Montag, 29. April 2024

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Präsidentenwahl in Österreich
"Ausländische Medien trugen zur Niederlage Hofers bei"

Nach Ansicht der Chefredakteurin der österreichischen Tageszeitung "Der Standard", Alexandra Föderl-Schmid, hat die Berichterstattung ausländischer Medien zur Niederlage des Rechtspopulisten Norbert Hofer bei der Präsidentschaftswahl beigetragen. Diese habe vielen Österreichern gezeigt, "welch verheerendes internationales Signal" dessen Sieg für Europa wäre, sagte Föderl-Schmid im DLF.

Alexandra Föderl-Schmid im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 05.12.2016
    Die österreichische Journalistin Alexandra Föderl-Schmid
    Die österreichische Journalistin Alexandra Föderl-Schmid (picture alliance / dpa / Erwin Elsner)
    Hofer habe immer mit der Möglichkeit eines EU-Austritt "gespielt", so Föderl-Schmid. Der Brexit und die Folgen hätten den Österreichern aber vor Augen geführt, was das hieße. Deshalb sei der Sieg von Hofers Gegenkandidaten Alexander van der Bellen auch als Votum pro Europa zu verstehen.
    Der frühere Parteichef der Grünen habe es geschafft, die Wähler zu mobilisieren. Geholfen habe ihm dabei seine "sehr, sehr, sehr breite Allianz" aus Unterstützern - auch aus dem konservativen Lager, betonte Föderl-Schmid.

    Tobias Armbrüster: Am Telefon ist jetzt Alexandra Föderl-Schmid, Chefredakteurin der österreichischen Zeitung "Der Standard". Schönen guten Morgen nach Wien!
    Alexandra Föderl-Schmid: Guten Morgen aus Wien!
    Armbrüster: Frau Föderl-Schmid, wieso jetzt auf einmal dieser doch deutliche Sieg für Alexander Van der Bellen, den grünen Kandidaten?
    Föderl-Schmid: Alexander Van der Bellen, das zeigen die Wählerstromanalysen, hat es geschafft, zu mobilisieren. Er konnte mehr als 170.000 Wählerinnen und Wählern, die bei der ersten Stichwahl, die ja bekanntlich annulliert wurde beziehungsweise wiederholt werden musste, diesmal motivieren, zur Wahl zu gehen. Gleichzeitig sind viele frühere Hofer-Wähler zu Hause geblieben. Also, er konnte deutlich besser die Leute an die Urnen bringen. Geholfen hat ihm eine sehr, sehr breite Allianz: Es waren eben ÖVP-Bürgermeister, die diesmal auch organisiert für ihn gelaufen sind, sprich Konservative, aber auch SPÖ-Funktionäre, die Neos. Es war eine bunte Allianz, die schlussendlich Van der Bellen zu diesem Sieg verholfen hat.
    "Es war auch ein Votum für Europa"
    Armbrüster: Welche Rolle haben denn bei dieser Wahl die Warnungen gespielt, die Warnungen vor einem Rechtspopulisten auf dem Präsidentenstuhl?
    Föderl-Schmid: Ich glaube, auch die Berichterstattung der ausländischen Medien nach der ersten Stichwahl, als Herr Van der Bellen nur sehr knapp gegen den Rechtspopulisten Hofer gewonnen hat, die haben vielen Österreicherinnen und Österreichern gezeigt, ja, welch verheerendes internationales Signal es auslösen würde, wenn erstmals in Westeuropa ein Rechtspopulist Staatsoberhaupt werden würde. Ich glaube, dass hat einen entscheidenden Beitrag geleistet, plus, das darf man auch nicht vergessen, Herr Hofer hat immer wieder auch mit der Möglichkeit eines EU-Austritts gespielt, und das Brexit-Referendum und die Folgen haben den Österreicherinnen und Österreichern auch vor Augen geführt, was es hieße, wenn das mit einem Bundespräsidenten Hofer Realität werden würde. Also, es war auch ein Votum pro Europa.
    Armbrüster: Jetzt wurde Herr Hofer allerdings auch nicht gerade, kann man so sagen, vernichtend geschlagen. Er hat auch ein Ergebnis geholt, das knapp an die 50 Prozent ran geht. Kann man sagen, Österreich ist nach wie vor gespalten?
    Föderl-Schmid: Österreich hat einen sehr polarisierenden Wahlkampf, teilweise auch sehr schmutzigen, erlebt. Und Van der Bellen wird jetzt diese Gräben, die gezogen wurden, versuchen müssen, zuzuschütten. Es stimmt, der Stimmenanteil für Hofer war sehr hoch, aber Umfragen zeigen, dass eben auch die FPÖ im Falle von raschen Neuwahlen, die nach wie vor nicht ausgeschlossen sind, stimmenstärkste Partei werden könnte. Und da sind viele Wählerinnen und Wähler dabei, die mit ihrer Stimme auch ein Signal des Protestes gegen die Regierung setzen wollten. Und schon beim ersten Urnengang hat sich gezeigt, dass eben viele eben Protest wählen wollten und deshalb Hofer ihre Stimme gegeben haben. Also, diese Wähler, die unzufrieden sind mit der Regierung, die Angst haben vor den Entwicklungen, vor den Auswirkungen der Globalisierung, die die Bewältigung der Flüchtlingskrise nicht als überwunden sehen. All diejenigen haben eher für Hofer als für Van der Bellen votiert.
    "Es könnte jetzt innerhalb der Rechtspopulisten ein Machtkampf drohen"
    Armbrüster: Ganz kurz noch, Frau Föderl-Schmid, wie geht es jetzt weiter mit Herrn Hofer und mit der FPÖ?
    Föderl-Schmid: Es war sehr spannend, wie sich Herr Hofer am Wahlabend verhalten hat – er hat erklärt, er würde vermutlich noch mal als Präsident in sechs Jahren antreten. Aber er hat auch einige Dinge gesagt, die man als Kampfansage in Richtung Parteichef Strach interpretieren könnte. Das heißt, es könnte sein, dass jetzt innerhalb der Freiheitlichen, der Rechtspopulisten, ein Machtkampf droht um die Führung, vor allem, falls es tatsächlich 2017 Neuwahlen gibt, ist nicht ausgemacht, dass nicht auch Herr Hofer [als] Spitzenkandidat antreten könnte.
    Armbrüster: Live aus Wien war das Alexandra Föderl-Schmid, Chefredakteurin bei der österreichischen Tageszeitung "Der Standard". Vielen Dank, Frau Föderl-Schmid, für Ihre Zeit heute Morgen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.