Montag, 29. April 2024

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Stichwahl um das Präsidentenamt in Österreich
"Zentrum versus Neue Rechte"

Die erste Runde der österreichischen Präsidentenwahl war nach Einschätzung des Publizisten Armin Thurnher eine Abstrafung für die Regierungsparteien gewesen. In der Stichwahl stünden nun zwei Kandidaten mit "zwei ziemlich getrennten Wählerschaften". Norbert Hofer habe gegenüber Alexander Van der Bellen den Vorteil, dass seine FPÖ derzeit im Umfragehoch sei, sagte er im DLF.

Armin Thurnher im Gespräch mit Michael Köhler | 04.12.2016
    Armin Thurnher
    Der Publizist Armin Thurner sagte im DLF, Alexander Van der Bellen sei als europafreundlicher und eher linksliberaler Kandidat für viele konservative, christlich-soziale Österreicher nicht wählbar. (imago)
    Es sei die große Überraschung dieser Wahl gewesen, dass die Regierungsparteien in der ersten Runde so abgestraft worden seien, sagte der Publizist Armin Thurnher im Deutschlandfunk. In der Stichwahl habe man es mit "zwei ziemlich getrennten Wählerschaften" zu tun: Die des freien Kandidaten, dem früheren Grünen-Chef Alexander Van der Bellen, seien "eher liberal denkend, eher besser gebildet, eher urban". Und die Wähler des Rechtspopulisten Norbert Hofer seien "eher so mit Abstiegsängsten behaftet, eher Arbeiterschaft, eher Unterschicht und eher ländlich und eher mit nicht so guter Ausbildung". Das sei die "klassische Zentrum-versus-Neue-Rechte-Aufstellung".
    Österreich habe ein gespaltenes Verhältnis zu Europa - das verdanke man auch der "nicht so gut funktionierenden Öffentlichkeit - das zieht sich vom Boulevard-Fernsehen bis zur Tatsache hin, dass wir nicht wirklich Diskurs bestimmende Qualitätsmedien haben". Denn diese würden von der Politik nicht ernst genommen. Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk verstehe sich eher als ausgleichend, und die Diskussionen dort seien "nicht sehr politisch konturierend". Da habe Österreich großen Nachholbedarf. Ansonsten sei das Land "eine normal funktionierende Demokatrie", betonte Thurnher.
    Wahl eines Rechtspopulisten zum Präsidenten wäre prekär für ganz Europa
    Die Wahl sei auch auch über die Landesgrenzen hinaus von Bedeutung, weil es um das Präsidentenamt in einer gefestigten Demokratie gehe. Möglicherweise künftig "einen Rechten als Staatsoberhaupt zu haben, das wirkt natürlich auf ganz Europa prekär". Gründe für das Erstarken der Rechtspopulisten seien das "Versagen der europäischen Eliten auf der einen Seite und auf der anderen Seite der Erfolg der rechtsextremen Propaganda". Diese sei im Stande, alle Abstiegsängste und realen Abstiegserlebnisse mit der Migration und der Globalisierung zu verknüpfen. Der Zusammenhang sei so zwar nicht oder nur bedingt zutreffend, funktioniere aber als Erzählung gut, erklärte Thurnher.
    Europa sei nicht im Stande, der Mehrheit der Bevölkerung eine wirklich attraktive Perspektive zu bieten und zu vermitteln, dass die Gemeinschaft ein erfolgreiches Friedensprojekt sei. Das werde auch deshalb nicht geglaubt, weil es so lange keine Kriege hier gegeben habe. "Und in wirtschaftlicher Hinsicht ist die Skepsis ja durchaus angebracht."
    Norbert Hofer habe bei der aktuellen Abstimmung "den Vorteil, dass seine Partei im Moment im Umfragehoch ist". Van der Bellen sei als europafreundlicher und eher linksliberaler Kandidat für viele konservative, christlich-soziale Österreicher nicht wählbar. Er denke und hoffe dennoch, so der Publizist, dass Van der Bellen gewinnen werde.