht, andere nicht anzustecken. Es gibt eigentlich keinerlei andere Verhaltensmaßregeln als das im Falle der Grippe ansteht.
Kein Impfstoff gegen Corona-Virus
Bei der Grippe ist natürlich der Unterschied, dass wir uns impfen lassen können. Einen Impfstoff gegen das neue Corona-Virus, den gibt es nicht, aber es ist ganz klar, dass die Menschen sich gegen die aktuell wirklich vorhandene Gefahr der Grippe, die ja da ist in Deutschland, die Grippewelle hat Mitte Januar angefangen, dass Sie sich davor schützen können, und das sollten Sie tun, und das sind dieselben Maßnahmen, die man auch im Falle einer möglichen Welle mit dem neuen Corona-Virus ergreifen würde.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.