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Prävention sexualisierter Gewalt im Sport
Kein Schema F

Im Umfeld des Sports kommt es immer wieder zu sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen. Dabei haben Vereine die Aufgabe, die ihnen anvertrauten Kinder vor jeglicher Art der Gewalt zu schützen. Dazu ist ein Konzept notwendig mit vielen Eckpunkten und vielen Fortbildungen.

Von Andrea Schültke | 03.10.2018
    Karatetraining in einem Berliner Sportverein. Kinder und Jugendliche werden auch in Techniken der Selbstverteidigung unterrichtet.
    Sportvereine brauchen ein Kinderschutzkonzept. (dpa-Zentralbild)
    Olympiastützpunkt Köln. Am Seminarraum 3 hängt ein Schild: "Herzlich Willkommen zur Ansprechpartnerschulung". Ansprechpartner sind ein Teil eines Präventions- oder Schutzkonzeptes. Wer von sexualisierter Gewalt z.B. im Verein betroffen ist, Übergriffe beobachtet oder davon gehört hat, kann sich an diese vom Verein oder Verband ernannten Ansprechpartner wenden.
    Beim Schwimmverband NRW zum Beispiel an Seminarteilnehmerin Ulrike Volkenandt: "Ich bin mit der Erwartung hierhin gekommen, dass meine Rolle als Ansprechpartnerin für Prävention sexualisierter Gewalt, dass die deutlicher abgesteckt wird." Was muss ich tun, was kann ich leisten, wie kann ich das Thema bewältigen und wo bekomme ich selber Hilfe beim Helfen?
    Ein Schild auf dem steht: "Herzlich Willkommen zur Ansprechpartnerschulung"
    Ansprechpartnerschulung am Olympiastützpunkt in Köln. (Dlf/Andrea Schültke)
    Fragen wie diese stellen sich die 22 Frauen und Männer aus Stadt- und Kreissportbünden, Verbänden und Vereinen, die an der Fortbildung des Landessportbundes NRW teilnehmen. Wie notwendig und wichtig das ist, zeigen diese Zahlen der Studie "Safe Sport": Nur für die Hälfte aller Sportvereine in Deutschland ist Prävention ein relevantes Thema und nur 36 Prozent verfügen über fundierte Kenntnisse dazu.
    Der Tischtennisclub Bärbroich ist da schon viel weiter, berichtet der Vorsitzende Bernhard Ley: "Wir haben also bereits 2011/12 ein Präventionskonzept erarbeitet und Schritte zur Umsetzung eingeleitet: Führungszeugnisse eingeholt, Ehrenkodex eingesammelt, haben aber bisher keine Gelegenheit gehabt, Ansprechpartner zu identifizieren und zu schulen."
    Auf die Praxis vorbereiten
    Deshalb ist er jetzt hier. Die Seminarleiterinnen Mandy Owczarzak und Dagmar Ziege bereiten die Teilnehmer auf die Praxis vor: "Vor allem in der Krisenintervention, anhand von Fällen, damit sie an der Stelle eine Vorstellung haben, was auf sie zukommen kann, dass sie wissen, dass jeder Fall anders ist".
    Krisenintervention heißt konkret: Die beiden haben reale Fälle aufgeschrieben, mit denen sie selbst konfrontiert waren. Aufgabe für die Seminarteilnehmer – Lösungen finden. Einmal geht es um einen Vater, der seine Tochter und andere Mädchen des Handballteams nach dem Training nach Hause fährt und übergriffig wird. Im anderen Fall wird ein Sportler vom Trainer per Whatsapp sexuell belästigt.
    Erlernen von Handlungsstrategien
    In Kleingruppen beraten die zukünftigen Ansprechpersonen wie sie handeln würden: Ruhe bewahren stand ganz oben. Den Ablauf neutral aufschreiben, nicht werten. Die betroffene Person in Sicherheit bringen. Den mutmaßlichen Täter gegebenenfalls beurlauben. Eine Fachberatungsstelle einbinden, denn dort sind die Experten. Juristische Beratung einholen. Infoabend für den Verein.
    "Am meisten Überrascht haben mich tatsächlich die Fallbeispiele, die wir durchgenommen haben, diese Täterstrategien, wie umfangreich das ist, wie komplex die Fälle sind und dass es nicht Schema F gibt, wenn was passiert", bilanziert Ulrike Volkenandt vom Schwimmverband NRW am Ende der zwei Tage. Und weiter: "Also ich fühl mich sicher, dass ich meine Vereine dahin gehend beraten kann, dass die präventiv aktiv werden können."
    Sportvereine brauchen ein Kinderschutzkonzept
    Und ein Schutzkonzept erarbeiten. Denn dazu gehört mehr als eine Ansprechperson für das Thema sexualisierte Gewalt. Nämlich die Aufnahme des Themas in die Satzung, schriftliche Selbstverpflichtung der Sportmitarbeiter auf Verhaltensregeln im Umgang mit Kindern- und Jugendlichen, ein erweitertes Führungszeugnis von allen Mitarbeitern einholen, sie auf das Thema aufmerksam machen und schulen und Eltern und Kinder einbinden.
    Seit dem vergangenen Wochenende gibt es 22 neue Ansprechpersonen in NRW zur Prävention sexualisierter Gewalt im Sport. Sie sind für ihre Sportorganisation jetzt ein Teil eines Kinderschutzkonzeptes. "Und wir hoffen, dass sie die Chance jetzt nutzen, die Vereine mit ins Boot zu kriegen, das heißt, dass die Vereine sich vermehrt um die Prävention sexualisierter Gewalt kümmern.
    Die 22 Ansprechpersonen und ihre Sportorganisation haben sich am vergangenen Wochenende auf den Weg gemacht und es müssen noch viel, viel mehr werden. Denn der Sport hat die Aufgabe, die ihnen anvertrauten Kinder vor jeglicher Art von Gewalt zu schützen.