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Präsidentschaftswahl als Briefwahl
Streit in Polen über eine Wahl in Zeiten von Corona

Für Sonntag ist in Polen eine Präsidentenwahl angesetzt. Noch ist aber unklar, ob sie wirklich stattfindet. Wegen der Coronakrise soll sie als reine Briefwahl stattfinden. Ein fairer Wahlkampf sei da nicht möglich gewesen, sagt die Opposition. Die Regierung sieht das anders.

Von Florian Kellermann |
In Polen soll am Sonntag ein neuer Präsident per Briefwahl gewählt werden.
In Polen soll Sonntag gewählt werden. Aber nicht an der Urne, sondern per Brief. Die Zeit wird knapp und die Opposition stellt sich quer. (dpa / picture alliance / Beata Zawrzel)
Der amtierende Staatspräsident Andrzej Duda geht fest davon aus, dass die Wahl am kommenden Sonntag stattfindet – und er sein Amt verteidigen kann. Am Freitag stellte er sein Programm vor und machte den Wählern große Versprechen.
"Wir müssen das Arbeitslosengeld erhöhen und darüber hinausgehende Unterstützung leisten. Ich will einen Solidaritätszuschlag einführen, den jeder bekommt, der wegen der Coronakrise den Arbeitsplatz verloren hat. 1200 Zloty monatlich für drei Monate. Als Absicherung für die Zeit der Arbeitssuche."
1200 Zloty, das sind über 250 Euro. Damit will Andrzej Duda seine Chancen noch weiter steigern. Schon frühere Umfragen zeigen, dass der Kandidat der rechtskonservativen Regierungspartei PiS weit vorne liegt. Er könnte schon im ersten Wahlgang über 50 Prozent der Stimmen holen und gewinnen.
33D-Modell des Coronavirus SARS-CoV2
Ein rechtliches Chaos droht
Doch der Wahlsieg hätte mehrere Schönheitsfehler. Zum einen wird die Wahlbeteiligung wohl so niedrig ausfallen wie noch nie. Die Polen haben derzeit schlicht andere Sorgen, allen voran das Coronavirus und die Beschränkungen, mit denen Regierung es bekämpft. Diese sind immer noch deutlich einschneidender als in Deutschland.
Außerdem halten viele namhafte Juristen die Wahl unter den gegebenen Umständen für illegal. Krystian Markiewicz, der Vorsitzende der Richtervereinigung Iustitia erklärte gestern: "Niemand, der vernünftig ist, kann glauben, dass dies Wahlen allgemein, gleich, direkt und geheim sein werden, so wie es die Verfassung vorsieht. Die Regierung wird diese Wahlen nicht auf der Grundlage unseres Grundgesetzes durchführen."
Einen Appell, die Wahl zu verschieben, unterschrieben deshalb 425 Dozenten an juristischen Fakultäten polnischer Hochschulen. Sie erklären damit auch: Die Wahl wird juristisch anfechtbar sein. Das könnte nach Ansicht von Experten zu einem rechtlichen Chaos führen.
Der polnische Staatschef Jaroslaw Kaczynski bei einer Sondersitzung im polnischen Parlament am 6.4.2020
Präsidentschaftswahl als Briefwahl - Zum Schaden für Polen
Die Präsidentenwahl in Polen soll wegen der Corona-Pandemie als reine Briefwahl abgehalten werden. Das könnte die Infektionsgefahr aber erhöhen und das Land weiter spalten, meint Florian Kellermann.
Die Juristen halten die Wahl derzeit aus mehreren Gründen für nicht gesetzeskonform. Zum einen konnten die Oppositionskandidaten wegen der Beschränkung von Reisen und Versammlungen praktisch keinen Wahlkampf betreiben. Zum anderen will die Regierung die Wahl wegen Corona als reine Briefwahl abhalten. Eine entsprechende Gesetzesänderung soll erst am Donnerstag abschließend im Parlament beschlossen werden, also drei Tage vor der Wahl.
Selbst die Post wird von der PiS vereinnahmt
Dagegen gibt es auch Widerstand im Regierungslager. So bei Jaroslaw Gowin, bis vor kurzem Wissenschaftsminister:
"Ich bin zutiefst überzeugt und wiederhole das seit einigen Wochen, dass es unmöglich ist, diese Wahl am Sonntag als reine Briefwahl abzuhalten. Das ergibt sich schon daraus, dass sich viele Kommunen weigern, dafür die Wählerverzeichnisse zur Verfügung zu stellen."
Gowin ist Vorsitzender der Partei "Einigung". Deren 18 Abgeordnete kamen über die Liste der Regierungspartei PiS ins Parlament und sitzen in deren Fraktion. Unklar ist, wie viele von ihnen mit Gowin am Donnerstag gegen die Gesetzesänderung stimmen. Wenn es allerdings 12 sein werden, wie polnische Medien gestern berichteten, dann könnte das Gesetz scheitern – und damit auch die Wahl.
Doch einstweilen treibt die Regierung die Vorbereitung der Wahl voran. Die polnische Post soll die Briefwahl maßgeblich organisieren. Dafür machte die Regierung vor einem Monate extra einen jungen Politiker aus ihren Reihen zum neuen Chef des staatlichen Unternehmens.